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Trumps verfehlte Industriepolitik

Artikel-Nr.: DE20170116-Art.01-2017

Trumps verfehlte Industriepolitik

Arbeitsplätze heim ins Reich?

Vorab im Web - Der designierte Präsident Donald Trump war noch nicht im Amt, doch seine Marke von mangelhafter Industriepolitik war schon kurz nach seiner überraschenden Wahl auf allen Bildschirmen. Durch eine Mischung aus Drängen und Einschüchterung setzte er durch, dass die Heizungs- und Aircondition-Firma Carrier einen Teil ihrer Operationen in Indiana belässt, und „rettete“ so rund 1000 amerikanische Jobs. Dani Rodrik zeigt, warum diese Politik nicht aufgehen wird.

Bei einem Besuch bei Carrier kurz danach warnte Trump andere US-Firmen, dass er sie mit harten Zöllen belegen würde, wenn sie Produktionsstätten nach Übersee verlegen und die Produkte in die USA reimportieren würden. Sein Twitter-Account hat einen Strom von Kommentaren in dieser Richtung produziert. Er verbuchte die Entscheidung von Ford auf sein Konto, eine Lincoln-Fabrik in Kentucky lassen statt sie nach Mexiko zu verlegen. Er drohte General Motors mit Importzöllen, wenn sie das Cruze-Modell des Cheverolet weiterhin aus Mexiko importieren würden statt in den Vereinigten Staaten zu produzieren.

● Mischung aus Drohungen und Schikane, Angeberei und Lügen

Trump hat sich auch mit Vertragsfirmen im Verteidigungsbereich wegen Kostenüberschreitungen angelegt und die Luftfahrtgiganten Boing und Lockheed Martin bei verschiedenen Gelegenheiten beschimpft, dass die von ihnen produzierten Flugzeuge zu teuer seien.

Trumps Politikstil ist ein scharfer Bruch mit dem seiner Vorgänger. Er ist hochgradig personalisiert und launisch. Er beruht auf Drohungen und Schikane. Er ist anfällig für Angeberei, Übertreibung und Lügen über aktuelle Erfolge. Er ist ein Typus von öffentlichem Spektakel, zelebriert über Twitter. Und er ist zutiefst zersetzend für demokratische Normen.

Ökonomen neigen dazu, für einen gewissen Abstand in den Beziehungen zwischen Regierung zu Wirtschaft zu plädieren. Öffentliche Beamte sollten sich von privaten Firmen abgrenzen, um nicht korrumpiert und bevorteilt zu werden. Das ist in den USA ein wertvolles Prinzip, wenn auch eines, das öfter gebrochen als befolgt wird. Ein offensichtliches Beispiel dafür ist der unbestreitbare Einfluss, den Finanzmogule in den letzten drei Jahrzehnten auf die US-Regierung ausgeübt haben.

Doch liegen auch hinter vielen amerikanischen Erfolgen enge Beziehungen zwischen Regierung und Wirtschaft. Die Geschichte der US-Wirtschaftsentwicklung ist eine der pragmatischen Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, weniger eine des Abstands und starrer Regeln. Wie historisch denkende Ökonomen und Politikanalytiker, etwa Michael Lind, Stephen Cohen und Brad DeLong, gezeigt haben, sind die USA Erbe der Hamilton’schen Tradtion, in der die Bundesregierung die Investitionen, Infrastruktur, Finanzen und andere Unterstützung bereitstellt, die private Unternehmen brauchen.

● Innovative Zusammenarbeit zwischen staatlichem und privatem Sektor

Technologische Innovationen verdanken in den USA ebenso viel besonderen Regierungsprogrammen wie Kredithilfen oder Regierungskäufen wie der Genialität amerikanischer Unternehmer und Erfinder. Wie Josh Lerner von der Harvard Business School feststellt, erhielten einiger der dynamischsten Technologieunternehmen der USA, darunter Apple und Intel, finanzielle Unterstützung von der Regierung, bevor sie an den Markt gingen. Der Elektroauto-Hersteller Tesla war ebenso wie Solyndra, das Solarzellenunternehmen, das 2011 spektakulär zusammenbrach, Profiteur eines öffentlichen Kreditgarantie-Programms.

Wie das Solyndra-Beispiel illustriert, scheitern viele öffentliche Initiativen. Aber der ultimative Test besteht darin, ob der gesellschaftliche Ertrag des Portfolios als Ganzes positiv ist, wenn Erfolge und Flops gegenüber gestellt werden. Solche breiten Evaluierungen sind natürlich selten. Doch nach einer Analyse hatten US-Programme zur Förderung der Energieeffizienz positive Nettoeffekte. Interessanterweise entfiel der Großteil der Vorteile auf drei relativ bescheidene Projekte.

Die Soziologen Fred Block und Matthew Keller haben die vielleicht beste Analyse des US-„Entwicklungsstaats“ geliefert – eine Realität, die ihnen zufolge von der vorherrschenden marktfundamentalistischen Ideologie überdeckt wurde. Block und Keller beschreiben, wie ein „dezentralisiertes Netzwerk von öffentlich finanzierten Laboratorien“ und eine „Buchstabensuppe“ von Finanzierungsinitiativen, wie das Small Business Innovation Research (SBIR)-Programm, mit privaten Firmen arbeitet und ihnen hilft, ihre Produkte zu vermarkten. Sie und andere Kollegen haben die weitreichende Rolle der Bundes- und der Staatsregierungen bei der Unterstützung kollaborativer Netzwerke dokumentiert, auf denen Innovationen beruhen – seien es nun Biotech-, grüne oder Nanotechnologien.

Solche Industriepolitiken auf der Basis einer engen Zusammenarbeit und Koordination zwischen öffentlichem und privatem Sektor waren natürlich das Markenzeichen ostasiatischer Wirtschaftspolitik. Es ist schwierig, sich die Transformation Chinas in eine Powerhouse der verarbeitenden Industrie vorzustellen – ebenso wie den anhaltenden Erfolg seines exportorientierten Modells – ohne die Unterstützung und die helfende Hand der chinesischen Regierung. Es ist schon ironisch, dass dieselben Leute, die die chinesischen Gewinne aus der Globalisierung loben, oft davor warnen, dass eine US-Administration den chinesischen Ansatz kopieren und explizit Industrialisierungspolitiken praktizieren könnte.

● Bar jeder seriösen Standards

Anders als China sind die USA freilich eine Demokratie. Und Industriepolitik in einer Demokratie erfordert Transparenz, Rechenschaftspflicht und Institutionalisierung. Die Beziehungen zwischen der Regierung und privaten Firmen muss sorgfältig kalibriert werden. Regierungsagenturen müssen nahe genug an den privaten Unternehmen dran sein, um die erforderlichen Informationen über die technologischen und Marktrealitäten vor Ort eruieren zu können. Was sind beispielsweise die entscheidenden Gründe für den Verlust von Arbeitsplätzen, sagen wir in der Automobilproduktion und wie kann die Regierung da helfen, wenn überhaupt? Aber sie dürfen sich den privaten Firmen auch nicht so stark annähern, dass sie sich in den Kassen der Unternehmen wiederfinden oder im anderen Extrem sie einfach herumkommandieren.

Und gerade hier wird eine Industriepolitik à la Trump den Test nicht bestehen. Auf der einen Seite zeigen seine Besetzungen für ökonomische Schlüsselpositionen, dass er nicht die geringste Intention hat, Regierungsverbindungen zu Wall Street und Big Finance zu trennen. Auf der anderen Seite verweist sein Twitter-Politikstil darauf, dass er kein großes Interesse hat am Aufbau eines institutionalisierten Dialogs – mit allen Standards, die eine seriöse Industriepolitik erfordert.

Das bedeutet, dass wir erwarten können, dass die Industriepolitik der Trump-Administration zwischen Vetternwirtschaft und Schikanen hin und her schwanken wird. Das mag einigen Vorteile bringen, aber wenig Gutes für die amerikanischen Arbeitnehmer oder die Wirtschaft als Ganzes.

Empfohlene Zitierweise:
Dani Rodrik, Arbeitsplätze heim ins Reich? Trumps verfehlte Industriepolitik, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 16. Januar 2017 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org): © Project Syndicate.

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