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Yanomami: Aufschrei gegen Bolsonaro

Artikel-Nr.: DE20200617-Art.04-2020

Yanomami: Aufschrei gegen Bolsonaro

Claudia Andujar und das Los der indigenen Völker

In den frühen 1970er Jahren gab die in der Schweiz geborene Brasilianische Fotografin Claudia Andujar ihren Beruf als Fotojournalistin für Illustrierte auf, um sich dem zu widmen, was sie als ihre Lebensaufgabe bezeichnet: Fotografieren und Eintreten für die Yanomami, ein indigenes Volk, das in einer abgelegenen Regenwaldregion des Amazonas an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela lebt. In ihren eigenen Worten: Die Achtzigjährige möchte nicht nur als visuelle Künstlerin in Erinnerung bleiben, sondern als „jemand, der für das Leben und Überleben des Yanomami-Volkes kämpfte“. Mit Informationen von Gabriella Angeleti.

Ende Januar 2020 eröffnete in der Fondation Cartier in Paris Claudia Andujars Ausstellung „Der Kampf der Yanomami“. Sie bringt rund 300 Fotografien aus Andujars Archiv zusammen, das über 25.000 Bilder umfasst, die sie in den 50 Jahren aufnahm, die sie der Dokumentation der komplexen Kultur der Yanomani widmete. Die Schau hebt ebenfalls ihre Rolle als Verteidigerin der Menschenrechte der Yanomani hervor, einschließlich der von ihr mit gestarteten Kampagne zur Demarkierung des Yanomani-Landes.

● Illegaler Bergbau und Rodung immer noch an der Tagesordnung

Zur Ausstellung gehört ein Video über die angespannte politische Situation im heutigen Brasilien. Es zeigt den Brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, wie er seine Pläne zur Besteuerung der Indigenen und zur Ausbeutung ihres Landes im Dienste von Konzerninteressen erklärt. Andujar hofft, dass die Ausstellung aktuelle politische Probleme ans Licht bringt, da illegaler Bergbau und Rodung immer noch die Region bestimmen. Zur Eröffnung der Ausstellung in Paris kam sie mit dem Yanomani-Schamanen und -Sprecher Davi Kopenawa, der 1992 mit zur Demarkation des Yanomami-Landes aufrief, ein Dekret, das die Bolsonaro-Regierung nun rückgängig machen will.

„Diese Regierung wird nicht viel tun, um indigenen Menschen zu helfen, so dass wir weiterhin für diese Leute kämpfen und ihre Interessen vertreten müssen,“ sagt Andujar. „Die Lage war kompliziert, als ich meine Arbeit begann, und sie ist es immer noch.“ Die Hutukara Yanonami Association, die Andujar vertritt, erhält einen Teil der Einnahmen aus ihren Arbeiten, um ihre Lobbyarbeit zu finanzieren.


Der Kurator Thyago Nogueira, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Fotografie am Instituto Moreira Salles in São Paulo, arbeitete rund vier Jahre mit Andujar, um die Ausstellung zu organisieren. Er traf die Fotografin im Gefolge der Eröffnung eines ihrer Arbeit gewidmeten Pavillons im Inhotim Kunstzentrum in Brumadinho, Minas Gerais.

● Ästhetik und Politik

“Um 2000 herum wuchs die Bedeutung Andujars für Museen und Sammler, doch es gab keine klare Analyse des Zusammenhangs zwischen ihren Bildern und ihrer politischen Aktivität“, sagt Nogueira. „Der Aktionsbezug ihrer Arbeit wurde von den meisten Institutionen übersehen, und ich fand, wir brauchten eine stärkere historische Präsentation, die den ästhetischen und den politischen Wert ihrer Arbeit zusammenbringen würde.“

Andujar wurde 1931 in Neuchâtel in der Schweiz geboren und verbrachte ihre Kindheit in Siebenbürgen, bevor sie vor der Naziverfolgung erst in die Schweiz und dann nach New York fliehen musste. Sie lebte und studierte ein Jahrzehnt lang in New York, bevor sie ihre Mutter in São Paulo wiedertraf. Dort wurde sie von dem Magazin „Realidade“ beauftragt, das marginalisierte Volk der Karajá in Zentralbrasilien zu fotografieren – der Auftakt ihrer Karriere als Fotojournalistin.

Andujar begegnete den Yanomami erstmals 1971 im Zuge eines Auftrags für „Realidade“. Ihre Aufträge „boten ihr nur die Chance, sich kurzzeitig mit einem Thema zu befassen. Frustriert von bestimmten Grenzen des Fotojournalismus, suchte sie nach einem langfristigen Projekt“, sagt Nogueira. In diesem Jahr erhielt sie ein zweijähriges Guggenheim-Stipendium, um ein gründlicheres Fotoessay über die Yanonami abzuschließen; ein weiteres folgte 1977 zur Fortsetzung des Projekts.

Die Ausstellung ist chronologisch organisiert und teilt sich in zwei Teile. Der erste Teil zeigt Andujars künstlerische Exploration der komplexen Lebenswelt der Yanomami, der zweite Teil ihre aktive Arbeit für die Yanomani, die fortgesetzt durch die Folgen des Klimawandels und den illegalen Bergbau auf ihrem Land bedroht werden. Einige Bilder zeigen die Not der Yanonami in der Folge des Kontakts mit der und der Integration durch die äußere Welt, während andere die signifikanten Aspekte der Yanonami-Kultur veranschaulichen, etwa ihre schamanischen Initiationsriten.

Die Ausstellung zeigt ebenso eine beeindruckende audiovisuelle Installation von fotografischen Projektionen und Musik, die Yanomami-Gesänge mit einem experimentellen Soundtrack des Brasilianischen Komponisten Marlui Miranda unterlegt. Andujar konzepierte diese Installation „Völkermord an den Yanomami: Tod Brasiliens (1989/2018)“ erstmals 1989 als Protestaktion gegen die Unterzeichnung von Bundesdekreten, die das Yanomami-Land in Reservate teilten und in einigen Gegenden Bergbau und Erschließung erlaubten.

● Ein endloser Kampf

Eine Reihe von Zeichnungen von Yanomami ist ebenfalls zu sehen. „Für sie war Zeichnen etwas völlig Neues“, sagt Andujar. „Ich sagte ihnen nicht, was sie zeichnen sollen – ich gab ihnen einfach Papier und Stifte, und sie reproduzierten Dinge aus ihrer Kultur.“ Zu den Themen gehörten Tiere und Bilder aus Yanonami-Mythen und schamanischen Ritualen.

Nach Nogueira gibt es Pläne, das Fotoarchiv Andujars zu digitalisieren. Da die Yanomani mehr und mehr bedroht werden, könnte es zukünftig unmöglich sein, ihre Geschichte ohne solche Fotos zu erzählen, die Andujar im Laufe ihrer Karriere akribisch aufgenommen und zusammengetragen hat.

„Ich hoffe, dass diese Arbeit die Yanomami-Kultur und ihr Schicksal beleuchtet und ich in der Lage war, etwas zu zeigen, das die Menschen der Situation der Yanonami näher bringt“, sagt Anduja. „Vor vielen Jahren, als ihr Land demarkiert wurde, dachten wir, der Kampf sei vorbei; doch es ist ein Kampf, der niemals endet.“

Gabriella Angeleti ist Reporterin bei The Art Newspaper, wo der Text zuerst erschien. Für diese Übernahme ins Deutsche wurde er leicht aktualisiert. Die Hauptsponsoren der Ausstellung sind das Instituto Socioambiental und die Hutukara Yanomami Association. Zur Ausstellung, die noch bis 10. Mai 2020 dauert, erschien ein Katalog: Claudia Andujar, The Yanomani Struggle, 336 pp, Fondation Cartier: Paris 2020. Bezug: über fondationcartier.com

Posted: 17.2.2020

Empfohlene Zitierweise:
Gabriella Angeleti: Yanonami: Aufschrei gegen Bolsonaro. Claudia Andujar und das Los der indigenen Völker, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. Februar 2020 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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