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Warum und wie die Reichen zahlen sollen

Artikel-Nr.: DE20121112-Art.57-2012

Warum und wie die Reichen zahlen sollen

Eine Finanzierungsformel für den Klimaschutz

Nur im Web – Bis auf die Endphase war der Klimaschutz im US-Wahlkampf kein Thema. Das zeigt, wie gering sein Stellenwert auf der Agenda Washingtons inzwischen ist. Global dagegen gibt es einen gewissen Grund zur Hoffnung, meint Jeffrey Sachs und schlägt ein Finanzierungsmodell vor, das die Reichen zur Kasse bittet und den Armen Entwicklungsspielräume lässt.

Kürzlich hat der Rat des Grünen Klima-Fonds der Vereinten Nationen die wichtige, aber wenig beachtete Entscheidung getroffen, dass der permanente Sitz des Fonds in Südkorea sein solle. Das war eine gute Entscheidung. Südkorea spielte eine führende Rolle bei der Förderung des wichtigen Konzepts des „grünen Wachstums“, also einer Politik, die Wirtschaftswachstum mit verringerten Treibhausgas-Emissionen verbindet.

* Drei Gründe für die Finanzierungsverantwortung der Reichen

Der Grüne Klimafonds (GKF), den 191 Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention beschlossen haben, ist das wichtigste globale Instrument, um die armen Länder zu Investitionen in erneuerbare Energien und zur Anpassung an den Klimawandel in die Lage zu versetzen (d.h. ihre Wirtschaft widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen als derzeit). Der Grüne Klimafonds hat eine gewaltige Aufgabe: Er soll bis 2020 jährlich 100 Mrd. Dollar für die Länder mit niedrigem Einkommen aufbringen.

Die reichen müssen die armen Länder aus drei Gründen finanzieren:

Erstens: Sie sind es ihnen schuldig. Rund 75% der Treibhausgas-Emissionen entstehen bis heute in den reichen Ländern, doch es sind die armen Länder, vor allem in den Tropen, die die Hauptlast des vom Menschen gemachten Klimawandels zu tragen haben. Wenn wir ein globales Schadensersatzrecht hätten, würden die armen Länder die reichen wegen der Klimaschäden verklagen. Stattdessen haben wir ein Kompensationsabkommen.

Zweitens hat die Welt zu Recht akzeptiert, dass Klimaschutzmaßnahmen innerhalb des weiteren Kontextes von Entwicklung getroffen werden müssen, was bedeutet, dass den armen Ländern nicht die Kosten der CO2-armen Energien und die Lasten der Anpassung an den Klimawandel aufgebürdet werden dürfen.

Drittens hat die Welt eine pragmatische Realität akzeptiert: Ohne zusätzliche Klimafinanzierung können sich die armen Länder eine Entwicklungsstrategie schlicht nicht leisten, die CO2-arme Energie mit allgemeinem Zugang zu Elektrizität kombiniert. Sie wären gezwungen, die billigeren CO2-intensiven Energiesysteme zu wählen.

Doch die reichen Länder haben noch keine Formel akzeptiert, um ihre 100-Mrd.-Dollar-Zusage zu erfüllen. Diejenigen, die an den Hinterzimmer-Verhandlungen teilgenommen haben, wissen, dass es vor allen anderen Ländern die USA waren, die gegen einen klaren und verantwortungsvollen Finanzierungsmechanismus Widerstand geleistet haben. Dies ist typisch für ihren Kurs. Die USA sind in diesen Tagen fast gegen alle Aufrufe zur Teilung der finanziellen Lasten nachhaltiger Entwicklung. Ein schlagendes Beispiel: Das öffentliche Entwicklungshilfe-Budget der USA ist – obwohl groß in absoluten Zahlen – das niedrigste aller Industrieländer, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gerade einmal 0,18% des Nationaleinkommens.

* Eine Formel für die Finanzierung des Grünen Klimafonds

Die Grundprinzipien der Finanzierung des Grünen Klimafonds sollten klar und deutlich sein. Die Verschmutzer sollten für die Schäden, die sie verursachen, zahlen, also sollten die Beiträge an die CO2-Emissionen geknüpft sein. Die Einzahlungen sollten die Zahlungsfähigkeit berücksichtigen (und implizit auch die historische Verantwortlichkeit). Und die Nutzung des Fonds sollte den Ländern mit niedrigem Einkommen vorbehalten sein, denen mit dem Bedarf an Klimafinanzierung.

Hier ist ein direkter Weg, um auf 100 Mrd. Dollar nach diesen Prinzipien zu kommen. Die Welt würde einen Basispreis von 5 Dollar pro Tonne emittierten CO2s annehmen. Die Länder mit hohem Einkommen würden den vollen Preis von 5 Dollar pro emittierter Tonne zahlen. Die Länder mit höherem mittlerem Einkommen würden die Hälfte zahlen, also 2,50 Dollar pro Tonne. Die Länder mit niedrigerem mittlerem Einkommen noch einmal die Hälfte weniger, also 1,25 Dollar pro Tonne, zahlen. Die Länder mit niedrigem Einkommen würden nichts in den Grünen Klimafonds einzahlen, wären aber Empfänger. Die Länderklassifizierung der Weltbank könnte bei der Einteilung der Länder nach dem Einkommen Verwendung finden.

Wenn wir die von der Internationalen Energieagentur für das Jahr 2010 berichteten Emissionen pro Land verwenden, würde die Basisabgabe von 5 Dollar pro Tonne insgesamt zu Einnahmen von 101 Mrd. Dollar führen. Der größte Beitrag würde auf die USA entfallen: 27 Mrd. Dollar gleich etwa 0,18% des BIP. Das entspräche den 5,4 Mrd. Tonnen CO2, die die USA 2010 emittierten. Der zweitgrößte Beitrag käme von China, nämlich 19 Mrd. Dollar, was 0,17% seines BIP wären und 7,7 Mrd. Tonnen zu je 2,5 Mrd. Dollar entspräche.

Angenommen, dass Länder diese Beiträge durch CO2-Abgaben aufbringen, die an die Verbraucher an der Tankstelle und die häusliche Stromrechnung weitergegeben werden, dann würde eine Steuer von 5 Dollar pro Tonne rund 1,1 Cent pro Liter oder 4,4 Cent pro Gallone Benzin entsprechen. Vergleichbar wäre die Abgabe auf durch Kohlekraftwerke produzierten Strom rund 0,5 Cent pro Kliowatt-Stunde.

* Die Vorteile: Fairness und richtige Anreize

Die Vorteile dieses GKF-Ansatzes sind Fairness, da er auf dem Verursacherprinzip und dessen Anpassung an die Zahlungsfähigkeit basiert, und Einfachheit, Transparenz und Vorhersagbarkeit. Es liegen keine anderen Finanzierungsvorschläge mit diesen Eigenschaften auf dem Tisch, noch sind solche zu erwarten. Die USA sind gerade deshalb gegen eine solche einfache Formel, weil sie dann für das Ausmaß ihrer Emissionen und ihre Zahlungsfähigkeit verantwortlich gemacht werden könnten – und nicht zuletzt auch für ihre historische Verantwortung dafür, dass sie den Planeten in den gegenwärtigen Zustand der Klima-Instabilität gebracht haben.

Ein anderer Vorteil bestünde eindeutig darin, dass eine solche CO2-basierte Abgabe die Länder zu der richtigen Art der politischen Intervention bei sich zu Hause drängen würde, also zu einer Regelung, die die sozialen Kosten der CO2-Emissionen durch eine CO2-Steuer oder den Verkauf von Emissionsrechten aufbringen würde. Interessanterweise gehen die USA derzeit von sozialen Kosten von 21 Dollar pro Tonne CO2 aus, wenn ihre Regulierungsbehörden Kosten-Nutzen-Analysen anstellen, doch die Regierung hat noch nicht den nächstliegenden Schritt unternommen, der in der Internalisierung der sozialen Kosten in die Markttransaktionen über Steuern oder die Ausgabe von Rechten bestünde. Der Schritt zu einer globalen CO2-Abgabe für den Grünen Klimafonds würde sie und andere Regierungen zwingen, genau das zu tun und so den marktgestützten Übergang zu einer CO2-armen Energiewirtschaft zu fördern.

Jeffrey Sachs ist Direktor des Earth Institute an der Columbia University und Sonderberater von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Sein letztes Buch ist The Price of Civilization. Der Beitrag erschien zuerst auf ft.com.

Veröffentlicht: 12.11.2012

Empfohlene Zitierweise:
Jeffrey Sachs, Warum und wie die Reichen zahlen sollen. Eine Finanzierungsformel für den Klimaschutz, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 12. November 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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