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Europäischer versus Internationaler Währungsfonds?

Artikel-Nr.: DE20100326-Art.14-2010

Europäischer versus Internationaler Währungsfonds?

Das Versagen der EU vor der EuroMed-Krise

Nur im Web - Auf seinem Frühjahrsgipfel am 25./26. März 2010 ist es dem Rat der EU nicht gelungen, in der Griechenland-Krise eine Alternative zum traditionellen Krisenmanagement des IWF auf die Beine zu stellen. Notfalls werden die Europäer den Fonds zu Hilfe rufen und dessen Stand-by-Kredite mit bilateralen Hilfen ergänzen. Doch auch der vollmundig angekündigte Europäische Währungsfonds wäre keine Alternative zum IWF, schreibt Rainer Falk.

In Zeiten einer angeschlagenen Hegemonie des Dollars, einer weitgehenden Deregulierung der Währungsmärkte und der Nichtexistenz eines globalen Wechselkursmanagements liegt es auf der Hand, die Alternative in einer zunehmenden Regionalisierung der Währungs- und Finanzpolitik zu sehen.

Auch die Diskreditierung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der in den letzten Jahrzehnten eher als Disziplinierungsinstrument und Zuchtmeister der internationalen Finanzmärkte fungierte, statt seinem Namen gerecht zu werden und internationale Währungspolitik zu betreiben, gibt Anlass, in dieser Richtung nachzudenken.

Um künftig gegen spekulative Attacken besser gerüstet zu sein, wurde beispielsweise nach der Asienkrise mit dem Chiang-Mai-Abkommen ein Beistandsmechanismus für den südost- und ostasiatischen Raum geschaffen – wenn man so will, die Vorform eines Asiatischen Währungsfonds, auf den die beteiligten Länder im Krisenfall zurückgreifen können, ohne sich an den IWF wenden zu müssen.

* Kein Gegenmodell …

Was läge da näher, auch in Europa, wo mit der Einführung des Euro ein wesentlich höheres Maß an Währungsintegration erreicht wurde, über einen kurzfristigen Stabilisierungsfonds nachzudenken – zumal die Finanzkrise jetzt auch im Euroraum angekommen ist? Im Grunde genommen ginge es darum, einen Ausgleichsmechanismus für den Krisenfall ins Leben zu rufen, über den die stärkeren Mitglieder der Eurozone für die schwächeren einstehen und so insgesamt zur Stabilisierung des Euro beitragen. Mit der Finanzkrise in den sog. ClubMed-Ländern erhalten solche Überlegungen zusätzlichen Auftrieb, wie die heftige Diskussion über ein Rettungspaket für Griechenland und nicht zuletzt der Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF), den der deutsche Finanzminister Schäuble aus dem Hut gezaubert hat, zeigen.

Die deutsche EWF-Idee ist allerdings alles andere als ein solidarischer Ausgleichsmechanismus für die Eurozone. Und sie ist schon gar kein Gegenmodell zum IWF. Was bislang über die Modalitäten bekannt geworden ist, denen sich potentielle Beistandskandidaten des EWF unterwerfen müssten, zeigt, dass dieser vor allem ein Instrument zur Aufrechterhalten der Asymmetrien in der Eurozone wäre. Vor allem geht es um die harte Bestrafung der Defizitländer, von der Auferlegung eines radikalen haushaltspolitischen Sparregiments über den vorübergehenden Ausschluss aus den Entscheidungsgremien des Fonds bis hin zum Ausschluss bzw. Ausscheiden aus der Eurozone selbst. Es ist ein Programm wie aus dem Bilderbuch der deutschen Stabilitätsfanatiker, das in den Defizitländern vor allem eines bewirkt: den Marsch in eine deflationäre Abwärtsspirale.

Aber auch grundsätzlich greift die EWF-Idee viel zu kurz. Wie beim globalen IWF zielt sie nur auf die Defizitländer, die alle Anpassungslasten tragen müssten. Die strukturellen Leistungsbilanzungleichgewichte, die sich innerhalb der Eurozone zwischen den Mittelmeerländern, aber auch Frankreich, auf der einen Seite und Deutschland auf der anderen aufgetürmt haben, kommen in den Überlegungen gar nicht vor. Von einer Reduzierung der Überschüsse ist keine Rede. Die Defizitländer sollen vielmehr gezwungen werden, durch einen rigiden Sparkurs selbst zu Überschussländern zu werden – schon saldentechnisch ein absurdes Ziel.

* … eher Wurmfortsatz des IWF

Damit wäre der EWF eher ein Imitat, wenn nicht ein Wurmfortsatz des traditionellen IWF und seiner Politik: Entgegen den Vorstellungen seines Mitbegründers John Meynard Keynes hat auch der IWF von Anfang an auf einen ausgewogenen Ausgleichsmechanismus zwischen Überschuss- und Defizitländern verzichtet. Stattdessen wurde vor allem seit Ausbruch der Schuldenkrise in der sog. Dritten Welt Anfang der 1980er Jahre gegenüber den Klienten eine rabiate Konditionalität praktiziert, die Krisen prozyklisch verstärkte und zu drastischen Einschränkungen sozialer Leistungen, zur Absenkung von Löhnen und Einkommen und zur Zerstörung des sozialen Zusammenhalts – bis hin zu periodisch wiederkehrenden Hungerkatastrophen führte.

Dass für die Eurozone jetzt also eine Art Super-IWF nach altem Muster vorgeschlagen wird, entbehrt im Übrigen nicht der Ironie. Denn während der deutsche Finanzminister vor allem ein Züchtigungsregime für in die Krise geratene Euroländer will, hat beim IWF in Washington eine Diskussion begonnen, in der die traditionellen Dogmen des sog. Washington Consensus, vor allem der Dreiklang von Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung, immer stärker unter Druck geraten.

So hat kürzlich der Chefökonom des IWF, Olivier Blanchard, zusammen mit anderen IWF-Autoren in einem Positionspapier, einer „Staff Position Note“, eingeräumt, dass die makroökonomische Politik des Fonds in den letzten Jahrzehnten in mancherlei Hinsicht falsch war (Neuer makroökonomischer Ansatz beim IWF?). Dies gelte insbesondere für die extrem niedrigen Inflationsziele, die der IWF propagierte, die Vernachlässigung der Rolle der Fiskalpolitik und die Deregulierung des Finanzsektors. Insbesondere die Infragestellung des Inflationsziels ist starker Tobak für die deutschen Stabilitätspolitiker und hat Bundesbank-Präsident Weber schnell dazu veranlasst, den IWF vor dem „Spiel mit dem Feuer“ zu warnen.

Kurz nach der Forderung nach einer anderen Makropolitik hat der IWF in einem weiteren Positionspapier seine Politik in Sachen Kapitalverkehrskontrollen korrigiert (IWF: Kehrtwende bei Kapitalverkehrskontrollen). Während die Forderung nach Aufnahme der Liberalisierung des Kapitalverkehrs in die Satzung des IWF schon nach der Asienkrise nur noch verhalten gestellt wurde, gehören Kapitalverkehrskontrollen als Option für krisengeschüttelte Länder jetzt wieder offiziell zum wirtschaftspolitischen Instrumentarium des IWF.

* Einsturz überkommener Dogmen

Sicher – viele dieser neuen Ansätze sind bislang nicht über die deklamatorische Ebene hinaus und in der Praxis der Kreditgewährung des Fonds noch nicht angekommen. Somit ist auch kaum ein Unterschied zu erkennen zwischen der traditionellen, prozyklischen Konditionalität in der neuen Generation von IWF-Programmen gegenüber Osteuropa und der wirtschaftspolitischen Konditionierung, die Brüssel – einer Protektoratsmacht gleich – heute schon gegenüber der Regierung in Athen durchgesetzt hat. Die Frage, ob die Griechen auf die Hilfe der EU setzen oder sich lieber gleich an den IWF wenden sollen, erscheint deshalb für viele wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera, jedenfalls solange sich die Europäer nicht dazu durchringen, eine wirklich eigenständige Alternative zum IWF auf die Beine zu stellen.

Andererseits: Betrachtet man die Diskussion der letzten Wochen, sind die Spielräume für Veränderung auf IWF-Ebene sicher größer als in Europa. Veränderungen beginnen stets mit dem Einsturz alter Dogmen. Auch da ist man in Washington derzeit weiter als in Brüssel.

Der Beitrag erscheint heute auch im "Neuen Deutschland".

Veröffentlicht: 26.3.2010

Empfohlene Zitierweise: Rainer Falk, Europäischer versus Internationaler Währungsfonds? Das Versagen der EU vor der EuroMed-Krise, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, 25.3.2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).