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Regulierung als konservative Tarnkappe

Artikel-Nr.: DE20080814-Art.-23-2008

Regulierung als konservative Tarnkappe

Verstaatlicht Fannie und Freddie!

Nur im Web – Viele Linke glauben inzwischen, dass das Zeitalter Milton Friedmans sich dem Ende zuneigt. Ihre Hoffnung besteht darin, dass die derzeitige Finanzkrise die Kosten und Gefahren unzureichend regulierter Märkte demonstriert und so die Antiregulierungsphilosophie von Friedman und seinen Chicago-Boys diskreditiert hat. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Ein Kommentar von Thomas Palley.

Als Beleg für die sich ändernden Zeiten gilt, dass Finanzminister Paulson und Fed-Chef Bernanke die Notwendigkeit einer Veränderung des Regulierungssystems öffentlich zugegeben haben. Doch die konservativen Ökonomen wechseln nicht einfach das Lager oder kapitulieren, nur wegen einer Finanzkrise. Stattdessen werden sie aller historischen Erfahrung nach die Regulierung selbst für die Krise verantwortlich machen. Das war die Verfahrensweise von Milton Friedman, als er die moderne Ära der Deregulierung und Regierungsfeindschaft mit der falschen Behauptung einläutete, die Fed habe die Große Depression verursacht.

* Erprobte konservative Taktik

In der Debatte um Fannie Mae und Freddie Mac, die beiden großen Immobilien-Finanzierungsinstitute, taucht diese erprobte konservative Taktik bereits wieder auf. Die konservative Argumentation lautet, dass die Gewährung impliziter Garantien für Fannie und Freddie durch die Regierung den Markt verzerrt hat und eine faktische Subventionierung darstellt. Implizit wird behauptet, dies habe sie in die Lage versetzt, die Immobilienblase zu schaffen, während sie gleichzeitig die dominierenden Player auf dem Markt verbriefter Darlehen gewesen seien.

In der konservativen Taktik dienen Fannie und Freddie als Tarnkappen, indem sie zu den bösen Buben der finanziellen Exzesse gemacht werden, während in Wirklichkeit die unzureichende Regulierung und die falsche makroökonomische Politik verantwortlich waren. Dabei ist die Unterstellung, dass Fannie und Freddie die Haupttriebkräfte bei den Immobilienexzessen der Jahre 2004-2006 waren, schlicht falsch. Dies schon deshalb, weil Fannie und Freddie seit 2003 ein nur begrenztes Wachstum ihrer Anlagen aufwiesen, wobei die von Fannie nach 2003 sogar deutlich fielen.

Mehr noch – die Wurzeln der Krise liegen im Markt für minderwertige Kredite, auf dem Darlehen ohne Dokumente und zum Nulltarif vergeben wurden, auf dem die Zahl der Kreditgeber explodierte, wo die Verluste begannen und bis heute das Gros der Verluste angesiedelt ist. Doch Fannie und Freddie ist es aufgrund ihrer Satzung verboten, solche Finanzprodukte zu finanzieren.

Diese Tatsachen sollten klar machen, dass Fannie und Freddie die Krise nicht verursacht haben. Die treibenden Kräfte waren vielmehr die lockere und leichtsinnige Vergabepraxis der Banken und die Wall Street. Dieses Verhalten wurde durch einen Mangel an regulatorischer Aufsicht bewirkt, in Kombination mit einem verfehlten Anreizsystem, das Manager und Immobilienbroker für aufgedrängte Kredite mehr belohnte als für seriöse Darlehen.

Die Aufdrängung von Krediten wurde durch die konservative Feindschaft gegenüber Fannie und Freddie sogar gefördert, da so die Wall Street dazu ermutigt wurde, sich in deren Geschäft einzumischen. Deshalb hat sich auch die Bush-Administration darum bemüht, der Anlagepraxis von Fannie und Freddie regulatorische Grenzen zu setzen. Anders als für Fannie und Freddie gelten indessen für die Wall Street keine rechtlichen Restriktionen in Bezug auf die Kreditqualität und die Subprime-Praktiken.

* Verfehlte Wachstumspolitik und lockere Kreditvergabe

Die Ursprünge der Blase liegen in einer Kombination aus einem verfehlten wirtschaftlichen Wachstumsparadigma, das die Fed dazu bewog, die Zinssätze für zu lange Zeit zu niedrig zu halten, und der lockeren Vergabepraxis der Banken und der Wall Street. Diese Kombination wirkte wie eine enorme „externe Strafe“ für Fannie und Freddie und trieb auch die Hauspreise in dem normalerweise seriösen Darlehensmarkt nach oben, in dem die beiden engagiert sind. Konsequenterweise wurden auch sie durch die Implosion der Blase getroffen.

Im Endeffekt hatten Fannie und Freddie mit der Immobilienblase wenig zu tun. Dennoch werfen die Konservativen legitime Fragen nach der Organisation des Markts für Immobilienkredite auf. Die implizite staatliche Garantie für Fannie und Freddie hat dazu beigetragen, die Kosten der Hausfinanzierung zu senken und damit Hauseigentum für Millionen möglich zu machen. Im Ergebnis hat die Regierung Kredite für einen Teil der Öffentlichkeit erschwinglicher gemacht, was gut ist. Andererseits wurden Fannie und Freddie so zu dominanten Akteuren auf dem Markt für verbriefte Immobilienkredite.

Das führt zu der Schlussfolgerung, dass es – zusätzlich zu einer strafferen Regulierung der Immobilienkredite – Grund zur Nationalisierung von Fannie und Freddie gibt, die eine natürliche Monopolstellung haben. Das liefe auf das Gegenteil der konservativen Argumentation hinaus, die die Notwendigkeit strikterer Regulierung ablehnt und Fannie und Freddie am liebsten abschaffen möchte. Im Ergebnis würde Wall Street unreformiert bleiben und das Hauseigentum teurer werden, indem der Zugang zu den durch staatliche Unterstützung verbilligten Krediten abgeschafft würde.

Dr. Thomas I. Palley lebt als Ökonom in Washington DC (www.thomaspalley.com) und war u.a. für die AFL/CIO, das Open Society Institute und die US-China Economic and Security Review Commission tätig.

Veröffentlicht: 14.8.2008

Empohlene Zitierweise: Thomas Palley, Regulierung als konservative Tarnkappe, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 14.8.2008 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)