Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Afrikas Entwicklung und die Investoren

Artikel-Nr.: DE20170717-Art.14-2017

Afrikas Entwicklung und die Investoren

Pakt mit Afrika wenig problemgerecht

Pläne zur Förderung von Afrika sind derzeit Legion. Zentral ist der auf dem Hamburger G20-Gipfel beschlossene „Compact With Africa“ (CWA), der die aktuellen Interessen von Industrieländern und Investoren widerspiegelt: Stopp der Migration und Rendite. Die – oft differenzierte – Problemlage der afrikanischen Länder wird kaum berücksichtigt. Diese wird im diesjährigen „Economic Report on Africa“ der UN (s. Hinweis) behandelt, der sich mit dem Zusammenhang von Urbanisierung und Industrialisierung befasst. Ob die Mittel von CWA & Co die Umsetzung des vorgestellten Konzepts befördern können, hängt wesentlich von der Kompetenz der afrikanischen Akteure ab. Von Jörg Goldberg

Die Tagung der G20-Finanzminister in Baden-Baden im Dezember 2016, die den CWA-Ansatz vorbereitet hatte, wurde vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble eröffnet. Der leistete sich gleich am Anfang einen vielsagenden Lapsus: Er sprach vom „Compact for Africa“ – was der kolonialen Attitüde des CWA ganz gut entspricht. Das wurde später natürlich korrigiert. Im Mittelpunkt des CWA und von Projekten wie dem „Marshallplan für Afrika“ von Entwicklungsminister Müller (s. W&E 03-04/3027) steht der Versuch, die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte durch die Mobilisierung privaten Auslandskapitals zu sichern – vor allem indem den Investoren sichere Renditen (in den Dokumenten wird von einer Verzinsung zwischen 4 und 4,5% gesprochen) garantiert werden. Einzuwenden ist u.a., dass diese Programme kaum Beziehungen zu jenen afrikanischen Konzepten haben, die auf die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Förderung der Verarbeitungswirtschaft zielen.

Verkehrter Strukturwandel

Dieses Thema steht im Mittelpunkt des von der UN-Entwicklungskommission für Afrika (UNECA) veröffentlichten Reports. Nach einem Blick auf die aktuelle ökonomische und soziale Entwicklung Afrikas (Teile 1 und 2) gibt der Bericht in Teil 3 einen Überblick über den afrikanischen Urbanisierungsprozess und dessen Defizite: „Der Kontinent ist die Region mit der raschesten Urbanisierung.“ (28) Lebten 1990 erst 31% der Afrikaner in Städten, so werden es 2035 etwa die Hälfte sein. Noch ist Afrika ländlich – das aber ändert sich rasch.

Während in anderen Regionen der Welt Urbanisierung und Industrialisierung Hand in Hand gehen, ist das in Afrika anders: Gerade in der jüngsten Wachstumsperiode 2000–2015 sank der ohnehin bescheidene Anteil der verarbeitenden Industrie an der Produktion um mehr als 1%. „In Afrika waren Industrialisierung und Urbanisierung in der Periode 1960-1975 verbunden. Dann aber stockte die Industrialisierung …“ (75) Der entwicklungspolitische „Nexus“ Urbanisierung – Industrialisierung existiert in Afrika nicht (mehr). Dies hängt nach Ansicht des ERA mit dem Fokus auf Rohstoffe zusammen: „Für die Städte befördert die Abhängigkeit von Rohstoffen die Lockerung des Zusammenhangs zwischen Urbanisierung und Strukturveränderung – was in der Bezeichnung „consumption cities“ zum Ausdruck kommt.“ (77)

● Konsum und Industrialisierung

Die Kategorie „Konsumstädte“ ist der Ausgangspunkt der im vierten Teil entwickelten Strategie, die darauf abzielt, den in Afrika fehlenden „Nexus“ zwischen Urbanisierung und Industrialisierung wieder herzustellen. In den Städten konzentriere sich jene Bevölkerungsschicht, die im Kontext des Rohstoffbooms zu einem bescheidenen Wohlstand gekommen ist – der berühmte afrikanische „Mittelstand“. Es wächst die Nachfrage nach verarbeiteten Konsumgütern, die derzeit aber vor allem durch Importe befriedigt wird.

In diesem Kontext ist darauf zu verweisen – dies unterlässt der Bericht leider – dass die afrikanischen Länder im Kontext von Freihandelsabkommen immer mehr gezwungen werden, ihre Märkte für den Import verarbeiteter Waren zu öffnen. So gehören zu den Profiteuren des wachsenden städtischen Konsums vor allem internationale Handelsketten und Nahrungsmittelkonzerne.

Die im Bericht entwickelte Strategie, die darauf abzielt, die wachsende städtische Nachfrage nach Konsumgütern, aber auch nach Wohnungen und Infrastrukturleistungen zu nutzen, um lokale Produzenten und Anbieter zu stärken und um die heimische Landwirtschaft zu stärken, erscheint zwar in sich konsistent. Allerdings setzt sie voraus, dass es den lokalen Behörden möglich ist, gezielt lokale Anbieter zu fördern.

Genau das aber soll im Rahmen der von den G20 beförderten „Freihandelsabkommen“ mit ihrem Verbot der Diskriminierung internationaler Konzerne verhindert werden. Darauf geht der Bericht leider nicht ein. So könnte es passieren, dass die von CWA-Programmen geförderten Großinvestitionen eben nicht afrikanischen Zuliefererketten und Unternehmen zugutekommen, sondern transnationalen Konzernen. Der Fokus der G20-Afrikapolitik einerseits und dessen Freihandelsrhetorik andererseits passen nicht zusammen.

● Verknüpfung von Stadtentwicklung und Industriepolitik

Nach der Vorstellung von Fallbeispielen, die die Problematik der Stadtentwicklung in ausgewählten afrikanischen Ländern deutlich machen (Teil 5) kommt der Bericht im letzten Teil auf den notwendigen politischen Rahmen zurück. Notwendig sei zunächst eine gezielte sektorale Industriepolitik, die jene Verarbeitungsindustrien in den Fokus nimmt, die am meisten von der Urbanisierung profitieren könnten.

Zweitens geht es um die Verbindung zwischen Urbanisierungs- und Industriepolitiken. Dies wurde schon im vierten Abschnitt am Beispiel der (gemischten) Erfahrungen mit Sonderwirtschaftszonen angesprochen: Es ist wichtig, dass diese Zonen nicht auf der ‚grünen Wiese‘ errichtet werden, sondern dort, wo sie mit der Herausbildung und Stärkung urbaner Zonen verbunden werden können.

Schließlich sei die politische, organisatorische, rechtliche und finanzielle Stärkung lokaler Akteure, von Kommunen und Stadtverwaltungen usw. unabdingbar. Diese müssten in die Lage versetzt werden, integrierte lokale Förderstrategien zu entwickeln, zu finanzieren und umzusetzen.

Bedingungen für den Erfolg des CWA

Vor dem Hintergrund der im vorliegenden Report geschilderten Probleme und Lösungsstrategien erscheint der CWA-Ansatz wenig produktiv – vor allem spricht er das Hauptproblem, nämlich die Schaffung von dauerhaften produktiven Arbeitsplätzen für die vielen Millionen junger Menschen, nicht an. Trotzdem sollte man die CWA-Programme nicht in Bausch und Bogen verdammen, sondern versuchen, ihre Möglichkeiten zu nutzen und ihre Gefahren zu minimieren.

Investitionen in Afrikas Infrastrukturen sind notwendig, u. a. auch wenn sie der entwicklungspolitisch unabdingbaren regionalen Integration zugutekommen. Entscheidend ist, dass die betroffenen Länder und ihre Institutionen in der Lage sind, negative Effekte der Großinvestitionen (Umweltschäden, Vertreibung von Bevölkerungen usw.) zu minimieren und die Mittel zur Förderung der inneren wirtschaftlichen Dynamik zu nutzen. Nur wenn es afrikanischen Regierungen und lokalen Institutionen gelingt, sich die Entscheidungsmacht über das Wo und Wie der Investitionsprojekte vorzubehalten, wenn afrikanische Akteure und nicht internationale Investoren ‚am Steuer‘ von CWA sitzen, werden die Programme auch Afrika nützen. Die Entscheidung darüber fällt in erster Linie in Afrika.

Aber auch die kritische ‚westliche‘ Öffentlichkeit kann etwas tun: Sie kann sehr aufmerksam und kritisch verfolgen, wer CWA-Fördermittel erhält, was damit gemacht wird und unter welchen Bedingungen die Projekte abgewickelt werden.

Hinweis:
* United Nations Commission for Africa (UN-ECA): Urbanization and Industrialization. For Africa’s Transformation, Economic Report on Africa 2017, 214 pp, Addis Ababa 2017

Posted: 17.7.2017

Empfohlene Zitierweise:
Jörg Goldberg, Afrikas Entwicklung und die Investoren, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. Juli 2017 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

© Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung von Informationen oder Daten, insbesondere die Verwendung von Texten, Textteilen oder Bildmaterial bedarf der vorherigen Zustimmung der W&E-Redaktion.