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EPAs: Eine gewonnene Schlacht für Afrika?

Artikel-Nr.: DE20151123-Art.32-2015

EPAs: Eine gewonnene Schlacht für Afrika?

Kontroverse um Ökonomische Partnerschaftsabkommen

Seit zwölf Jahren verhandeln EU und afrikanische Länder unter dem Label „Ökonomische Partnerschaftsabkommen“ (EPA) über Handelsliberalisierungen. Die EPAs wurden sowohl in Afrika als auch von Kritikern in Europa als Versuch gewertet, Afrika noch stärker europäischen Konzernen zu öffnen. 2014 wurden schließlich drei EPAs abgeschlossen. Während europäische Kritiker skeptisch sind und das EU-Parlament auffordern, die Abkommen im Interesse Afrikas nicht zu ratifizieren, bewertet ein Papier der Heinrich-Böll-Stiftung diese positiver. Die Differenzen reflektieren vor allem unterschiedliche Erwartungshorizonte, meint Jörg Goldberg.

Die im Laufe des Jahres 2014 – nach Ultimaten der EU – abgeschlossenen Vereinbarungen betreffen drei Regionalgruppen: die westafrikanische Gemeinschaft ECOWAS, die ostafrikanische EAC und die südafrikanische SADC. Der Autor der Studie, Afrika-Ökonom Helmut Asche, bilanziert die Ergebnisse der zwölfjährigen Verhandlungen so: „Die große Schlacht ist vorüber… Einiger politischer Handlungsspielraum für agro-industrielle Entwicklungsstrategien wurde zurückgewonnen, und handelspolitische Abwehrmaßnahmen funktionieren noch. Regionalintegration in Afrika wird durch die EPAs nicht direkt gefährdet.“ (13) Um diese vorsichtig-optimistische Einschätzung zu begründen, lässt Asche die wichtigsten Kritikpunkte Revue passieren.

● Regionale Integration und entwicklungspolitische Spielräume

Zunächst hält er fest, dass die EPAs sich auf Handelsliberalisierung (flache Integration) beschränken. Versuche der EU, die Angleichung institutioneller Standards durchzusetzen (tiefe Integration), sind zunächst gescheitert. Dies hätte den Prozess der regionalen Integration in Afrika nachhaltig geschädigt. Kritiker hatten befürchtet, dass die EPAs mit ihrem Fokus auf Nord-Süd-Integration die entwicklungspolitisch vorrangige innerafrikanische Integration behindern würden. Anfangs waren die Verhandlungsgruppen auf afrikanischer Seite willkürlich zusammengesetzt, lagen quer zu existierenden regionalen Gemeinschaften.

Hinzu kam die Asymmetrie der Interessenlagen: Während die am wenigsten entwickelten LDCs schon vorher Zugang zu EU-Märkten hatten, mussten Non-LDC-Länder wie Ghana oder Kenia befürchten, dass ihnen beim Scheitern der Verhandlungen der Zugang beschränkt würde – tatsächlich hat die EU diese Drohung 2014 gegen Kenia eingesetzt. Die drei abgeschlossenen EPAs, so Asche, trügen nun aber den existierenden Zusammenschlüssen Rechnung (9), die mit den EPAs verbundene Gefahr für den afrikanischen Integrationsprozess sei gebannt.

● Neokoloniale Blütenträume der EU nicht aufgegangen

Weiterhin war befürchtet worden, dass EPAs die Spielräume für eine eigenständige Wirtschaftspolitik der betroffenen Länder einengen würden. Dazu gehören die Steuerung von Importen, nationale bzw. regionale Agrar- und Industriepolitiken, die Förderung nationaler Unternehmen, Exportsteuern- und -Subventionen für Rohstoffe, um die lokale Verarbeitungstiefe zu steigern, usw. Diese und ähnliche Maßnahmen sind notwendig, um den Aufbau nationaler bzw. regionaler Verarbeitungsindustrien und deren ‚Aufstieg‘ innerhalb globaler Verarbeitungsketten zu fördern. In den meisten Fällen sei es nun – so Asche – gelungen, Ausnahmeregeln bzw. lange Übergangsperioden durchzusetzen: „Im Ganzen … bleiben drei für Afrika entscheidende Politikfelder grundsätzlich offen: (1) moderne Industriepolitik, (2) gute Verwaltung mineralischen Reichtums (…) und (3) vertiefte Regionalintegration …“.

An dieser Stelle wird deutlich, warum das Böll-Papier zu einer vorsichtig-positiven Bewertung, andere wie z.B. das europäische NGO-Bündnis CONCORD dagegen zu einer negativen Einschätzung kommen. CONCORD kritisiert z.B. das EPA mit Westafrika so: „Statt zu versuchen, eine Freihandelszone mit Westafrika zu errichten, hätte die EU eher die vertiefte Integration innerhalb Westafrikas fördern sollen.“ Das aber war nie Ziel der EU. Während CONCORD die entwicklungsfreundliche EU-Rhetorik noch irgendwie ernst zu nehmen scheint und sich (zu Recht) darüber empört, dass diese sich auf Kosten der ärmsten Regionen der Welt handelspolitische Vorteile zu verschaffen sucht, misst Asche die Verhandlungsergebnisse an den wirklichen EU-Zielen und sieht es daher als Erfolg, dass Maximalforderungen der EU abgewehrt werden konnten: „Auch wesentlich weniger einflussreiche Länder als China … können sich in Handelsverhandlungen durchsetzen.“ (14) Die neokolonialen Blütenträume der EU sind nicht aufgegangen, was einer Veränderung der internationalen Landschaft gleichkommt (14).

Obwohl m.E. Asche zuzustimmen ist, wenn er die Verhandlungsergebnisse positiv als Ausdruck veränderter Kräfteverhältnisse wertet, so ist doch fraglich, ob die (relativen) Erfolge ausreichen werden, um Afrika den Pfad nachholender Entwicklung zu öffnen. Er räumt selbst ein: „Die Herausforderungen der Implementierung sind … kaum kleiner.“ (13) Die erkämpften Spielräume bestehen oft in komplizierten Klauseln und Ausnahmeregeln, die von den afrikanischen Regierungen erst ausgefüllt werden müssen.

Kernpunkt ist die Handlungs- und Steuerungsfähigkeit der Regierungen, womit es bekanntlich in vielen afrikanischen Ländern hapert. Wenn Asche bemerkt: „Damit kehrt sich die Herausforderung um: Der verteidigte politische Spielraum muss nun auch genutzt werden“ (14), so fragt sich, ob die Regierungen dazu in der Lage sein werden. Das ist zweifelhaft, womit ihnen nicht pauschal gute entwicklungspolitische Absichten und Fähigkeiten abgesprochen werden sollen: Viele afrikanische Länder sind von Entwicklungshilfe abhängig und somit erpressbar.

● Transatlantische Wirtschaftsabkommen und EPAs

Ein innovativer Aspekt des Böll-Papiers ist die Einbeziehung der aktuellen transatlantischen Handelsverhandlungen TTIP und CETA in die Betrachtung. Diese Frage wird in der besprochenen deutschen Version nur kurz behandelt, ausführlicher ist die Darstellung in der englischen Langfassung. Es bestehe die Gefahr, so Helmut Asche, dass die mit TTIP und CETA angestrebte „tiefe Integration“ zwischen Europa und Nordamerika zu Handelsumlenkungseffekten zu Lasten afrikanischer Anbieter führen wird. Denn die afrikanischen Exporte nach Europa und Nordamerika betreffen vor allem Güter, bei denen es aktuell noch Beschränkungen im Handel Nordamerika/Europa gibt, Afrikaner also Vorteile haben. Es könnte daher sein, dass die in den EPAs (bezogen auf die USA in AGOA) Afrika eingeräumten Handelspräferenzen in Zukunft nutzlos sein werden. Hinzu kommt, dass die transatlantischen Vereinbarungen auf die Vereinheitlichung von Standards abzielen, die von afrikanischen Ländern oft nicht erfüllt werden (können).

Asche bilanziert: „Die EPAs und TTIP zusammengenommen muss festgehalten werden, dass die AKP-Staaten den Vorteil zoll- und quotenfreien Zugangs, den sie sich nach zwölf Verhandlungsjahren mit Zugeständnissen der eigenen Marktöffnung gesichert haben, durch TTIP/CETA gegenüber nordamerikanischen und europäischen Wettbewerbern gleich wieder verlieren würden…“ (17) Dies wäre nur zu verhindern, wenn die Auswirkungen auf schwache Drittländer explizit in den transatlantischen Verhandlungsprozess einbezogen würden. Dazu wäre es nötig, so die englische Fassung, „dass den ärmsten Entwicklungsländern eine organisatorische Plattform eingeräumt wird, von der aus sie ihre Bedürfnisse und Bedenken in den Nord-Nord-Verhandlungsprozess einbringen können, um möglichen negativen Auswirkungen von bestimmten Vereinbarungen entgegenzutreten.“ (3) Ob das angesichts des fortgeschrittenen Verhandlungsprozesses machbar ist muss hier dahingestellt bleiben.

Hinweis:
* Helmut Asche: Europa, Afrika und der Transatlantik. Die Nord-Süd- Herausforderung für entwicklungsorientierte Handelspolitik, 19 S., E-Paper hg. von der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, Oktober 2015. Bezug: über www.boell.de

Posted: 23.11.2015

Empfohlene Zitierweise:
Jörg Goldberg, EPAs: Eine gewonnene Schlacht für Afrika? Kontroverse um Ökonomische Partnerschaftsabkommen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 23. November 2015 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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