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IWF/Weltbank: Frühjahrstagung ohne Ambition

Artikel-Nr.: DE20210406-Art.05.02-2021

IWF/Weltbank: Frühjahrstagung ohne Ambition

Die IWF-Austerität lebt und verstärkt Armut und Ungleichheit

Auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank diese Woche, die wegen Covid-19 erneut virtuell stattfindet, können wir Maßnahmen zur Unterstützung der Erholung der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen von der Pandemie erwarten. Diese sind löblich, bleiben aber weit hinter dem zurück, was erforderlich wäre, schreibt Mark Lowcock. Und an den Austeritätsvorgaben des IWF hat sich kaum etwas geändert, bemerkt Rebecca Ray.

Ein wahrscheinliches Ergebnis wird eine Allokation von IWF-Sonderziehungsrechten (SZR) bis zu 650 Mrd. Dollar sein, die Reservewährung des Fonds, die genutzt wird, um die offiziellen Reserven der Mitgliedsländer zu ergänzen. Eine verlängerte Pause bei den Schuldendienstzahlungen der ärmsten Länder und eine Zusage der wohlhabenden Länder, die Finanzierung der globalen Verteilung von Covid-Impfstoffen zu unterstützen, wird wahrscheinlich ebenfalls beschlossen werden.

● Kein Kraut gegen ‘gefährliche Divergenz’ der Weltwirtschaft

Alle diese Maßnahmen sind willkommen. Doch für Länder, die noch weit weg sind vom Ende der Pandemie, werden sie nur marginal hilfreich sein. Sicherlich werden sie nicht verhindern, dass die ‚gefährliche Divergenz‘, vor der die Geschäftsführende IWF-Direktorin Kristalina Georgieva gewarnt hat, zur Wirklichkeit wird.

Die Projektionen des IWF zeigen eine langgezogene und stolpernde Erholung für die Entwicklungsländer. Die meisten werden wahrscheinlich nicht in der Lage sein, genug Menschen zu impfen, um bis 2023 Herdenimmunität zu erreichen. Ihre finanziellen Puffer sind nahezu erschöpft, so dass der erste Anstieg der globalen Armut seit 2000 droht. Bereits heute sind 270 Millionen Menschen von Hunger bedroht.

Es ist nicht zu spät, die Ambition auf den Frühjahrstreffen zu erhöhen. Sie könnten genutzt werden, um unmittelbare Aktionen auf den Weg zu bringen und die Agenda auf eine Weise zu setzen, die die langfristige Bedeutung dieser Krise anerkennt und sie in Ausmaß, Reichweite und Dauer trifft.

IWF und Weltbank haben ihre Kreditvergabe im letzten Jahr gesteigert. Sie müssen sich nun öffentlich dazu bekennen, ihre Finanzflüsse für die nächsten fünf Jahre mindestens auf diesem Niveau zu halten. Dies wird ein Abkommen zwischen den Institutionen und ihren Anteilseignern brauchen über eine kreativere Nutzung in ihrer Bilanzierung, kombiniert nach Bedarf mit Zusagen neuer Finanzen durch die Anteilseigner.

● Widerspenstige Privatgläubiger heranziehen

Zweitens brauchen wir eine grundlegende Restrukturierung oder Abschreibung der Schulden für eine signifikante Zahl von Entwicklungsländern. Das Gemeinsame Rahmenwerk für die Behandlung der Schulden, das letzten November von der G20 beschlossen wurde, hat Potential, aber bislang wenig erreicht. Die Anteilseigner sollten IWF und Weltbank bitten, das Rahmenwerk anzuwenden und die Schuldenfrage aktiver anzugehen, z.B. indem sie die widerspenstigen privaten Gläubiger an den Tisch bringen.

Drittens können weder künftige Pandemien noch der Klimawandel bewältigt werden, ohne dass die Entwicklungsländer in dem Prozess engagiert sind. Die Internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) müssen ihr historisches, länderfokussiertes Geschäftsmodell anpassen. Jetzt ist die Zeit für die Anteilseigner, von den IFIs Führung zu fordern und ehrgeizige Vorschläge zur Bearbeitung dieser globalen Herausforderungen vorzulegen.

Schließlich bleibt die internationale Unterstützung für Länder, die in der Falle von ökonomischer Fragilität und Konflikt sind, fragmentiert und hat nur gemischte Ergebnisse erzielt. Die Treffen sollten aufzeigen, wie die IFIs und die UN sich in Bezug auf fragile Staaten sozial, politisch und wirtschaftlich besser koordinieren können.

● Weiter so = Mangelnde Weitsicht

Während der Pandemie hat es Beispiele der Solidarität und der klugen Zusammenarbeit gegeben; die Entwicklung von Impfstoffen ist vielleicht das beste Beispiel. Während die reichen Länder vom Krisenmanagement zur Gestaltung der Erholung übergehen, wäre es ein Fehler zu denken, dass die anhaltende Krise in den ärmsten Ländern der Welt das Problem von irgendjemand anders wäre.

Einige werden sagen, diese Vorschläge gehen über das Mandat der IFIs hinaus. Doch wäre eine Fortsetzung der schwachen Reaktion, die wir bis heute gesehen haben, ein moralisches Scheitern und ein Mangel an Weitsicht. Abgesehen von dem offensichtlichen Risiko, das Virus frei zirkulieren zu lassen, öffnet dies sekundären Krisen – Hunger, Konflikt und Vertreibung – die Möglichkeit, überall auf das Lebens jeden Mannes und jeder Frau überzugreifen. Die Frühjahrstreffen haben das Potential zu bestimmen, ob dieser Herbst der Beginn vom Ende der Pandemie ist oder der Beginn einer komplexeren und gefährlicheren Phase für die Welt.

Mark Lowcock ist UN-Untergeneralsekretär für Humanitäre Angelegenheiten, New York; Ko-Autor war Masood Ahmed, Präsident des Center for Global Development, Washington (© FT).

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Die IWF-Austerität lebt und verstärkt Armut und Ungleichheit
Neues Dataset straft Mainstream-Behauptungen Lügen

Viele Jahre haben Forscher über den Umgang des Internationalen Währungsfonds mit Austerität oder die geforderten Haushaltskürzungen debattiert: wie allgemein verbreitet ist dies, welche Kreditnehmer erhalten solche Auflagen, hat sich die IWF-Praxis nach aufeinander folgenden Finanzkrisen verändert und welche Konsequenzen hatte diese Austerität? Zwei neue Arbeitspapiere des Global Development Policy Center (GDP) der Universität Boston fasst Rebecca Ray kurz zusammen.

Die beiden Studien, die rechtzeitig zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank erschienen sind, treiben diese Fragen weiter voran. Sie nutzen ein neues Dataset, das die Tiefe der geforderten fiskalischen Anpassung in jedem Abkommen misst, das zwischen 2001 und 2018 abgeschlossen wurde. Die Studien haben vier Hauptergebnisse.

● Nichts Neues nach der globalen Finanzkrise

Die erste Studie, IMF Austerity Since the Global Financial Crisis: New Data, Same Trend, and Similar Determinants, verfasst von Rebecca Ray, Kevin P. Gallagher und William Kring, kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

* Die vom IWF geforderte Austerität ist allgegenwärtig und hat sich nach der Finanzkrise von 2008/2009 in ihrer Intensität nicht verringert.

* Die Kreditnehmer-Länder sehen sich wahrscheinlich weniger mit Austeritätsforderungen konfrontiert, wenn sie starke Bindungen zu Europa haben, entweder durch Handelsbeziehungen oder diplomatische Kanäle, oder aber wenn sie signifikante Hilfe von Nicht-OECD-Ländern (zumeist von China) erhalten.

Die zweite Studie, Poverty, Inequality, and the International Monetary Fund: How Austerity Hurts the Poor and Widens Inequality, von Thomas Stubbs, Alexander Kentikelenis, Rebecca Ray und Kevin P. Gallagher, kommt zu folgenden Ergebnissen:

* Die Kreditnehmer-Länder sehen sich wahrscheinlicher mit Austerität konfrontiert, wenn sie Gastländer für signifikante Ausländische Direktinvestitionen (FDI), vor allem aus Westeuropa sind.

* Die vom IWF geforderte Austerität ist deutlich mit wachsender Ungleichheit verbunden, einem zunehmenden Einkommensanteil der Top-Ten Prozent auf Kosten der unteren 80%. Wenig überraschend können die Konsequenzen auch an der deutlich wachsenden Armutsniveaus in Ländern gesehen werden, die sich verschärften Austeritätserfordernissen gegenüber sehen.

Rebecca Ray, PhD, ist Senior Academic Researcher an der University of Massachusetts at Amherst. Eine ausführlichere Übersicht über die Studien findet sich unter: www.bu.edu/gdp/2021/04/05/imf-austerity-is-alive-and-impacting-poverty-and-inequality/