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Afrikas Zivilgesellschaft contra EPAs

Artikel-Nr.: DE20160914-Art.20-2016

Afrikas Zivilgesellschaft contra EPAs

Freihandelsultimatum der EU (II)

Vorab im Web - Seit Juni 2015 drängt die Europäische Kommission die Westafrikaner zur Wiederaufnahme der (seit 2011 wegen tiefgreifender Differenzen blockierten) Verhandlungen auf der Grundlage des EPA-Interimsvertrags mit Kamerun. Vier Monate später erklärte sie, dass sie nicht bereit sei, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wenn sich die Region nicht bereit erkläre, auf der Basis des durch Kamerun ratifizierten Vertrags zu verhandeln, berichtet Fanny Pigeaud.

Dabei ist dies eines der schlechtesten Europäischen Partnerschaftsabkommen (EPAs), das jemals unterzeichnet wurde (Teil I ???042ae6a6720e2550e???): Es sieht z.B. einen Abbau der Importzölle Kameruns um 80% vor, obwohl die Verhandlungen zwischen der EU und Zentralafrika nur 73% vorsehen. Auch ein entwicklungspolitisches Kapitel fehlt darin.

● Gegen die ökonomische Aggression der EU

In Ostafrika könnte sich Kenia – eines der sechs vom Ultimatum des 1. Oktober betroffenen Länder – in der gleichen Situation wie Kamerun wiederfinden: Tansania hat es am 18. Juli definitiv abgelehnt, das zwischen der EU und der Gemeinschaft Ostafrikas (EAC) ausgehandelte EPA zu unterzeichnen. Das dahinter stehende Motiv ist dasselbe wie bei den anderen EPA-Opponenten: Das Abkommen bedroht die tansanische Industrie und Landwirtschaft. Um Zollzahlungen zu vermeiden, könnte Kenia das EPA schließlich unterzeichnen. (Tatsächlich hat Kenia am 1. September zusammen mit Ruanda unterschrieben.)

Während die Europäische Kommission entschlossen ist, nicht klein bei zu geben, ist dies auch bei der senegalesischen Zivilgesellschaft der Fall – eine der aktivsten Westafrikas in der EPA-Frage: Im Juni lancierte eine Koalition „Nein zu EPAs“ eine Petition, die bereits jetzt von 84 Ökonomen, Abgeordneten, ehemaligen Ministern, Gewerkschaftern und Unileuten unterschrieben wurde, um die Ratifizierung dieses von Europa aufgezwungenen Vertrags durch die Senegalesische Nationalversammlung zu verhindern.

Mit einem EPA würde der Senegal noch verwundbarer: Während er heute dank seines LDC-Status freien, nichtreziproken Zugang zum europäischen Markt hat, muss er im Falle der Ratifizierung des EPAs seine Zölle um 71% reduzieren. Er verlöre damit nicht nur wichtige Einkünfte: „Das Inkrafttreten des EPA würde die Märkte der CECEAO (der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft; d.Red.) mit Agrarprodukten überfluten, die viel konkurrenzfähiger sind, und damit diverse Agrarsektoren bedrohen – mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, etwa dem Ruin von Millionen Kleinbauern und der Verschärfung der Lebensmittelabhängigkeit“, sagt der Ökonom Demba Moussa Dembélé. „Das EPA ist eine Aggression der EU gegen die Völker Westafrikas, die LDCs und die Bauern“, meint das Bündnis „Nein zu EPA“. Doch es ist noch viel zu tun, um die Verantwortlichen der Region und besonders des Senegal von der Ablehnung der EPAs zu überzeugen. Denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger Abdoulaye Wade ist Präsident Macky Sall einer der größten Verteidiger dieser Abkommen. „Die Regierung möchte jegliche Sensibilisierung der Bevölkerung in Sachen EPAs verhindern. Lange war es für uns sehr schwer, Zugang zu den Medien zu bekommen. Es war notwendig, unseren Kampf zu radikalisieren, damit sie endlich darüber sprechen“, erklärt Guy Marius Sagna, der Vorsitzende des Bündnisses. Im Mai und Juni war er – zusammen mit anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft auf Demonstrationen verhaftet worden.

● Das Interesse der Multis

„Das ist eine seltsame Sicht unserer Führer, sich für Sektoren einzusetzen, in denen das Kapital im wesentlichen von Ausländern gehalten wird“, sagt der Ökonom Ndongo Sylla, ein Unterzeichner der Petition „Nein zu EPAs“. Die nach Europa exportierten und von den EPAs betroffenen Produkte (Kakao, Tee, Kaffee, Thunfisch, Blumen etc.) werden zum großen Teil von europäischen Gruppen angebaut: Diese Multinationalen sind die ersten, die ein Interesse daran haben, dass die Staaten zum 1. Oktober ratifizieren, damit ihre Produkte weiterhin zollfrei auf den europäischen Markt gelangen können. Sie waren deshalb auch nicht untätig. So akzeptierte Nairobi unter dem Druck der Blumenproduzenten in Kenia 2014 ein Interims-EPA, während es in Kamerun die französischen Bananenproduzenten waren, die zur Unterzeichnung drängten.

Gegenüber der Kommission können die Anti-EPA-Aktivisten offensichtlich nicht mit den europäischen Regierungen rechnen. In Frankreich lies die Regierung die NGOs kürzlich wissen, dass sie auf den Abschluss der EPAs bis Anfang 2017 hofft, und versicherte, dass dies eine gute Option sei. Schade, denn durch die von Ökonomen wie dem Franzosen Jacques Berthelot von der Organisation SOL vorgeschlagenen Veränderungen könnten die desaströsen Konsequenzen der EPAs in Afrika, aber auch in Europa vermieden werden: Die Armut, die diese Abkommen dem Kontinent bringen würden, hätte Rückwirkungen auch auf Europa, etwa in Form vermehrter Migrationsbewegungen.

● Ideologische Blindheit

Seitens des Europäischen Parlaments lassen einige Abgeordnete die Alarmglocken läuten, darunter die belgische Sozialistin Marie Arena: „Die EPAs setzen den unilateralen Handelspräferenzen, die die EU den AKP-Staaten seit 1975 im Rahmen der Lomé-Konventionen gewährt hatte, definitiv ein Ende. Einige geben heute vor, dass diese Präferenzen (…) eine Konzession der EU an die AKP-Staaten waren… Doch klar ist: Diese Präferenzen wurden von Europa nur mit dem Ziel gewährt, exklusive Beziehungen mit seinen ehemaligen Kolonien aufrecht zu erhalten und den Bedarf an Rohstoffimporten zu Präferenzpreisen zu befriedigen.“ Sie teilt auch die Analyse von Lala Hakuma Dadci, der von einer „neokolonialen Logik (spricht), die die Dominanz der EU auf wirtschaftlichem und politischen Gebiet ausnutzt, um die afrikanischen Länder zu Entscheidungen zu drängen, die den europäischen Unternehmen Absatzmärkte sichern sollen.“

Unterdessen bleibt die Mehrheit der Europaabgeordneten dem Freihandel wohlgesonnen, wobei denen, die für die Argumente der EPA-Opponenten empfänglich sind, unterstellt wird, sie seien schlecht informiert. „Die EPAs sind eine technische und komplexe Angelegenheit und haben weniger mobilisierende Wirkung als TTIP oder CETA“, bedauert Emmanuel Maurel und fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass auf Seiten der Kommission ein bewusster Willen vorhanden ist, Afrika zu ruinieren. Es ist vielmehr eine ideologische Blindheit, die davon ausgeht, dass Freihandel eine gute Sache ist. Bei den Verhandlungsführern ist es Rutine und business as usual: Sie verhandeln alle Verträge auf dieselbe Weise, stellen keine Fragen nach den Konsequenzen und übertragen unsere europäischen Schemata auf den afrikanischen Kontext, den sie überhaupt nicht kennen.“ Er hofft, dass ein Widerspruch gegen die Praktiken der Kommission („actes délégués“), den seine sozialdemokratische Gruppe eingelegt hat, ermöglichen wird, Licht in die EPAs und ihre Inhalte zu bringen. Dieser Widerspruch muss im Europaparlament auf dessen Plenum im September diskutiert werden.

Die EPA-Auseinandersetzung ist weit davon entfernt beendet zu sein. Für Ndongo Sylla gehört sie in einen weiteren Rahmen: „Die EPAs sind wie TTIP oder CETA nichts anderes als politische Strategien, um die Dominanz der Multinationalen über den Handel und die globalen Finanzen zu verstärken.“ Und er präzisiert: „Wir wissen, dass es – selbst wenn Westafrika die EPAs nicht ratifiziert – schwierig werden wird, da unsere Führer von den neoliberalen Thesen überzeugt sind. Doch der Kampf geht weiter.“

Posted: 14.9.2016

Empfohlene Zitierweise:
Funny Pigeaud, Afrikas Zivilgesellschaft contra EPAs. Freihandelsultimatum der EU (II), in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 14. September 2016 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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