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Konfliktfässer vor dem Überlaufen?

Artikel-Nr.: DE20130225-Art.07-2013

Konfliktfässer vor dem Überlaufen?

Internationales Jahr der Wasserkooperation

Vorab im Web - Die Vereinten Nationen haben 2013 zum „Internationalen Jahr der Wasserkooperation“ erklärt. Viele Fachleute fürchten allerdings, dieses Jahrhundert könnte zu einem Jahrhundert der Wasserkonfrontation werden. Denn in vielen Konflikten ist Wasser der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, berichtet Frank Kürschner-Pelkmann.

„Im 20. Jahrhundert wurden die Kriege um Öl geführt – bei den Kriegen des 21. Jahrhunderts wird es um Wasser gehen“, sagte Ismael Serageldin, langjähriger Vizepräsident der Weltbank, 1995 voraus. Dem haben viele Wasserfachleute widersprochen und darauf verwiesen, dass es in der Geschichte der Menschheit ganz wenige Kriege um Wasser gegeben hat.

* Eskalierende Konflikte

Allerdings ist Wasser in vielen heutigen Auseinandersetzungen der Tropfen, der das Konfliktfass zum Überlaufen bringt. Es ist kein Zufall, dass mit Tadschikistan ein Staat die Initiative für das „Internationale Jahr der Wasserkooperation“ ergriffen hat, der sich mit seinen Nachbarstaaten im Konflikt um knappe Wasserressourcen befindet, die zu eskalieren drohen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstanden am Aralsee und seinen Zuflüssen fünf Staaten, die über die Nutzung des knappen Wassers und der mit Staudämmen gewonnenen Elektrizität streiten.

Auch in den Konflikten zwischen Israelis und Palästinensern sowie zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten spielen Wasserfragen eine wichtige Rolle. Zwischenstaatlichen Konfliktstoff schafft weltweit vor allem, dass es weit mehr als 250 grenzüberschreitende Flüsse gibt. Allein der Nil und seine Zuflüsse durchqueren zehn Länder vom ostafrikanischen Tansania bis zum nordafrikanischen Ägypten. Die Nil-Anrainerstaaten haben einen Vertrag geschlossen, der eine Konsultation und Kooperation bei der Wassernutzung vorsieht, aber in der Praxis kommt es immer wieder zu gegenseitigen Forderungen und Drohungen.

An vielen grenzüberschreitenden Flüssen gilt weiterhin das „Recht des Stärkeren“, das heißt, dass einer der Anrainer des Flusssystems militärisch so überlegen ist, dass die anderen sich fügen müssen. Das ist zum Beispiel an Euphrat und Tigris der Fall, wo die Türkei den Nachbarstaaten Syrien und Irak diktieren kann, wann sie wie viel Wasser erhalten. Trotzdem gehören die Vereinbarungen von Anrainerstaaten internationaler Gewässer wie des Mekong zu den erfolgreichsten Instrumenten zur Förderung von Wasserkooperation. Ein indisch-pakistanischer Vertrag zur einvernehmlichen Nutzung des Indus-Wassers von 1960 hat alle politischen Konflikte und sogar Kriege zwischen beiden Staaten überstanden.

* Triebkraft Wirtschaftskonkurrenz

Ein verschärfter weltwirtschaftlicher Wettbewerb verstärkt die Konflikte um das Wasser noch. Der Zugang zum Wasser verspricht Volkswirtschaften ein höheres Sozialprodukt und Unternehmen höheren Umsatz und Gewinn. Ein Beispiel sind die Konflikte zwischen Farmern in den USA und Mexiko um das Wasser des Grenzflusses Rio Grande/Rio Bravo. Die US-Farmer wollen mit massivem politischem Druck und juristischen Mitteln verhindern, dass die mexikanischen Bauern mehr Wasser der südlichen Zuflüsse für Bewässerungszwecke nutzen.
Seit Gründung der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA wird die mexikanische Wirtschaft noch stärker von US-Produkten überschwemmt, während mexikanische Gemüsebauern in den Grenzregionen versuchen, ihre Produktion auszuweiten und Absatzmärkte in den USA zu gewinnen.

Freihandelsabkommen können auch anderswo die Konflikte um das Wasser verschärfen, ist Annabelle Houdret vom „Institut für Entwicklung und Frieden“ in Duisburg überzeugt. Sie schrieb 2008 über Wasserkonflikte: „Durch die höhere Konkurrenz auf dem Agrarmarkt und geringere Subventionen der Produktion und der Verkaufspreise sind in naher Zukunft vor allem die Einkommen von Kleinbauern massiv gefährdet, was lokale Konfliktpotenziale verschärfen kann.“ Sie plädiert für Abfederungsmaßnahmen zugunsten der Marginalisierten. Aber ob das angesichts der großen Zahl betroffener Kleinbauernfamilien und sehr begrenzter Finanzmittel für solche Zwecke ausreicht, bleibt abzuwarten.

* Auch innerstaatliche Wasserkonflikte verschärften sich

Innerhalb von Ländern mit Wasserknappheit nehmen die Konflikte um das kostbare Nass ebenfalls zu. Anfang des Jahrhunderts verfolgte die damalige spanische Regierung den Plan, große Mengen Wasser des nordspanischen Flusses Ebro in den trockenen Süden des Landes zu pumpen, um dort den Wasserbedarf von Landwirtschaft und Tourismus besser decken zu können. Das stieß auf den massiven Widerstand der Bevölkerung am Ebro, und der Plan wurde schließlich aufgegeben.

Noch existenziellere Bedeutung haben Konflikte zwischen afrikanischen Ackerbauern und Viehzüchtern um Land und Wasserressourcen. Besonders im Norden Kenias und in den Sahelstaaten am Südrand der Sahara kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Zu dem komplexen Bündel von Gründen gehören u. a. die Ausweitung der Ackerflächen in frühere Weidegebiete, die Vergrößerung der Herden der Viehzüchter, die Degradierung von Weideflächen, die Verknappung des Wassers und eine wachsende Nutzung der Wasserressourcen durch die Exportlandwirtschaft.

Zu Konfrontationen führt immer wieder der Bau von großen Staudämmen, die mit der Vertreibung der Bevölkerung aus dem Gebiet des zukünftigen Stausees verbunden sind. Konflikte gibt es auch durch die Konkurrenz zwischen ländlicher Bevölkerung und industriellen Unternehmen. Dank Tiefbrunnen und moderner Pumpen graben etwa Produzenten von Flaschenwasser der lokalen Bevölkerung das Wasser ab. International bekannt geworden ist der Widerstand der Dorfbewohner in der Umgebung des indischen Ortes Plachimada dagegen, dass Coca-Cola große Mengen Wasser aus Tiefbrunnen nutzt und die Brunnen der Dorfbewohner deshalb trocken fielen.

Maude Barlow, prominente kanadische Verfechterin des Menschenrechts auf Wasser, warnt vor einer Förderung von Privatisierungsbestrebungen im Rahmen des Internationalen Jahres: „Wir brauchen die Vereinten Nationen nicht, um eine Beteiligung des Privatsektors unter dem Deckmantel der ‚Kooperation‘ zu fördern, wo doch eben diese Unternehmen ihren Weg in Gesellschaften hinein erzwingen und riesige Gewinne mit Wasser und Sanitärversorgung machen, welche ein grundlegendes Recht darstellen.“ Gegenüber der Nachrichtenagentur IPS forderte sie die UNO auf, Regierungen dabei zu unterstützen, ihren Verpflichtungen zum Erbringen grundlegender Dienstleistungen wie der Wasserversorgung besser nachzukommen.

* Strategien zur Konfliktüberwindung

In den UN-Vorbereitungsmaterialien für das „Internationale Jahr der Wasserkooperation“ werden die Vorteile der Zusammenarbeit zwischen Ländern und innerhalb von Gesellschaften für die wirtschaftliche Entwicklung, den Schutz der Umwelt und die Förderung von Frieden hervorgehoben: „Der Zugang zu Wasser kann eine Quelle des Konflikts bilden, aber auch ein Katalysator für eine Zusammenarbeit und die Entstehung von Frieden. Die Zusammenarbeit in einer ebenso praktischen wie lebenswichtigen Frage wie dem Wassermanagement kann dabei helfen, kulturelle, politische und soziale Spannungen zu überwinden und Vertrauen aufzubauen zwischen verschiedenen Gruppen, Gemeinschaften, Regionen und Staaten.“

Wichtige Bestandteile eines Abbaus innerstaatlicher Konflikte um Wasser sind Maßnahmen zu einer effizienteren Wassernutzung und für eine sozial gerechte Verteilung des vorhandenen Wassers. Dazu können Entwicklungsprojekte und -programme beitragen. Wichtig ist dabei ein Menschenrechtsansatz, der Wasser als gemeinsames Gut versteht und nicht zu einer Ware wie jede andere macht, die nur die sich leisten können, die über eine entsprechende Kaufkraft verfügen. Der Markt wird nicht für eine gerechte Verteilung des knappen Gutes Wasser sorgen.

Veröffentlicht: 25.2.2013

Empfohlene Zitierweise:
Frank Kürschner-Pelkmann, Internationales Jahr der Wasserkooperation: Konfliktfässer vor dem Überlaufen?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 25. Februar 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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