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Der Beitrag der EU zu den Millenniumszielen

Artikel-Nr.: DE20080922-Art.33-2008

Der Beitrag der EU zu den Millenniumszielen

2015-Watch-Bericht: Rhetorik oder Resultate?

Nur im Web - Die Alliance2015 hat soeben ihren 5. 2015-Watch-Bericht veröffentlicht. In diesem Jahr behandelt er die Frage, inwieweit Europa die eigenen Verpflichtungen in Bezug auf die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) einhält. Detailliert befasst er sich damit, ob die Entwicklungshilfe der Europäischen Kommission an der Verwirklichung der MDGs ausgerichtet ist. Wie Birgit Dederichs-Bain und Olive Towey berichten, sind die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in dieser Hinsicht gut, doch es hapert an der konkreten Programmierung und Umsetzung.

Der Bericht mit dem Titel The EU’s contribution to the Millennium Development Goals - Poverty Eradication: From Rhetoric to Results? (s. Hinweis) erscheint zu einem entscheidenden Zeitpunkt, nach dem Hochrangigen Forum über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe in Accra (vom 2.-4. September; ???042ae69b1a0b0f90a???) und kurz vor dem MDG-Gipfel der Vereinten Nationen in New York am 25. September. Auf dem Hochrangigen Forum in Accra verfolgte Europa eine ehrgeizige Agenda der Veränderung und bewies eine klare Führungsrolle in den Bemühungen, die globale Entwicklungshilfe effektiver zu machen. Der UN-Gipfel in dieser Woche wird die Fortschritte bei der Umsetzung der MDGs bewerten. Die Rolle der Europäer dabei und darüber hinaus ist von unbestreitbarer Bedeutung.

* Die Bedeutung der Führungsrolle Europas

Die EU insgesamt, einschließlich ihrer Mitgliedsstaaten, bringt rund 60% der weltweiten Öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) auf. Sie ist deshalb ein Global Player von besonderer Relevanz. Die Entwicklungsprogramme der Europäischen Kommission von 2007-2013 belaufen sich auf 51 Mrd. €. Was die EU macht oder unterlässt, ist also wichtig – für das Leben vieler Menschen in vielen Entwicklungsländern.

Der Bericht erkennt das starke rechtliche und politische Engagement Europas an, insbesondere die Tatsache, dass die Ausrottung der Armut und die Erreichung der MDGs als übergeordnete Ziele der Entwicklungszusammenarbeit der EU verankert wurden. Darüber hinaus unterstreicht der Report den Veränderungsbedarf in einer Reihe von Bereichen und die Notwendigkeit, von der Rhetorik zu Resultaten überzugehen.

* Der Kampf gegen den Hunger: Weißer Fleck in den EU-Programmen

Der neue 2015-Watch-Bericht identifiziert mehrere zentrale Herausforderungen, die die Gemeinschaft bei der Programmierung ihrer Entwicklungshilfe berücksichtigen sollte:

* Gesundheit und Bildung: Die Ausgaben der Gemeinschaft für Gesundheits- und Bildungsbelange liegen weit hinter ihren eigenen beschlossenen Zielen. Schon 2001 und dann 2006 noch einmal hat die EU versprochen, 20% ihrer jährlichen Gesamtzusagen für Grunddienste im Gesundheits- und Bildungsbereich zur Verfügung zu stellen. Die gegenwärtigen Ausgaben belaufen sich auf gerade 4,36% - ein Rückgang gegenüber dem Vorjahresanteil von 7,44%.

* Hunger: Der neue Bericht legt besonderes Gewicht auf die Hungerfrage (MDG 1) als zentrales Hindernis für die Erreichung der MDGs. Er stellt fest, dass diese Frage in den entwicklungspolitischen Programmen der EU weitgehend fehlt. Das ist besonders gravierend. Selbst vor dem gegenwärtigen Anstieg der Nahrungsmittelpreise litten weltweit mehr als 850 Millionen Menschen an Hunger. Seither hat sich das Problem verschärft. Die neuen Zahlen der FAO zeigen, dass die Zahl der Hungernden infolge der Preissteigerungen um weitere 75 Millionen Menschen gestiegen ist. Dadurch steigt die Zahl der Menschen, die Ende 2007 unterernährt waren, auf weltweit 925 Millionen. Der nächste 2015-Bericht wird sich dieser Frage widmen.

* Allgemeine Budgethilfe: Die EU strebt an, 50% ihrer Entwicklungshilfe als Budgethilfe zu vergeben. Budgethilfe kann ein effektives Instrument zur Beseitigung der Armut sein, wenn sie in einem Umfeld gegeben wird, das dieses Ziel begünstigt. Gleichwohl zeigt der Bericht, dass bei der Festlegung der Budgethilfe Aspekte wie Demokratie, Gewaltenteilung, Kinderarbeit, Korruption und Menschenrechte nicht adäquat berücksichtigt werden. Auch zeigt der Bericht, dass beträchtliche Summen auch dann in dieser Form ausgegeben werden, wenn die Situation im Partnerland mit diesen Prinzipien nicht vereinbar ist. – Beispiel Nikaragua: Nach ihrer eigenen Einschätzung sieht die EU die Umstände der Wahlen als sehr kritisch an und meint, dass eine Gewaltenteilung praktisch nicht existiert. In Madagaskar wird der Zustand der Rechtsprechung als ‚beängstigend‘ bezeichnet, und Gewalt gegen Frauen ist ein Problem in einer Reihe von Ländern, darunter in Bolivien, Malawi, Tansania, Sambia, Mosambik und Nikaragua, wobei die beiden zuletzt genannten Länder eine Reihe von Menschenrechtskonventionen nicht einmal unterzeichnet haben.

* Ergebnisorientierung in Bezug auf MDGs: Trotz dcr EU-Rhetorik zur Bedeutung des Kampfes gegen Armut waren weniger als 50% der analysierten Budgethilfe an diesbezügliche Indikatoren gebunden. Noch einmal nur die Hälfte dieser Hilfe ist auf die Erzielung von Ergebnissen in Sektoren wie dem Gesundheitswesen ausgerichtet. Das bedeutet, dass von den analysierten Budgethilfe-Abkommen weniger als 25% auf die Umsetzung der MDGs ausgerichtet ist.

Alliance2015

Alliance2015 ist eine strategische Partnerschaft von sechs europäischen Nichtregierungs- und Entwicklungsorganisationen (NGDOs). Aus Deutschland ist die Deutsche Welthungerhilfe vertreten; CESVI/Italien, Concern/Irland, IBIS/Dänemark, HIVOS/Niederlande und People in Need/Tschechische Republik sind die anderen Partner. Das vorrangige Ziel der Alliance2015 besteht darin, für die Erreichung der MDGs zusammenzuarbeiten. In ihren Programmländern arbeiten die Alliance2015-Mitglieder zusammen auf den Gebieten HIV/AIDS, Bildung, Notfallhilfe und seit kurzem auch Hungerbekämpfung. Auf EU-Ebene betreibt die Alliance2015 seit 2004 entwicklungspolitische Lobbyarbeit.

* Förderung der Zivilgesellschaft: In allen analysierten Länderprogrammen schätzte die EU auch die Situation der Zivilgesellschaft ein und erkennt ihre wichtige Rolle im Entwicklungsprozess an. Die Kommission schlussfolgert selbst, dass die Zivilgesellschaft nicht immer in der Lage ist, diese Rolle auszufüllen. Zusammen mit anderen Gebern hat die EU die Verpflichtung, sicherzustellen, dass die Zivilgesellschaft politisch und finanziell unterstützt wird, um sie zu befähigen, eine herausragende Rolle in allen Phasen der Entwicklungsprogramme zu spielen.

* Rechenschaftspflicht und Gewaltenteilung: Während das Europäische Parlament bei den entwicklungspolitischen Programmen der EU für die Entwicklungsländer in Asien und Lateinamerika ein Kontrollrecht hat, ist das bei den Länderprogrammen für Afrika, die Karibik und den Pazifik nicht der Fall. Da der übergroße Teil der EU-Budgethilfe in den nächsten sieben Jahren nach Afrika gehen wird, bedeutet der Mangel an parlamentarischer Kontrolle für diese Region, dass ein beträchtlicher Anteil der EU-Entwicklungshilfe ohne unmittelbare demokratische Rechenschaftslegung auf EU-Ebene vergeben werden wird.

* Unterstützung demokratischer Mechanismen: Untersucht wird in dem Bericht auch die Einbeziehung nationaler Parlamente in die Verabschiedung von Hilfsprogrammen. Manchmal scheinen Abgeordnete in der Lage zu sein, ihre Meinung über die aus Europa kommende Entwicklungshilfe zu äußern, aber das Ausmaß, in dem die EU ihnen die Stärkung oder Ausweitung ihrer Rolle erleichtert, scheint marginal zu sein. Es gibt keinerlei kohärente Strategie zur Einbeziehung der nationalen Parlamente in die Programmierung der Hilfe. Im Geiste der jüngsten Accra-Agenda, in der die Rolle der Parlamente deutlich gestärkt wird, muss dies unbedingt angegangen werden.

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Von Accra über New York nach Doha: Unter den EU-Gebern muss die Kommission sicherlich ihre Rolle spielen. Gleichwohl muss die EU insgesamt – die Kommission, die Mitgliedsstaaten und der Rat – eine politische Führungsrolle spielen, wie wir sie vor einigen Wochen auf dem erwähnten Treffen in Accra gesehen haben. Das war wirklich „Europe at its best“: Leadership, Zusammenarbeit, Ehrgeiz und Ergebnisorientierung. Angesichts des bevorstehenden UN-Gipfels erwarten wir nicht weniger. Die MDGs können nicht warten – politische Führungskraft ist jetzt ein absolutes Muss.

Birgit Dederichs-Bain ist Grundsatzreferentin bei der Deutschen Welthungerhilfe in Bonn; Olive Towey arbeitet bei Concern in Irland.

Hinweis:
* Alliance2015, The EU’s Contribution to the Millennium Development Goals. Poverty Eradication: From Rhetoric to Results, 2015watch report 5, 52 pp, Brussels 2008. Bezug: über www.alliance2015.org

Veröffentlicht: 22.9.2008

Empfohlene Zitierweise: Birgt Dederichs-Bain/Olive Towey, Der Beitrag der EU zu den Millenniumszielen. 2015-Watch-Bericht: Rhetorik oder Resultate?, Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 22.9.2008 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)