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Die Umsetzung der Global Goals ist möglich

Artikel-Nr.: DE20190926-Art.15-2019

Die Umsetzung der Global Goals ist möglich

UNCTAD-Report zur Finanzierung der SDGs

Wir können die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs; kurz: Global Goals) erreichen, wenn wir den politischen Willen aufbringen, die Spielregeln der Weltwirtschaft zu verändern, und zu einer Politik übergehen, die die Ressourcen erschließt, die für einen großen, vom öffentlichen Sektor getragenen Investitionsschub gebraucht werden, und die globale Ökonomie auf einen expansiven Kurs lenkt. Das ist die Quintessenz des neuen Trade & Development Reports der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), der zur Mitte der UN-Klima- und SDG-Aktionswoche erschienen ist (s. Hinweis). Von Rainer Falk.

„Die Weltwirtschaft funktioniert nicht für alle Menschen gleich. Unter der derzeitigen Konstellation von Politik, Regeln, Marktdynamiken und Konzernmacht werden die wirtschaftliche Ungleichheiten wahrscheinlich wachsen und der Niedergang der Umwelt sich intensivierenn“, meint Richard Kozul-Writh, der Direktor der UNCTAD-Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien, die für den Bericht verantwortlich ist.

● Globaler Grüner New Deal als Rahmen

Der Bericht erinnert an die in der Ära der Depression verfolgte globale Politik und plädiert für einen Globalen Grünen New Deal als geeigneten politischen Rahmen, um einen klaren Schnitt mit den Jahren der Austerität und Unsicherheit im Gefolge der globalen Finanzkrise zu machen, zu einer gleicheren Verteilung der Einkommen zu kommen und Jahrzehnte des ökologischen Niedergangs umzukehren. Er schlägt eine Reihe von Reformmaßnahmen vor, um Schulden, Kapital und Banken entwicklungspolitisch wirksam zu machen und einen Deal zu finanzieren.

Der Klimawandel verursacht heute schon ernste Schäden in der Welt und stellt eine existentielle Bedrohung dar. Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft wird einen deutlichen Anstieg bei öffentlichen Investitionen erfordern, vor allem in sauberen Transport, Energie und Ernährungssysteme. Dies wird durch effektive Industriepolitik unterstützt werden müssen, mit gezielten Subventionen, Steueranreizen, Krediten und Garantien, aber auch durch beschleunigte Investitionen in Forschung, Entwicklung und technologische Anpassung.

Der Report argumentiert für eine neue Generation von Handels- und Investitionsabkommen, um diese Politik – zusammen mit Veränderungen an Patent- und Lizenzgesetzen – zu unterstützen. Doch spezielle Maßnahmen und entschlossene Finanzunterstützung werden in den Entwicklungsländern erforderlich sein, um ihnen zu helfen, den karbonintensiven Entwicklungspfad zu überspringen.

Der Bericht entwirft eine Roadmap, die in den Industrieländern zu BIP-Wachstumsraten von 1-1,5% über denjenigen führen könnte, die das derzeitige globale Wachstumsmuster hervorbringt. Für die Entwicklungsländer (außer China) werden die Zugewinne höher sein (1,5-2,0% per annum), doch bescheidener in China.

● Abkehr von marktfreundlichen Lösungen

Geht es wirklich nur um mehr Wachstum, wo doch die Welt bereits jetzt unter ernstem ökologischen Stress steht? Eine jährliches Wachstum der gesamten grünen Investitionen in Höhe von 2% des globalen Output (etwa 1,7 Billionen Dollar oder gerade mal ein Drittel dessen, was Regierungen derzeit für die Subventionierung von fossilem Brennstoff ausgeben) könnte den Schätzungen der UNCTAD-Ökonomen zufolge einen Nettozuwachs von mindestens 170 Millionen Arbeitsplätzen ergeben, mit sauberer Industrialisierung im Süden und einer Reduzierung der Kohlenstoffemissionen bis zum Zieljahr der 2030-Agenda.

Doch der Report betont auch, dass eine größere Investitionsherausforderung zur Ausrottung der Armut und der Erreichung der Ernährungs-, Gesundheits- und Bildungsziele für viele Entwicklungsländer zu nicht nachhaltigen finanziellen Lasten führen und tiefgreifende Reformen des internationalen Handels und des Finanz- und Währungssystems erfordern wird, wenn die 2030-Agenda rechtzeitig verwirklicht werden soll.

Seit der globalen Finanzkrise haben es marktfreundliche Lösungen nicht vermocht, die Ökonomien in eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigere Richtung zu lenken. Deshalb zweifelt der diesjährige TDR an Vorschlägen, die lediglich mehr von demselben bedeuten: etwa die SDGs durch Maximierung der Entwicklungsfinanzen mit Hilfe des „blendings“ öffentlicher und privater Ressourcen finanzieren zu wollen, indem Produkte und Techniken aus dem Handbuch von Bankkonglomoraten genutzt werden. Diese sind regelmäßig dabei gescheitert, produktive Investitionen zu fördern und waren verantwortlich für die Boom-Bust-Zyklen, die zu der globalen Finanzkrise von 2008 führten.

Stattdessen stellt der Bericht eine Serie von Maßnahmen und Reformen vor, die bei der Finanzierung des Globalen Grünen New Deals die Führungsrolle dem öffentlichen Sektor übertragen würden und die internationale Gemeinschaft aufrufen, den politischen Willen aufzubringen, um eine solche Agenda voranzubringen.

Bruch des Gesellschaftsvertrags


Die Umkehr des jahrzehntelangen Rückgangs der Arbeitseinkommen zugunsten der Profite und der Einschränkung der öffentlichen Belange sowie die Sicherstellung, dass Konzerne ihren fairen Anteil an die Gesellschaft zahlen (s. Grafik), sind die Schlüssel dafür, dass das neue globale Konzept funktionieren kann, und zwar dank des positiven Effekts erhöhter öffentlicher Investitionen und höherer Löhne für Konsum und private Investitionen.

● Ein Reformpaket mit saftigen Forderungen

Das angemessene Politikpaket wird von Land zu Land unterschiedlich sein, doch in jedem Fall einen fiskalischen Stimulus, öffentliche Investitionen in Infrastruktur und grüne Energie enthalten sowie Maßnahmen zur Steigerung der Löhne. Eine fiskalische Expansion, für die mit progressiven Steuererhöhungen und Kreditschöpfung bezahlt wird, wird kraftvoller, wenn sie koordiniert wird, und letztlich in der Lage sein, sich selbst zu finanzieren. Entscheidend für ihre Effektivität ist das Ausmaß, in dem private Investitionen durch den ursprünglichen fiskalischen Impuls angeregt werden („crowded in“). Während viele Ökonomien derzeit unter unzureichender Nachfrage leiden, erwartet der Bericht, dass der fiskalische Stimulus private Investitionen und konsequenterweise auch das Produktivitätswachstum anstößt.

Der Trade & Development Report 2019 stellt Reformmaßnahmen vor, um Schulden, Kapital und Banken entwicklungspolitisch wirksam zu machen, darunter:

* eine größere Rolle für Sonderziehungsrechte als einen flexiblen und skalierbaren Finanzmechanismus, der über die Bereitstellung von Liquidität hinaus geht und die lange erhobene Forderungen nach einem Umweltschutzfonds unterstützt, der vorhersagbare und stabile Nothilfefinanzierung ohne strikte politische Konditionalität oder einschränkende Zugangskriterien bereit stellt;

* ein globales SDG-bezogenes konzessionäres Kreditprogramm für Entwicklungsländer mit niedrigem oder niedrigem mittleren Einkommen, verbunden mit einer Refinanzierungsfazilität, die den teilnehmenden Ländern gestattet, zu konzessionären Bedingungen Geld zu leihen, und eine zusätzliche Kreditfazilität, die ermöglicht, den externen Finanzierungsbedarf für den öffentlichen Sektor bis 2030 zu decken;

* einen globalen nachhaltigen Entwicklungsfonds, der kapitalisiert und wieder aufgefüllt wird von Geberländern, die ihre uneingelösten Versprechen für das öffentliche Entwicklungshilfeziel von 0,7% des Bruttonationaleinkommens einlösen und Ressourcen bereitstellen zur Kompensation dessen, was sie während der vergangenen Dekaden nur teilweise geliefert haben (schätzungsweise über 3,5 Billionen seit 1990);

* stärkere regionale Währungszusammenarbeit, um den intraregionalen Handel zu refinanzieren und zu fördern und intraregionale Wertschöpfungsketten zu entwickeln, die über einfache regionale Währungsswaps und Pooling-Arrangements hinausgeht, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken – in Richtung auf die vollständige Entwicklung regionaler Zahlungssysteme und interner Clearing Unions;

* ein regelbasiertes Rahmenwerk zur Erleichterung einer ordnungsgemäßen und gleichen Restrukturierung souveräner Schulden, die nicht länger nach dem ursprünglichen Vertrag bedient werden können – eingebettet in ein Set vereinbarter Prinzipien und in einem internationalen Rechtsrahmen;

* Einschränkung steuermotivierter illegitimer Finanzflüsse durch ein einheitliches Steuersystem („unitary taxation“), das anerkennt, dass die Profite Multinationaler Unternehmen (MNU) kollektiv auf Gruppenebene erwirtschaftet werden und mit einer globalen effektiven Mindestbesteuerungsrate auf alle MNU-Profite von 20-25% belegt werden, die dem Durchschnitt der derzeitigen weltweiten Durchschnittsrate entspricht;

* Kapitalkontrollen zu einem ständigen politischen Instrument zu machen (nicht jedoch im Rahmen regionaler und bilateraler Handelsabkommen), und multilaterale Koordinierung und Aufsicht zu gewährleisten, darunter über Kapitalabflüsse aus Entwicklungsländern;

* ein Netzwerk der führenden Zentralbanken zu schaffen, um aggressiv Klimafinanzierung zu fördern und so den engen Fokus auf Preisstabilität und Inflation zu überwinden und den dazu bereiten öffentlichen Banken Unterstützung für grüne Finanzierung zu ermöglichen und darüber hinaus auch durch allgemeinere Arrangements wie Quantitative Easing;

* Ausstattung von Entwicklungs- und anderen öffentlichen Banken mit mehr Kapital, damit diese die Entwicklungsfinanzierung aufstocken können; entwicklungsfreundliche Lenkung der Ressourcen von Staatsfonds, die derzeit mehr als 7,9 Billionen Dollar unter Management haben; Koordinierung der neuen Generation von Südbanken, um stärkere finanzielle Süd-Süd-Bindungen zu schaffen.

Hinweis:
* UNCTAD: Trade and Development Report 2019: Financing a Global Green New Deal, 201 pp, New York-Geneva 2019. Bezug: über unctad.org
Posted: 2.8.2019

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Falk: Die Umsetzung der Global Goals ist möglich, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 26. September 2019 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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