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FfD-Konferenz im Schatten der Weltfinanzkrise

Artikel-Nr.: DE20080929-Art.35-2008

FfD-Konferenz im Schatten der Weltfinanzkrise

Die Vorbereitungen auf Doha

Vorab im Web - Die US-Bankenkrise entwickelt sich mehr und mehr zu einer Krise der globalen Finanzmärkte von historischem Ausmaß. Im Schatten dieser Krise treten die Verhandlungen zur 2. UN-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung in die heiße Phase. Auf der Tagesordnung steht dort nicht zuletzt die Verbesserung der „Kohärenz und Konsistenz des internationalen Finanzsystems“. Den Stand der Vorbereitung auf die Doha-Konferenz und ihre mögliche Rolle bei der Überwindung der strukturellen Ursachen der aktuellen Finanzkrise analysiert Jens Martens.

Die Doha-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung („Financing for Development“ – FfD), die vom 29. November bis 2. Dezember 2008 in Doha, der Hauptstadt des Arabischen Emirats Katar, stattfinden wird, ist formal lediglich eine Überprüfungskonferenz der ersten FfD-Konferenz von Monterrey 2002. Aber es geht um weit mehr. Bei den Vorbereitungen in New York ist von der „3-F-Krise“ die Rede, die es zu bewältigen gilt: der Weltfinanzkrise („Finance“), der Welternährungskrise („Food“) und der globalen Energiekrise („Fuel“).

* 3-F-Krise im Mittelpunkt

Infolge der rasant gestiegenen Nahrungsmittelpreise wird die Zahl der Menschen, die in Hunger und extremer Armut leben, voraussichtlich um über 100 Millionen anwachsen. Die Ausgaben für Erdölimporte sind in Ländern wie Äthiopien, Tansania und Senegal in den letzten Jahren weit schneller gestiegen als die Zuflüsse an Entwicklungshilfe. Und die Folgen des US-amerikanischen Bankenkollapses sind für die Länder des Südens noch lange nicht absehbar.

Diese akuten Krisen verschärfen die ohnehin bestehenden Probleme der Entwicklungsfinanzierung: Jahr für Jahr verlieren die Länder des Südens nach groben Schätzungen mindestens 500 Milliarden US-Dollar durch Kapitalflucht und Steuervermeidung; die Folgen des Klimawandels werden für die Länder des Südens Zusatzkosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen; und die Wirksamkeit der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung (ODA) steht trotz Pariser Erklärung und Aktionsagenda von Accra weiter auf dem Prüfstand.

* Laue Kompromisse schon im Entwurfsstadium

In Doha werden die Regierungen mit all diesen Problemen konfrontiert sein. Wie ihre Antworten ausfallen, lässt der erste Entwurf des Abschlussdokuments erahnen, den die beiden Verhandlungsführer (im UN-Jargon „Facilitators“), die UN-Botschafter Ägyptens und Norwegens, Ende Juli 2008 vorlegten (UN Dok. A/CONF.212/CRP.1 vom 28. Juli 2008). Er bildet die Grundlage für die Verhandlungen, die in informellen Sitzungen der Generalversammlung bis Ende November stattfinden werden. Der 13-seitige Entwurf wirkt allerdings bereits wie der laue Kompromiss eines monatelangen Aushandlungsprozesses und nicht wie sein Ausgangspunkt. An vielen Stellen benennt er zwar die Probleme, verzichtet aber darauf, konkrete politische Schlussfolgerungen zu formulieren:

* So bezeichnet er die Kapitalflucht und die illegalen Finanzflüsse aus den Entwicklungsländern als gravierende Hindernisse bei der Mobilisierung heimischer Ressourcen und plädiert für eine verstärkte internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen. Er belässt es dann aber bei der Empfehlung, die Aufwertung des bestehenden Expertenkomitees der UN für Steuerfragen zu einem zwischenstaatlichen Gremium „in Erwägung zu ziehen“. Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul, zugleich Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für die Doha-Konferenz, gehen diese Vorschläge nicht weit genug. Sie plädiert dafür, in Doha einen Internationalen Pakt zur Bekämpfung von Steuerflucht ins Leben zu rufen.

* Der Entwurf registriert „besorgt“ den Rückgang der ODA in den Jahren 2006 und 2007, er appelliert dann aber lediglich an die Geberländer, nationale Zeitpläne zur Verwirklichung des 0,7-Prozent-Ziels vorzulegen. Um die Quantität, Qualität und Wirksamkeit der ODA-Flüsse besser bewerten zu können, sollten darüber hinaus die UN, Weltbank, regionale Entwicklungsbanken und OECD/DAC einen gemeinsamen Vorschlag für eine neue universelle Bemessungsgrundlage für die ODA ausarbeiten.

* Den Vorschlägen für innovative Finanzierungsinstrumente widmet der Entwurf lediglich einen Absatz. Darin begrüßt er zwar die Fortschritte, die seit der Monterrey-Konferenz, beispielsweise bei der Einführung der Flugticketabgabe, erzielt wurden, er verzichtet aber darauf, andere Vorschläge (z.B. für eine Devisen- oder Finanztransaktionssteuer) auch nur zu erwähnen. Ausdrücklich weist er allerdings auf die Zusätzlichkeit der Mittel aus innovativen Finanzierungsinstrumenten gegenüber der konventionellen ODA hin.

* Im Abschnitt zu den „systemischen Fragen“ konstatiert der Entwurf für das Abschlussdokuments einen grundlegenden Reformbedarf im Bereich der Global Economic Governance und spricht sich dafür aus, eine Weltkonferenz durchzuführen, die die internationale Finanz- und Währungsarchitektur überprüfen soll. Die Federführung für eine derartige Neuauflage der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 soll allerdings nicht bei den Vereinten Nationen, sondern beim IWF liegen.

* Die G77 kritisiert, die USA bauen vor, die EU lässt sich Zeit

Die G77 kritisierte in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Abschlussdokuments, dass die Durchführung einer solchen Konferenz durch die bestehenden Bretton-Woods-Institutionen ihr Scheitern nahezu garantieren würde. Stattdessen plädiert sie dafür, eine neue Bretton-Woods-Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu veranstalten. Insgesamt hält sie den Entwurf des Ergebnisdokuments von Doha für unausgewogen, weil er einerseits den Entwicklungsländern neue Verpflichtungen auferlege, während er die Verantwortung der Industrieländer in die unverbindlichste Sprache kleide. Der Entwurf werde der Dringlichkeit der gegenwärtigen Krise nicht gerecht.

Die Positionen von EU und USA spiegeln sich wesentlich deutlicher im Entwurf des Abschlussdokuments wider. Vor allem die USA hatten bereits im Vorfeld die Formulierung des Textes massiv beeinflusst. Die EU agierte unter französischer Präsidentschaft bisher unerwartet schwach. Eine gemeinsame Position zur Doha-Konferenz soll erst am 11. November verabschiedet werden – zu einem Zeitpunkt, an dem die Verhandlungen in New York schon weitgehend abgeschlossen sein sollen.

Mit politischen Initiativen tat sich der französische Präsident Sarkozy eher außerhalb des Vorbereitungsprozesses zu Doha hervor. Als Antwort auf die akute Weltfinanzkrise plädierte er vor der UN-Generalversammlung am 23. September dafür, noch vor Ende des Jahres ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs aus den Ländern, die von der Krise am meisten betroffen sind, durchzuführen. Im Kern ist das für ihn die G13, d.h. die G8 plus China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika. Würden sich diese Länder darauf einlassen, einen solchen Gipfel außerhalb der UN durchzuführen, würde dies den Stellenwert der Doha-Konferenz und damit der UN insgesamt schwächen.

Würden die Regierungen umgekehrt die Doha-Konferenz als Forum zur politischen Bearbeitung der globalen Finanzkrise nutzen, könnten von ihr tatsächlich Impulse für die Neugestaltung des internationalen Systems der Entwicklungsfinanzierung im Interesse der Länder des Südens ausgehen. Darüber besteht zumindest unter zivilgesellschaftlichen Organisationen Konsens. Ein breites Bündnis aus über 60 NGOs und internationalen Netzwerken von Action Aid über den International Gewerkschaftsbund (ITUC) bis zum Weltkirchenrat fordert in einem gemeinsamen „Benchmark“-Papier und darauf basierenden Kernempfehlungen von den Regierungen in Doha ein Paket konkreter und überprüfbarer Maßnahmen, um die gegenwärtigen systemischen Schwächen des Weltfinanzsystems zu überwinden.

Veröffentlicht: 30.9.2008

Empfohlene Zitierweise: Jens Martens, FfD-Konferenz im Schatten der Weltfinanzkrise, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, Nr. 10/Oktober 2008 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)