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Die Grundschwächen des Afrika-Booms

Artikel-Nr.: DE20140525-Art.19-2014

Die Grundschwächen des Afrika-Booms

Auslandskapital und Industrialisierung in Afrika

Vorab im Web - Afrika boomt. Internationale Investoren haben neben den natürlichen Ressourcen auch den afrikanischen Konsumenten entdeckt. Immer mehr Transnationale Konzerne investieren in Afrika, was allerdings nicht nur positive Effekte hat. Der Strukturwandel hin zu einem höheren Rang in internationalen Wertschöpfungsketten stockt. Notwendig wäre die Einbindung des Auslandskapitals in nationale Industrialisierungsstrategien, verbunden mit der Entwicklung eines afrikanischen Unternehmertums. Von Jörg Goldberg

Die berüchtigte anglo-amerikanische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Ernest&Young“ – die New Yorker Staatsanwaltschaft verdächtigte sie, in den Jahren vor dem Zusammenbruch durch Bilanzfälschung die Schieflage von Lehman Brothers vertuscht zu haben – schmückt ihren „Africa Attractiveness Survey 2014“ mit dem Bild von Nelson Mandela. Ob dem das angesichts des Inhalts recht gewesen wäre sei dahingestellt: Es handelt sich um eine reich bebilderte Werbebroschüre, die den Appetit internationaler Investoren auf afrikanische Ressourcen und Absatzmärkte wecken soll.

Zweischneidige Direktinvestitionen

„EY“ – so nennt sich Ernest&Young jetzt – reiht sich ein in den Reigen internationaler Finanzberater, die Afrika seit einigen Jahren als Anlagesphäre für internationales Kapital empfehlen. Und zwar mit Erfolg, wie die Entwicklung der Finanzzuflüsse zeigt: Diese haben sich seit dem Jahr 2000 vervierfacht, sie werden nach Schätzung des jüngsten „African Economic Outlook“ in diesem Jahr 200 Mrd. US-Dollar erreichen (9), 10% des afrikanischen Bruttoinlandprodukts (BIP).

Besonders dynamisch entwickeln sich die ausländischen Direktinvestitionen (FDI), die in Subsahara-Afrika zwischen 2000 und 2012 von 6 auf 39 Mrd. Dollar jährlich angestiegen sind. Zwar steht immer noch der Ressourcensektor im Vordergrund, der Anteil der konsumnahen Bereiche nimmt aber zu. EY zufolge flossen 2013 in ganz Afrika rund 69% der FDI in die Sektoren Bergbau/Metalle, Kohle/Öl und Immobilien/Bau; allein 46% gingen in Bergbau/Energie (31).

Obwohl EY die Rolle der FDI ins beste Licht rücken will, wird doch deutlich, wie gering ihr Arbeitsplatzeffekt ist: 14 große Gesellschaften (darunter BAT, Coca Cola und IBM) hätten seit 2007 in mehr als 200 Projekte 20 Mrd. US-Dollar investiert und 33.000 Arbeitsplätze geschaffen – eine wahrlich bescheidene Bilanz. Demnach 'kostet' jeder Arbeitsplatz mehr als 600.000 US-Dollar, was zeigt, wie kapitalintensiv FDI sind und wie gering der Arbeitsplatzeffekt (5).

● Besonders rentabel: FDI im Rohstoffsektor

Dass FDI attraktiv - weil besonders rentabel – sind, ist offensichtlich. Der „World Investment Report“ der UNCTAD von 2013 warf ein Schlaglicht auf diese Frage: Demnach belaufen sich die Gesamtprofite auf den weltweiten Bestand an FDI auf etwa 1,5 Billionen US-Dollar, was einer durchschnittlichen Rendite von 7,2% entspricht. In den Entwicklungsländern war die Rendite 2011 (letztes Jahr mit verfügbaren Daten) 8,4%. Noch höher war sie in Afrika: Im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2011 errechnet sich hier eine Rendite (FDI-Stock: 487 Mrd. US-Dollar im Durchschnitt der Jahre 2007-2011) von 11,3%, was Profiten von 55 Mrd. US-Dollar im Jahresdurchschnitt entspricht.

Zu den rentabelsten FDI gehören die in Rohstoffländern: Vom weltweiten Spitzenwert von 87% in Angola, über 36% in Nigeria, bis zu 13% in Sambia sind die Renditen durchweg höher als in Europa/USA – was Wunder, dass die Attraktivität Afrikas für internationale Investoren hoch ist (33).

Die Profite auf FDI werden weltweit zu knapp einem Drittel reinvestiert und zu zwei Dritteln repatriiert. In Afrika (einschließlich Nordafrika) beliefen sich die reinvestierten Profite aber nur auf 14 Mrd. Dollar im Durchschnitt der Jahre 2007/2011, d.h. in Afrika wird nur gut ein Viertel der Profite reinvestiert. Der jährliche Profitabzug aus Afrika belief sich demgegenüber in diesem Zeitraum auf 41 Mrd. US-Dollar, was vier Fünfteln des jährlichen FDI-Zuflusses entspricht. Dies geht vor allem auf das Konto der Ölländer; so verzeichnet Angola seit 2010 hohe „desinvestments“, was darauf verweist, dass hier die Profitabzüge die neuen FDI übersteigen (40).

Schwer zu quantifizieren sind die zunehmenden Investitionen in den Kauf afrikanischen Lands: 60% der weltweit angeblich ungenutzten Ackerflächen lägen in Afrika, hatte die 'Mutter' der afrikanischen Investorenstudien, Mc Kinseys „Lions on the Move“, schon 2010 geworben. „Ausländische Investoren wählen zunehmend Afrika als lukrative Gelegenheit und stecken Geld in das Agrobusiness. Im besten Fall bringen diese Investitionen Jobs, Geld und Know-how. Im schlimmsten Fall rauben sie den Afrikanern Land und Wasser“, schreibt Kofi Annan im Vorwort des „Africa Progress Reports 2014“, der sich dieses Jahr dem Problem der von Zerstörung bedrohten Fisch- und Waldressourcen widmet: Notwendig sei die Durchsetzung strikter nationaler und multilateraler Regeln, um die Plünderung der Meere und Wälder zu stoppen.

● 'Rückläufiger' Strukturwandel

Die von internationalen Finanzinvestoren in den Vordergrund gestellten Vorteile von Auslandsinvestitionen sind also durchaus zweischneidig. Der hohen Anteil der Gewinnabzüge und der niedrige Anteil der reinvestierten Gewinne speziell in Afrika, was, wie die UNCTAD erklärt, mit dem Fokus auf den Ressourcensektor zusammenhänge, verweist auf eine Grundschwäche des derzeitigen Wachstumsbooms in Afrika: seinen „reversen“ Effekt auf die Wirtschaftsstruktur. Der „Economic Report on Africa “ (ERA) von 2014, der sich mit den Problemen des Strukturwandels und der Industrialisierung befasst, konstatiert als eine „key message“, dass es in vielen afrikanischen Ländern zu einer „structural transformation in reverse“, einem umgekehrten Strukturwandel, gekommen sei: „In Afrika bewegten sich Produktionsfaktoren von Sektoren mit höherer in solche mit niedrigerer Produktivität … insbesondere Arbeitskräfte sind aus Landwirtschaft und Industrie in Dienstleistungsbereiche abgewandert, was zu niedrigerer Produktivität und abnehmender Beschäftigung in Agrarwirtschaft und Verarbeitung geführt hat.“

Das wird auch von der neuen Ausgabe der „Development Indicators“ der Weltbank bestätigt, der zufolge im subsaharischen Afrika zwischen 2000 und 2012 der Anteil der Landwirtschaft am BIP von 17 auf 14 und der Anteil der verarbeitenden Industrie von 13 auf 10% gesunken, während der Beitrag der Dienstleistungen von 49 auf 57% gestiegen ist. Der „African Economic Outlook 2014“ (AEO) kommt – auf der Grundlage der Analyse von Wertschöpfungsketten – zum gleichen Ergebnis: Afrika ist gut in internationale Wertschöpfungsketten integriert, aber eben an einer sehr ungünstigen Position: „Afrika ist eine Quelle von Rohstoffen für viele Wertschöpfungsketten.“ (15)

Industriepolitik und Unternehmertum

Um diesen Zustand zu beenden, sei eine Stärkung afrikanischer Unternehmer notwendig, meint die Studie. Dabei sollten Regierungen unterstützend wirken: „Die Nutzung globaler Wertschöpfungsketten zur Förderung von Entwicklung erfordert öffentliche Institutionen, die beim Aufbau und bei der Unterstützung einer landeseigenen unternehmerischen Basis helfen könnten.“ (20) Damit setzt der von der Afrikanischen Entwicklungsbank, der OECD und UNDP herausgegebene AEO deutlich andere Akzente als der ERA, eine Veröffentlichung der UN-Wirtschaftskommission für Afrika und der Afrikanischen Union. Dieser hatte 2012 nicht nur klarer formuliert: „Afrikanische Regierungen sollten daher mit aller Kraft die Herausbildung einer endogenen Unternehmerklasse fördern und unterstützen, damit der Kontinent in den nächsten zwei Jahrzehnten ein globaler Wachstumspol werden kann.“ (77)

Der ERA 2014 verweist auf die Notwendigkeit einer staatlichen Industriepolitik mit klaren Prioritäten und effizienter Regulierung. Diese müsste allerdings (was der ERA nicht so klar sagt) auch die Aktivitäten ausländischer Unternehmen erfassen: Diese besetzen die sich im Zuge wachsender lokaler Kaufkraft herausbildenden Absatzmärkte und verdrängen lokale Anbieter, wie z.B. die Expansion von Supermarktketten zeigt: Wal-Mart hat 2013 eine Mehrheit an der südafrikanischen Kette Massmart erworben und will bis 2016 in Afrika mehr als 1200 neue Supermärkte eröffnen. FDI sind nur nützlich, wenn sie fest in nationale Entwicklungsstrategien eingebunden und wenn ihre Gewinne reinvestiert werden.

Hinweise:
* African Development Bank/OECD/UNDP: African Economic Outlook 2014: Global Value Chains and Africa's Industrialisation, Paris 2014. Bezug: über www.africaneconomicoutlook.org/en
* Africa Progress Panel: Africa Progress Report 2014: Grain, Fish, Money. Financing Africa's Green and Blue Revolutions, Geneva 2014. Bezug: über http://africaprogresspanel.org
* Ernest&Young: EY's Africa Attractiveness Survey 2014: Foreign direct investment in Sub Saharan Africa on the rise, London and Johannesburg 2014. Bezug: über www.ey.com
* UN-ECA/AU: Economic Report on Africa 2014: Dynamic Industrial Policy in Africa, Addis Ababa 2014. Bezug: über www.uneca.org

Empfohlene Zitierweise:
Jörg Goldberg, Die Grundschwächen des Afrika-Booms. Auslandkapital und Industrialisierung in Afrika, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 25. Mai 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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