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Trumps Antieuropäismus jenseits des Handelskriegs

Artikel-Nr.: DE20180729-Art.11-2018

Trumps Antieuropäismus jenseits des Handelskriegs

In der Tradition der US-Rechten

Vorab im Web - Nach der anfänglichen Euphorie über den handelspolitischen „Durchbruch“ von US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist jetzt eher Ernüchterung vorherrschend. Verwiesen wird auf die geringe Substanz der Verabredung (einstweiliger Verzicht der USA auf Strafzölle gegen Autoimporte, Aufnahme von Freihandelsverhandlungen – TTIP 2.0? – mehr Importe von – genmanipuliertem – Soja und – gefracktem – Flüssiggas durch die USA) und die Launenhaftigkeit und Unberechenbarkeit des US-Präsidenten. John Feffer zeigt, dass die jüngsten Ausfälle Trumps kein Zufall waren.

Donald Trump flog nicht nach Europa, um einfach mit der NATO, führenden europäischen Politikern und dem russischen Präsidenten Vladimir Putin zusammenzutreffen. Er kam „wie durch den Spiegel“ – mit völlig verqueren Aussagen. Einmal auf der anderen Seite des Atlantiks machte Trump eine Reihe außergewöhnlicher Statements, die im Endeffekt die US-Außenpolitik auf den Kopf stellten.

● Rechte Skepsis in den USA gegenüber Europa

Er klagte Deutschland an, „total von Russland kontrolliert“ zu sein. Er erklärte die Europäische Union zum „Feind“ der USA. Er sagte der britischen Premierministerin Theresa May, dass sie Verhandlungen mit der EU vergessen und diese stattdessen auf Schadensersatz verklagen sollte. Und nur Tage nachdem die US-Geheimdienste und Sonderberater Robert Mueller einmal mehr versichert hatten, dass sich die russische Regierung 2016 in die Wahlen eingemischt habe, sagte Trump, er glaube an Putins Versicherung, dass Russland unschuldig sei.

Warum in aller Welt greift Trump zu diesem surrealistischen Abenteuerkonzept von Außenpolitik? Natürlich ist er instinktiv auf Streit aus. Seine Statements zeigen ebenso seine Präferenz für „starke“ Führer statt „schwache“. Vielleicht hat der russische Präsident, wie einige Insider der Geheimdienste behaupten, sogar etwas, mit dem er Trump erpressen kann.

Tatsächlich sind Trumps Statements und Aktionen während seines Europa-Trips nicht einfach auf seinen eigenwilligen Stil zurückzuführen. Trumps Verhalten spiegelt eine sehr spezifische Weltsicht wider. Trump greift Europa an und macht sich mit Russland gemein aus politischen – und nicht einfach persönlichen – Gründen.

Ein Teil der US-Rechten, die sich jetzt um Trump schart, war immer skeptisch gegenüber Europa. Sie hat lange Zeit die sozialen und demokratischen Ideale, die das europäische System stützen, verächtlich gemacht, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. In der Tat wird jeder US-Politiker, der sich in diese Richtung orientiert, unvermeidlich als europäischer Sozialist gebrandmarkt, so wie es John McCain mit Barack Obama in der Präsidentschaftskampagne 2008 versuchte.

● Gemeinsame Weltsicht von Trump über Putin bis zur europäischen Rechten

Dann sind da die stärker pazifistischen Neigungen Europas. Bekannt ist, wie Donald Rumsfeld den Kontinent in ein „altes Europa“ und ein „neues Europa“ einteilte, als ersteres die Unterstützung der US-Invasion im Irak ablehnte. Unterstützung für das US-Abenteuer kam weitestgehend aus Mittelost-Europa, während die EU-Anhänger Frankreich und Deutschland am skeptischsten waren.

Diese Trends konvergieren in dem Euroskeptizismus des American Enterprise Institute und Medien wie Fox News und The Weekly Standard, eine Stimmung, die in den 1990er Jahren stärker wurde und stark von der Administration George W. Bushs angeheizt wurde. Die Europäische Union stellt in deren Kritik eine Art Super-Sozialismus dar, der sich nach Osten ausbreitete und die globale US-Dominanz bedrohte.

Der andere Hauptbeitrag zum Trumps Weltsicht kommt von Europa selbst. Rechte nationalistische Bewegungen und Regierungen überall auf dem Kontinent haben versucht, die Europäische Union zu zerbrechen. Die Bewegung errang ihren ersten Sieg mit dem Brexit-Referendum 2016. Doch euroskeptische Regierungen haben auch in Ungarn, der Tschechischen Republik, Österreich und Italien die Geschäfte übernommen.

Diese Euroskeptiker sehen Brüssel als eine externe Kraft an, die versucht, den Nationen ausländische Sitten aufzuzwingen – inakzeptable Wirtschaftspolitiken, eine inakzeptable Zahl von Migranten, inakzeptable politische Forderungen. Die polnische und die ungarische Regierung errichten illiberale Regime, die die Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Justiz und die Bewegungsfreiheit der Zivilgesellschaft herausfordern. Die beiden Länder riskieren einen offenen Konflikt mit der EU.

Doch es gibt noch eine weitere starke euroskeptische Stimme: Vladimir Putin. Unter Putin hat Russland rechtsextremen Parteien in Europa rhetorische und finanzielle Unterstützung gewährt – der Nationalen Front in Frankreich, der Freiheitlichen Partei in Österreich, der Lega Nord in Italien. Es gibt beträchtliche Überschneidungen in den Positionen. Putin und die Euroskeptiker sind gegen Einwanderung, antiliberal und für nationalistische und Law-and-Order-Politiken.

Putin sieht im Euroskeptizismus wesentliche Chancen. Eine schwächere EU wäre nicht in der Lage, postsowjetische Mitglieder wie die Ukraine oder Moldavien zu verkraften. Eine schwächere EU wäre abhängiger von russischen Energieexporten. Eine schwächere EU hätte weniger Kraft, um Russlands politisches und außenpolitisches Verhalten zu kritisieren.

● Eine transatlantische Allianz gegen Trump?

Das führt uns zurück zu Donald Trump. Der Präsident hat Europa wegen seiner Handelspolitik zum Feind erklärt. Doch das ist nur eine Finte. Aktuell hat er eine systematischere Kritik an der EU, die mit der Weltsicht von Vladimir Putin, von Europas rechten Nationalisten und der der Euroskeptiker unter den amerikanischen Konservativen koinzidiert.

Das sind sehr schlechte Nachrichten. Ginge es bei der Krise der transatlantischen Beziehungen nur um Handel, könnte sie durch harte Verhandlungen gelöst werden. Wenn der Disput mit der EU und der NATO lediglich um Trumps schroffen Stil ginge, könnte alles durch einen Regierungswechsel 2020 gelöst werden.

Doch Trump hat einen viel weiterreichenden ideologischen Angriff auf die europäischen Institutionen und Werte gestartet. Und was schlimmer ist: Dies ist Teil desselben Angriffs auf liberale Werte hier in den USA.

Vergesst die NATO: Vielleicht brauchen wir eine transatlantische Allianz gegen Trump.

John Feffer ist Direktor von Foreign Policy In Focus (FPIF), Washington DC, wo der Artikel zuerst erschien.

Posted: 29.7.2018

Empfohlene Zitierweise:
John Feffer: Trumps Antieuropäismus jenseits des Handelskriegs. In der Tradition der US-Rechten, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 29. Juli 2018 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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