Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Das Elend der Europäischen Bankenunion

Artikel-Nr.: DE20130215-Art.06-2013

Das Elend der Europäischen Bankenunion

Sicherer Hafen für eine Währung ohne Land?

Vorab im Web - Eine Bankenunion für die Eurozone könnte zur Stabilisierung des Euro beitragen, quasi als Ersatz für den fehlenden Staat, den eine Währung normalerweise braucht. Solange die Bankenstruktur aber unverändert bleibt und systemrelevante Institute nach wie vor too big to fail sind, läuft die Reform im Krisenfall ins Leere. Gleichzeitig vertieft sie die Fragmentierung in der EU, schreibt Peter Wahl.

Der Euro wurde als Währung ohne Land konzipiert. Dass das auf Dauer eine unmögliche Konstruktion ist, wurde früh vorausgesagt, z.B. von der Theorie vom optimalen Währungsraum. Inzwischen hat sich auch zu den Regierungen herumgesprochen, dass der Euro nur eine Chance hat, wenn zumindest einige Funktionen geschaffen werden, die auch ein Nationalstaat für seine Währung bereitstellt. Eine Bankenunion für die Eurozone soll genau das leisten.

* Projektkomponenten

Das Projekt besteht aus mehreren Komponenten: einer gemeinsamen Aufsicht für die 6.000 Banken der Eurozone, einen Rettungsfonds für Banken, einem gemeinsamen Insolvenzrecht und einer gemeinsamen Einlagensicherung. Davon beschlossene Sache ist, wenn auch bisher nur in Eckpunkten, die Aufsicht. Die EU-Kommission soll dazu ein Konzept ausarbeiten. Die neue Behörde, so die Hoffnung, soll 2013 etabliert werden – und zwar unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB).

Das wirft eine Reihe von Problemen auf: Wie soll z.B. das Mantra der Unabhängigkeit der Zentralbank mit einer politischen Kontrolle der Aufsicht zusammengehen, oder wie Interessenkonflikte zwischen der geldpolitischen Funktion der EZB und der Aufsichtsfunktion vermieden werden.

Für ein gemeinsames Insolvenzrecht gibt es einen Direktiventwurf, der aber nicht vor 2015 entscheidungsreif ist. Ein Einlagensicherungssystem wird zwar debattiert, es liegt aber noch kein Vorschlag auf dem Tisch. Da es dabei um Geld geht und um die Frage, wer für wen im Krisenfall zahlt, sind besonders zähe Entscheidungsprozesse zu erwarten.

* Kontroverse um Rettungsfonds

Das Thema Rettungsfonds ist bereits jetzt höchst kontrovers. Vor allem für Spanien heißt Bankenunion, dass der ESM genutzt wird, um seine maroden Banken zu sanieren. Eigentlich ist der ESM nur für die Rettung öffentlicher Schuldner gedacht. Die Bundesregierung dagegen will zuerst eine Bankenaufsicht und ein Insolvenzrecht, ehe sie das Scheckbuch zücken muss. Hilfsweise hat der deutsche Finanzminister daher jetzt schon einmal eine Deckelung der Summe ins Spiel gebracht, die zur Bankenrettung eingesetzt werden darf: bei 80 Mrd. € soll Schluss sein. Ungeklärt ist, ob der Vorschlag der Liikanen-Kommission (s. W&E 12/2012) weiterverfolgt wird, nämlich ein eigenständiger Fonds, der von den Banken selbst gefüllt wird.

* Bankenaufsicht – a never ending story

Eigentlich gab es schon seit 2001 eine EU-Bankenaufsicht. Die merkte allerdings erst etwas, als der Crash kam. Als Konsequenz wurde ein neues Arrangement getroffen. Es besteht aus einer Bankenaufsicht (EBA), der Wertpapieraufsicht (ESMA), der Versicherungsaufsicht EIOPA und einem Europäischer Ausschuss zur Bewertung Systemischer Risiken (ESRB).

Doch kaum war die Reform in Kraft, erwies sie sich erneut als Papiertiger. Weder hatte sie - trotz zweier Stresstests - vorhergesehen, dass das spanische Bankensystem am Abgrund steht, noch waren ihr die Manipulationen des LIBOR aufgefallen, an denen fast alle Großbanken beteiligt waren. Nun soll es die neue Struktur richten.

Dass diese besser abschneidet, ist zwar auch - aber nicht nur - eine Frage der Qualität der Behörde, ihres Personals, ihrer rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten, wenn sie im Spiel von Hase und Igel nicht den ewigen Verlierer abgeben will. Mindestens so wichtig ist jedoch, dass große Banken heute nicht nur too big to fail, sondern auch zu komplex und zu vernetzt sind, um wirkungsvoll kontrolliert werden zu können. Daher wird der Erfolg einer Eurozonen-Aufsicht davon abhängen, ob es zu Strukturreformen kommt, die diese Banken für Betreiber wie Aufsicht wieder beherrschbar machen.

* Strukturelle Reformen im Bankensektor

Natürlich muss auch das Problem des too big to fail angepackt werden. Man stelle sich einmal vor, allein die Deutsche Bank mit ihren Aktiva von über 2 Billionen € würde zahlungsunfähig. Mit einer Rettungsaktion geriete man sofort in Größenordnungen von dreistelligen Milliardensummen. Selbst der ESM wäre schnell überfordert. Deshalb gibt es hier nur eine wirklich realitätstüchtige Lösung: die systemrelevanten Banken müssen so verkleinert werden, dass sie jederzeit Pleite gehen können, ohne dass die Kosten auf die Bevölkerung abgewälzt werden.

* Deutsche Westentaschenlösung

Inzwischen hat auch Berlin das Problem erkannt und Anfang Februar einen Gesetzeswurf vorgelegt, der die Auslagerung von Eigenhandel ab 100 Mrd. € oder 20% der Bilanzsumme verlangt sowie das Kreditgeschäft von Universalbanken mit Hedge Fonds u.a. hoch spekulativen Einrichtungen verbietet. Das ist der Grundgedanke der Trennbank nach der Volcker Rule in den USA, die die Trennung von Investment Banking und übrigem Geschäft vorsieht. Die deutsche Version ist freilich noch inkonsequenter als die amerikanische. Das Kasino wird nicht geschlossen, sondern nur seine größten Abteilungen werden ausgelagert.

Interessant ist jedoch, dass der Vorstoß unilateral durchgeführt werden soll. Das ist nicht nur wahlkampfbedingt (SPD-Kanzlerkandidat befürwortet das Trennbanksystem), sondern verweist auf einen Trend: Angesichts der Kompliziertheit und Langsamkeit der Entscheidungsprozesse in der EU-27 und inzwischen auch in der Eurozone greift man zunehmend zu nationalen Instrumenten. Das war schon so bei den Konjunkturprogrammen, mit denen die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Wirtschaft abgefedert wurden. Das war so beim Verbot von Leerverkäufen und ist so bei der Finanztransaktionssteuer, wo die Bundesregierung nicht nur ohne die EU-27, sondern auch ohne die Bremser in der Eurozone, wie die Niederlande, Irland und die Steuerparadiese Luxemburg, Malta und Zypern, die Steuer im Rahmen der Vertieften Zusammenarbeit mit einer Koalition der Willigen einführt.

* Katalysator der Fragmentierung

Die Bankenunion, die auf der einen Seite für eine Teilmenge der EU eine Vertiefung der Integration auf einem begrenzten Politikfeld bedeutet, beschleunigt für die EU-27 auf der anderen Seite den Prozess der Fragmentierung. Dass auch hier wieder mit Großbritannien der bedeutendste Finanzplatz Europas draußen bleibt, hat nicht nur Folgen in der Sache, z.B. mehr Regulierungsarbitrage, sondern ist auch europapolitisch relevant. Wie bereits beim ESM wird die Bankenunion (oder wesentliche Teile davon) nur als multilaterale Veranstaltung außerhalb des EU-Rechtsrahmens möglich sein.

Die EU-Strukturen nähern sich daher immer mehr einem offenen Netzwerk an, in dem Teilmengen von Mitgliedsstaaten zu jeweils unterschiedlichen Themen unterschiedlich zusammengesetzte Kooperationen eingehen: Eurozone und Nicht-Eurozone, Schengenraum und Nicht-Schengenraum, Defizit- und Überschussländer, Altes und Neues Europa, First Class der Triple-A Länder und Holzklasse der Ramschstatus-Kandidaten. Die Utopie der Vereinigten Staaten von Europa ist von der Realität verabschiedet worden.

Hinweise:
* Gesetzentwurf der Bundesregierung (2013): Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung und Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten.
* European Commission (2012): A roadmap towards a banking union.

Veröffentlicht: 15.2.2013

Empfohlene Zitierweise:
Peter Wahl, Das Elend der Europäischen Bankenunion. Sicherer Hafen für eine Währung ohne Land, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 14. Februar 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

© Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung von Informationen oder Daten, insbesondere die Verwendung von Texten, Textteilen oder Bildmaterial bedarf der vorherigen Zustimmung der W&E-Redaktion.