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Der Abschlussbericht des IPCC zum Klimawandel

Artikel-Nr.: DE20141111-Art.37-2014

Der Abschlussbericht des IPCC zum Klimawandel

Unterbelichtete Nord-Süd-Dimension

Stellen Sie sich vor, unsere Welt wird mehr und mehr verschmutzt, und es bleibt wenig Raum für die Erde, noch mehr Verschmutzung zu absorbieren, bevor es zu allen möglichen Katastrophen kommt. Und stellen Sie sich vor, dass wir noch nicht die Lösungen gefunden haben, die Emissionen zurückzufahren oder die vor uns liegende Katastrophe zu verhindern. Dieser Blick in unsere beängstigende Zukunft beherrschte das jüngste Treffen in Kopenhagen, auf dem der letzte IPCC-Report zum Klimawandel fertig gestellt wurde, berichtet Martin Khor.

Das Zwischenstaatliche Panel zum Klimawandel (IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change) produziert die umfassendsten Berichte zum Stand der Klimaveränderungen. Über 1000 Wissenschaftler kamen zusammen, um drei umfangreiche Reports über die Wissenschaft vom, die Anpassung an den und die Minderung des Klimawandels zu erarbeiten. Und daraus entstand ein Synthesis-Report, der auf dem Kopenhagener Treffen (vom 27.-31.10.2014) fertig gestellt wurde. Hunderte von Regierungsvertretern gingen nochmal über den Text, debattierten und verabschiedeten schließlich zusammen mit den Autoren am 1.11.2014 ein „summary for policymakers“ (SPM), eine Zusammenfassung für Politiker.

Drastische Szenarios

Der Synthesis-Report und das SPM sind ein sehr interessanter Lesestoff. Man findet darin Informationen über die Schäden, die der Klimawandel bereits angerichtet hat, und die vielen weiteren Verwüstungen, die noch kommen werden. Aber die interessantesten wissenschaftlichen Erkenntnisse finden sich zwischen den Zeilen. Der Bericht enthüllt, dass sich die kumulierten anthropogenen (menschengemachten) Kohlenstoffemissionen in die Atmosphäre zwischen 1750 und 2011 auf 2040 Giga-Tonnen belief (eine Giga-Tonne bzw. GT entspricht einer Milliarde Tonnen). Rund 40% dieser Emissionen oder 880 GT CO2 verblieben in der Atmosphäre. Der Rest lagerte sich auf Land (in Pflanzen oder im Boden) und im Meer ab. Die Ozeane absorbierten rund 30% des CO2, was zur Übersäuerung des Meerwassers führte.

Die Emissionen stiegen während der letzten Jahrzehnte ständig an und erreichten 2010 ein Niveau von 49 GT CO2-Äquivalent. Der gesamte CO2-Ausstoß seit 1870 muss unter 2900 GT bleiben, wenn die Erderwärmung (mit 66%iger Wahrscheinlichkeit) unter 2° Celsius gehalten werden soll. Indessen wurden bis 2011 bereits rund 1900 GT emittiert.

Diese Zahlen lassen ein einfaches Rechenexempel zu, das furchteinflößend ist. Wenn die gesamten Emissionen von 1870 bis heute und in der Zukunft bei 2900 GT gehalten werden müssen, 1900 GT aber bereits emittiert wurden, dann bleibt nur noch „Raum“ für 1000 GT CO2, die künftig emittiert werden können. Doch der IPCC-Report sagt auch, dass sich das Emissionsniveau bereits 2011 auf 49 GT CO2-Äquivalent belief. Somit wäre die Fähigkeit der Erde zur Absorption der Gase (innerhalb der 2°-Grenze) in 20 bis 25 Jahren erschöpft.

Selbst bei diesem 2°-Szenario käme es zu weitreichenden und ernsthaften Schäden, vor allem zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse. Eine stärkere Erderwärmung, sagen wir um 3° Celsius, wäre schlicht katastrophal.

Dünne Lösungen

Während der IPCC-Synthesis-Report reichhaltige wissenschaftliche Daten und durch Computermodelle abgestützte Szenarien enthält, ist er leider sehr dünn, wenn es darum geht, globale Lösungen zu erreichen. Er bewertet die Technologien und physischen Veränderungen, die zur Reduzierung der Emissionen in verschiedenen Sektoren nötig sind. Er präsentiert auch Schätzungen der ökonomischen Kosten der Minderung des Klimawandels. Doch er ist sehr zurückhaltend, was Hinweise auf die Art eines globalen Deals betrifft, der notwendig ist, um Industrie- und Entwicklungsländer zu ernsthaftem Handeln zu bewegen.

In den Verhandlungen im Rahmen der Klimakonvention der Vereinten Nationen haben die Entwicklungsländer immer wieder betont, dass sie Finanzmittel und Technologien benötigen, um ihr ökonomisches Wachstum auf einen ökologisch nachhaltigen Pfad zu bringen. Das klimapolitische Handeln soll mit ihrer fortgesetzten Entwicklung harmonieren und nicht auf Kosten der Entwicklung gehen.

Der Synthesis-Report behandelt die für die Entwicklungsländer entscheidenden Fragen der Finanzmittel und der Technologie kaum. Tatsächlich gab es sogar Versuche einiger Industrieländer, selbst den Begriff „Technologietransfer“ aus der Zusammenfassung des Berichts zu streichen. Es brauchte ziemliche Anstrengungen seitens mehrerer Entwicklungsländer, den Begriff wieder einzufügen.

Blockierer aus dem Norden setzen sich durch

Das Nord-Süd-Gerangel war am offensichtlichsten in einer Arbeitsgruppe, die eine Box für den Bericht entwerfen sollte, in der die Schlüsselbotschaften des IPCC für die Klimakonvention und die Verhandler aufgeführt werden sollten. Der Entwurf der IPCC-Autoren war voll von Daten und Wegen zur Minderung des Klimawandels, doch die Delegierten der Entwicklungsländer beklagten, dass nachhaltige Entwicklung, Finanzierung, Technologie und Anpassung kaum erwähnt wurden. Nach tagelanger Diskussion stimmten die Wissenschaftler schließlich zu, einen Absatz über nachhaltige Entwicklung und ein paar Zeilen, in denen Finanzierung, Technologietransfer und Anpassung erwähnt werden, aufzunehmen.

Dennoch wurde der neue Entwurf, als er ins Plenum, das um einen vollen Tag nach hinten verschoben werden musste, kam, von mehreren Industrieländern abgelehnt. So fehlt in dem Abschlussbericht des IPCC jetzt das, was seine wichtigste Botschaft hätte enthalten sollen: die Box mit den wichtigsten Erkenntnissen in Bezug auf die Klimakonvention.

Meine Schlussfolgerung lautet deshalb: Die Klimawissenschaft hat Fortschritte gemacht in Bezug darauf, warum wir handeln müssen, aber zu gemeinsamem und abgestimmtem Handeln als Gemeinschaft von Nationen und Menschen ist es noch ein weiter Weg. Die nächste Konferenz der Klimakonvention wird Ende November/Anfang Dezember in Peru stattfinden, und hoffentlich gibt es dort etwas Fortschritt in Bezug auf das so dringliche Handeln.

Martin Khor ist Exekutivdirektor des South Centre in Genf.

Hinweise:
* Der IPCC-Synthesis-Report findet sich >>> hier.
* Die Zusammenfassung für PolitikerInnen findet sich >>> hier.

Posted: 11.11.2014

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Der Abschlussbericht des IPCC zum Klimawandel. Unterbelichtete Nord-Süd-Dimension, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 11. November 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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