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Trumps Triumph als anti-elitäre Revolte

Artikel-Nr.: DE20161124-Art.25-2016

Trumps Triumph als anti-elitäre Revolte

Rechter Backlash gegen die Globalisierung

Vorab im Web - Der in der nationalen Auszählung klar unterlegene Donald Trump hat seinen Einzug ins Weiße Haus nicht nur der Institution des Electoral College (Wahlmännergremium) zu verdanken, einst geschaffen um Populisten wie ihn zu verhindern, sondern auch einer höchst disparaten Republikanischen Wählerkoalition. Die „Grand Old Party“ ist es gewohnt, durch eine Politik der Spaltung der Gesellschaft entlang von „race“, Ethnie und Religion Wahlen zu gewinnen. Trump hat nicht etwa die Republikanische Partei „gekapert“, sondern er hat diese Spaltungspolitik und den anti-elitären Impuls nur konsequent auf die Spitze getrieben, schreibt Thomas Greven.

So konnten nicht nur die Rechtsextremisten der Alt-Right-Bewegung Teil der Koalition werden. Erstaunlich war auch der Rückhalt Trumps bei (weißen) Frauen angesichts seiner offensichtlichen Frauenfeindlichkeit und bei Weißen ohne College-Abschluss, welche ihm insbesondere in den Staaten des Industriegürtels knappe Mehrheiten verschafften, obwohl er dort in den Umfragen noch zurückgelegen hatte. Hier gelang es Trump, nicht nur Nicht-Wähler zu mobilisieren, sondern auch unter den gewerkschaftlich organisierten Wählern zu punkten, die traditionell mehrheitlich die Demokraten wählen. Wie kann dies erklärt werden? Hätte Bernie Sanders, bei den Demokratischen Vorwahlen knapp unterlegener, selbsterklärter „Demokratischer Sozialist“, bei diesen Wählern besser ausgesehen? Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung für die US-Gewerkschaften und die Demokratische Partei? Und nicht zuletzt: Was wird Trump für diese Wähler tun?

● Populäre Revolte gegen den neoliberalen Konsens

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass Trump alle Teile seiner Wählerkoalition gebraucht hat, um den Sieg im Electoral College zu erringen, aber die weißen Wähler ohne College-Abschluss haben ihm in entscheidenden Staaten die Mehrheit verschafft. Daher ist es sinnvoll, insbesondere nach deren Motivation zu fragen, für eine Partei zu stimmen, welche ja nicht von ungefähr für Wahlsiege auf eine Politik der gesellschaftlichen Spaltung angewiesen ist: Ihre Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik ist gewöhnlich nicht im Interesse der Bevölkerungsmehrheit.

Der heutige Rechtspopulismus, dem auch Trump und seine „Bewegung“ ihren Erfolg schulden, ist eine Revolte derer, die sich als Verlierer von Prozessen sozial unregulierter ökonomischer Globalisierung (Handel, Kapitalverkehr, Investitionsverlagerung, Immigration) und kultureller Modernisierung (Feminismus, ethnische/kulturelle/sexuelle Vielfalt, politische Korrektheit) sehen, oder die sich von diesen Prozessen bedroht fühlen, gegen politische Eliten, die sich seit Jahrzehnten dem neoliberalen Konsens der Nicht-Regulierung unterwerfen (von „Experten“ befördert, welche keine der Krisen vorhergesagt haben), und welche diese Menschen meist mit großer Herablassung behandeln.

In den USA werden die Demokraten stärker mit diesen Eliten identifiziert als die Republikaner, welche seit den 1990er Jahren einen anti-elitären Diskurs pflegen (im Zuge dessen durch die Tea Party und durch Donald Trump ja auch das eigene Partei-Establishment überrollt wurde). Hillary Clinton personifiziert diese abgehobene Elite seit Jahrzehnten, und auch sie (wie vor ihr Barack Obama) zeigte ihre Herablassung, als sie von den „Bedauernswerten“ sprach.

● Scheidelinie Handelspolitik

Insbesondere an der Handelspolitik können die Unterschiede zwischen Trump, Hillary Clinton und Bernie Sanders festgemacht werden, wie sie für weiße Wähler ohne College-Abschluss im Wahlkampf sichtbar wurden. Als Teil der Regierung Obama, als Teil des neoliberalen, wirtschafts- und Wall Street-freundlichen Flügels der Demokratischen Partei war Hillary Clinton solange Befürworterin von Freihandelsabkommen, bis sie es unter dem Druck des Herausforderers Sanders nicht mehr sein konnte.

Der wahlkampftaktische Opportunismus Clintons ist kaum jemandem verborgen geblieben. Sowohl Sanders als auch Trump konnten dagegen glaubwürdig eine freihandelskritische Position (und auch eine kritische Position gegenüber dem „offshoring“, der Verlagerung von Betrieben ins Ausland) beziehen – ersterer wegen entsprechendem Wahlverhalten und letzterer, weil er nicht Teil der politischen Elite war – obwohl er als Geschäftsmann von der neoliberalen Politik zweifellos profitiert hat (was er freimütig zugab). Bernie Sanders verkörpert die linke Variante der populären Revolte gegen den neoliberalen Konsens. Sein ökonomischer Populismus kam ohne Tiraden gegen ethnische Minderheiten und die politische Klasse aus und fokussierte stattdessen auf die Geldeliten und Unternehmen, die von der jahrzehntelangen Politik der Nicht-Regulierung und Niedrigbesteuerung profitieren.

Die sozialdemokratische Linke der Demokraten um Senatorin Elizabeth Warren beweint Sanders‘ gescheiterte Vorwahl-Kandidatur, der nicht in die Falle der moralischen Überlegenheit getappt wäre („when they go low, we go high“), eine Überlegenheit, die aus Sicht der Globalisierungs- und Modernisierungsverlierer zu der Herablassung passt, mit der sie von Hillary Clinton behandelt worden sind – wie vorher auch schon von Bill Clinton: Man muss halt besser in der Schule aufpassen, um fit für die globale und moderne Welt zu sein. Sanders, so argumentieren sie, hätte mit einer Politik gegen die soziale Ungerechtigkeit gewinnen können, die Clinton nicht glaubhaft vertreten konnte.

Dass Sanders nun Trump beim Wort nimmt und ihm für Maßnahmen, die wirklich zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen, die Zusammenarbeit anbietet, zeigt möglicherweise, dass es ihm vor allem um die Sache geht. Aber es zeigt neben einer Unterschätzung des Anteils von Rassismus und Immigrantenfeindlichkeit bei diesen Wählern Trumps auch, dass er die Demokratische Partei vielleicht doch nicht gut genug kennt, denn deren Wirtschafts-, Handels- und Sozialpolitik unterscheidet sich nicht so sehr vom Republikanischen Mainstream.

Welchen Weg wird die Demokratische Partei einschlagen?

Seit den 1960er Jahren hat die Partei aus Niederlagen meist den Schluss gezogen, dass das Land zu konservativ für eine sozialdemokratische Politik ist und stattdessen auf eher konservative Südstaaten-Demokraten (Jimmy Carter, Bill Clinton) oder das Versprechen des demographischen Wandels (Barack Obama) gesetzt. Die disparate Demokratische Wählerkoalition wurde durch ein Sammelsurium an Identitätspolitiken zusammengebunden (etwas für die Afro-Amerikaner, die Latinos, die LBTGQ-Community, die Umweltfreunde etc.), allerdings auf der Basis der Restbestände der New Deal-Koalition, insbesondere der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer, welche zwischen den 1930er und 1960er Jahren die Schaffung des rudimentären Wohlfahrtsstaats ermöglichte.

Eben bei dieser Basis hat Trump nun massiv wildern können. Das hat auch damit zu tun, dass die Demokraten diesen Teil ihrer Basis nicht länger entschlossen mobilisieren wollen, sondern lieber auf den demographischen Wandel setzen, der mittelfristig dazu führt, dass die weiße Wählerbasis der Republikaner zur Minderheit wird. So war es wenig überraschend, dass Barack Obama sein politisches Kapital für eine Gesundheitsreform einsetzte, die auf Republikanischen Ideen basiert und am Prinzip der Privatversicherung nichts ändert, statt mit einer Reform des Arbeitsrechts die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit zugunsten der Gewerkschaften zu verschieben. Denn stärkere Gewerkschaften hätten als Sprecher auch der Globalisierungs- und Modernisierungsverlierer mit mehr Autorität einen schärferen Bruch mit den neoliberalen Dogmen verlangen können.

Eine Richtungsentscheidung steht an. Insbesondere in der Handelspolitik steht die Demokratische Partei dabei vor einem Dilemma: Soll sie sich in dieser Frage wirklich auf Seiten der schlichten Freihandelsgegner positionieren? Oder nicht doch besser entschlossener an der sozialen und ökologischen Regulierung der Weltwirtschaft arbeiten?

● Politik des „Weiter so“ nicht ausgeschlossen

Die US-Gewerkschaften sind seit den frühen 70er Jahren protektionistischer als alle anderen in der industrialisierten Welt, und es scheint, als bekämen sie nun von Trump das, was die Demokraten (und das Establishment der Republikaner) ihnen immer verweigert haben: Das Ende des Freihandels. Sollen sie sich darüber freuen? Der Anteil der Industriegewerkschaften sinkt stetig, vielen US-Gewerkschaften ist die Handelspolitik nicht mehr sonderlich wichtig. Aber eine durch Protektionismus und beggar-thy-neighbor-Politik verursachte Wirtschaftskrise würde alle treffen.

Vielleicht gelingt es Trump ja, die Handelspartner der USA und die US-Wirtschaft regelrecht dazu zu schocken, wieder mehr in Industriearbeitsplätze in den USA zu investieren. Aber so fraglich dies ist, so klar ist es, dass die Gewerkschaften, ihre Mitglieder und die Mehrheit der amerikanischen Beschäftigten und ihre Familien unter den meisten politischen Maßnahmen einer Regierung Trump, die den klassischen Republikanischen Dogmen von wenig Staat und niedrigen Steuern folgen, leiden werden.

Es sieht nun tatsächlich so aus, als ob der neoliberale Konsens eher von der Republikanischen Partei unter Trump aufgekündigt würde als von den Demokraten. Trump orchestriert den Backlash gegen den Freihandel, womöglich verhindert er nicht nur TPP und TTIP, sondern verhandelt auch existierende Abkommen wie NAFTA neu und reichert diese Politik mit staatlichen Infrastrukturmaßnahmen zur Schaffung von Jobs an. Dazu verfolgt er vielleicht eine Sozialstaatspolitik, die den „pragmatischen Sozialismus“ der amerikanischen Wähler respektiert und die etablierten Programme nicht angreift – auch wenn der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, sich das durchaus anders vorstellt. Denn die Erwartungen der Globalisierungs- und Modernisierungsverlierer in Trumps Wählerkoalition stehen im Widerspruch zum Republikanischen Mainstream und insbesondere zu den Präferenzen des Wirtschaftsflügels. Dies setzt die disparate Republikanische Koalition weiter unter Spannung und eröffnet einer sich als staatstragend verstehenden Demokratischen Partei Chancen, mit weniger vorbelasteten Kandidaten bei den verbliebenen moderaten Republikanern und deren Unterstützern aus der Geschäftswelt zu punkten. Eine Politik des „Weiter so“ bleibt also möglich.

Empfohlene Zitierweise:
Thomas Greven, Trumps Triumph als anti-elitäre Revolte. Rechter Backlash gegen die Globalisierung, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 24. November 2016 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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