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Auf- und Überholen in der Weltwirtschaft

Artikel-Nr.: DE20141031-Art.36-2014

Auf- und Überholen in der Weltwirtschaft

Der neue globale Kontext

Die Organisatoren des World Economic Forum (WEF) in Davos haben zumeist ein recht gutes Gespür für globale Megatrends. Das Forum Anfang 2015 wird unter dem Motto „The New Global Context“ stehen, also ein erneuter Versuch sein, die aktuellen globalen Umbrüche und Eruptionen zu verarbeiten. Vor allem aber sollten sich die illustren 2500 Teilnehmer einiger harter Fakten der weltwirtschaftlichen Entwicklung vergewissern, schreibt Rainer Falk an Hand von fünf erstaunlichen Schaubildern.

Aus der Sicht der WEF-Veranstalter reflektiert das Thema den Beginn eines tiefen politischen, ökonomischen, sozialen und technologischen Wandels, „der das Potential hat, die Ära der ökonomischen Integration und internationalen Partnerschaft, die 1989 begonnen hat, zu beenden“. Man muss den letzten 25 Jahren nicht diese Aura verleihen, um festzustellen, dass wir uns mitten in einer „Ära der globalen Turbulenzen“ (Martin Khor) befinden, in der die Grenzen einer bestimmten Form der Globalisierung zunehmend sichtbar werden.

● Die neue weltwirtschaftliche Konstellation

Schon im Frühsommer klang es wie ein Alarmruf für westliche Ohren, als das International Comparison Programme bekannt gab, das Jahr 2014 könnte zu dem Jahr werden, in dem China die USA von ihrem Spitzenplatz auf der weltwirtschaftlichen Leistungsskala verdrängt. Jetzt ist es offiziell: In seinem neuen World Economic Outlook (WEO, Herbst 2014; s. Hinweis) schätzt der IWF die Größe des von den USA 2014 erzeugten Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 17,4 Billionen US-Dollar, das von China jedoch auf 17,6 Billionen US-Dollar (in PPP: Purchasing Power Parity/Kaufkraftparität; s. Grafik 1).




Das Tempo, in dem sich diese Veränderung vollzieht, ist nicht weniger beeindruckend (s. Grafik 2): Noch 2005 war die chinesische Volkswirtschaft nur halb so groß wie die der USA. Bis 2019, so erwartet der IWF, wird sie bereits 20% größer sein.

Doch China ist nur das herausragendste Beispiel für diesen Aufholtrend bzw. für die Expansion der Schwellenländer (oder der aufstrebenden Ökonomien) insgesamt gegenüber den Industrieländern. Schon 2007 kamen diese Länder zusammen genommen für mehr als 50% des globalen Outputs auf. Und seither hielt dieser Trend an, auch wenn sich die Wachstumsraten seit 2011 abgeschwächt haben. Immerhin entfallen auf die Schwellenländer derzeit rund 57% der globalen Produktion. Zwischen 2007 und 2014 war ihr Wachstum neun Mal so stark wie der Industrieländer.

● Eine neue G7 aus BRIC und MINT

Nur allzu oft verschließt man in den Metropolen des alten Westens noch die Augen vor diesem epochalen Umbruch. Konsequenzen auf der politischen Ebene der Global Governance brechen sich nur langsam Bahn bzw. sollen so weit wie möglich hinausgezogen werden, wie sich an den schleppenden Governance-Reformen bei IWF und Weltbank zeigt. Dabei zeigen die jüngsten Zahlen zu den weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnissen folgendes: Die sieben größten Schwellenländer sind inzwischen – gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Kaufkraft-Parität (PPP) – wirtschaftlich stärker als die alte Gruppe der 7 (G7) traditionellen Industrieländer, die jahrzehntelang die Rolle einer Art Direktorat der Weltwirtschaft für sich beanspruchte (s. Grafik 4).



Eine hypothetische neue G7 aus den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) und den drei sog. MINT-Ökonomien (Mexiko, Indonesien und die Türkei) hat insgesamt ein BIP (in PPP) von 37,8 Billionen Dollar. Die alte G7 (USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada und Japan) kommt dagegen zusammen nur noch auf 34,5 Billionen Dollar.
Selbst wenn die neue PPP-Methode zur Berechnung des BIP noch Unsicherheiten birgt, sind die Veränderungen beträchtlich, was sich auch an den neuen Top-10 der Weltwirtschaft zeigt (s. Grafik 5): Darunter sind inzwischen fünf Schwellenländer. Indonesien liegt jetzt vor Großbritannien, Brasilien und Russland vor Frankreich, Indien vor Japan und Deutschland und China vor den USA.

Hinweis:
* IMF: World Economic Qutlook October 2014: Legacies, Clouds, Uncertainties, Washington DC 2014. Bezug: über www.imf.org.

Posted: 31.10.2014

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk, Auf- und Überholen in der Weltwirtschaft. Der neue globale Kontext, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 31. Oktober 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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