Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Was der Süden von Obama (nicht) erwarten kann

Artikel-Nr.: DE20080827-Art.-28-2008

Was der Süden von Obama (nicht) erwarten kann

Hoffnung klingt anders

Vorab im Web - Die Debatte darüber, wie viel – oder wie wenig – ein Wahlsieg Barack Obamas an der US-Außenpolitik ändern würde, konzentriert sich in der Regel auf den Nahen und Mittleren Osten. Nicht nur dort, auch im Verhältnis zu Afrika und Lateinamerika schwinden die Hoffnungen auf einen Neuanfang. W&E hat sich bei progressiven Think Tanks umgehört, wie die Aussichten auf eine neue Nord-Süd-Politik unter einem Präsidenten Obama bewertet werden.

Sicher hätte Obama die Chance zu einer neuen Lateinamerika-Politik. Doch wird er sie wahrnehmen? „Bisher gibt es wenig Anzeichen dafür“, meint Mark Weisbrot vom Center for Economic and Policy Research (CEPR) in Washington. „Obama legt gegenüber Venezuela dieselbe feindliche Rhetorik wie die Konservativen an den Tag, hat versprochen, das Embargo gegen Kuba aufrecht zu erhalten, und unterstützte sogar den kolumbianischen Überfall auf Ecuador vom 1. März. Letzteres war eine Verletzung der Souveränität und eine gefährliche Regionalisierung des Kolumbienkonflikts, von der Bush-Administration unterstützt, doch von fast jeder Regierung in der Hemisphäre zurückgewiesen.

* Konservative Lateinamerika-Rhetorik

Vor dem Hintergrund dieser Statements bietet auch die ausdrückliche Bereitschaft Obamas, sich möglicherweise mit Hugo Chavez und Raul Castro zu treffen, wenig Anlass zum Optimismus, und in der Tat gibt es unter den lateinamerikanischen Diplomaten hier in Washington wenig Hoffnung auf Veränderung. Natürlich wissen auch die lateinamerikanischen Regierungen, dass die Rhetorik einer US-Präsidentschaftskampagne Rücksicht auf die rechten kubanischen Amerikaner in Florida nehmen muss. Und wenn es 800.000 amerikanische Wähler gäbe, die glaubten, dass Elvis Presley noch am Leben wäre, würden wir die eine oder andere Wahlkampfrede hören, die auch solche exzentrischen Sichtweisen anruft. So scherzt Obama nur, wenn er in Sachen Lateinamerika die Rhetorik und die Standpunkte der Bush-Administration übernimmt? Zumindest bisher ist das jedenfalls die beste Hoffnung, der wir uns hingeben können.“

Obama als nächster US-Präsident? „Wegen seiner afrikanischen Wurzeln begegnet man dieser Möglichkeit in Afrika mit Euphorie und Enthusiasmus,“ sagt Achille Mbembe von der Universität Witwatersrand in Südafrika. „Teilweise sind derlei Erwartungen Ausdruck von rassischem Stolz, teilweise aber auch einfach irrational und unrealistisch.

* Ideologisch gefärbte Afrika-Politik

Washington sieht Afrika entweder durch das Prisma der natürlichen Ressourcen des Kontinents und der Konkurrenz um die Vorteile aus seiner Ausbeutung oder – öfter noch – als Objekt humanitärer und (seit dem 11. September 2001) auch militärischer Ziele. Obama hat sich seit Beginn seiner Kampagne wenig zu Afrika geäußert. Er mag derlei Zynismus nicht unterstützen, aber er hat auch keine Bereitschaft signalisiert, deutlich von dieser antiquierten Sicht abzurücken, die der US-Politik seit dem Ende des Kalten Krieges zugrunde liegt. Im Gegenteil: Mit Hilfe seiner Afrika-Spezialistinnen Susan Rice und (bis zu ihrem Rücktritt) Samantha Power hat er sich für ein Engagement auf dem Kontinent gewählt, das ideologisch gefärbt und eng an nationalen Sicherheitsinteressen der USA ausgerichtet ist.

Im Falle seiner Wahl hat Obama die Verdoppelung der US-Auslandshilfe auf 50 Mrd. US-Dollar bis 2012 versprochen. Diese zur Unterstützung gescheiterter Staaten und nachhaltigen Wachstums in Afrika genutzt werden, um Krankheiten zurückzudrängen und die globale Armut zu halbieren. Doch traditionelle Entwicklungshilfe ist keine Antwort auf die Missstände des Kontinents. Seit 1960 hat Afrika das Äquivalent von über sechs Marshall-Plänen bekommen. Doch die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen stagnieren oder verschlechtern sich.

Afrika würde von einer Präsidentschaft Obamas profitieren, wenn mehr Ressourcen in langfristige Infrastrukturprojekte, in die Landwirtschaft und in das Gesundheitswesen, in die Handelsförderung, die Beseitigung von Hindernissen für private Investitionen, die Entwicklung des Kreditsektors und die Organisationen der afrikanischen Zivilgesellschaft fließen würden und die USA ihre Märkte für afrikanische Exporte öffnen würden.

Die USA allein werden nicht alle Investitionen tätigen können, die für die Überwindung der wirtschaftlichen Probleme des Kontinents gebraucht werden. Doch Obama könnte die Unterstützung der US-Öffentlichkeit für Afrika deutlich stärken und die Basis für das US-Engagement auf dem Kontinent verbreitern.“

* Beispiel Irak: Schwindende Differenzen zu McCain

Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Obama und dem wahrscheinlichen konservativen Präsidentschaftskandidaten John McCain bestand darin, dass Obama sich gegen die US-Invasion in den Irak gestellt hat. Er und seine Unterstützer haben richtig argumentiert, dass in der Außenpolitik Urteilsfähigkeit mehr zählt als bloße Erfahrung. Das war in der Auseinandersetzung mit Hilary Clinton, die in Sachen Irak McCain unterstützte, wahrscheinlich das entscheidende Argument.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Ernennung von Joseph Biden zum Stellvertreter Obamas für viele seiner friedensbewegten Unterstützer schlicht wie Verrat. So auch für Stephen Zunes von der Universität San Franzisco und Foreign Policy In Focus in Washington: „Der Veteran und Senator aus Delaware war im Kongress einer führenden Unterstützer der Militarisierung des Nahen und Mittleren Ostens sowie Osteuropas, strikter Wirtschaftssanktionen gegen Kuba und der israelischen Besatzungspolitik. Bezeichnender noch ist, dass Biden als Vorsitzender des Senatsausschusses für Auswärtige Beziehungen im Vorfeld des Irakkrieges im zweiten Halbjahr 2002 vielleicht der wichtigste einzelne Kongressabgeordnete war, der die Entscheidung der Bush-Administration zur Invasion dieses ölreichen Landes unterstützte.

Indem Obama Biden wählt, sagt er im Grunde genommen, dass die außenpolitischen Unterschiede zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten nicht wirklich wichtig sind. Besonders besorgniserregend ist, dass die Ernennung eines Falken aus der eigenen Partei darauf hinweist, welche außenpolitischen (Personal-)Entscheidungen Obama als Präsident fällen wird.

Es ist Bidens Schlüsselrolle bei der Autorisierung der US-Invasion durch den Kongress im Jahre 2003, die unter Obamas Unterstützern die größte Sorge hervorruft. Zwar äußerte er in jüngster Zeit Bedauern über sein Abstimmungsverhalten, doch formell entschuldigt hat er sich nicht. Stattdessen kritisiert er die Art und Weise der Besatzungspolitik Bushs, aber nicht die Illegitimität der Invasion selbst. Dabei war Bidens Unterstützung der Kongress-Resolution nicht einfach eine Fehlentscheidung, sondern eine bewusste Entscheidung gegen die UN-Charta und andere internationale Dokumente, die Angriffskriege untersagen.

Angesichts des gefährlichen Präzedenzfalles, der mit der Irakkrieg-Resolution geschaffen wurde, wirft die Ernennung eines ihrer Hauptunterstützers zum möglicherweisen nächsten Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten ernsthafte Fragen in Bezug auf das Verhältnis von Senator Obama zum internationalen Recht auf. Und dies zu einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft so verzweifelt darauf hofft, dass nach acht Jahren Bush eine verantwortungsvollere US-Außenpolitik folgt.

Am Beginn seiner Präsidentschaftskampagne versprach Obama, nicht nur den Krieg im Irak zu beenden, sondern auch die Denkweise herauszufordern, die die Vereinigten Staaten vor allem in den Irak gebracht hat. Die Wahl Bidens lässt indessen Zweifel aufkommen, wie Ernst Obamas aktuelles Bekenntnis ‚Wandel, an den wir glauben können‘ gemeint ist."

Veröffentlicht: 27.8.2008

Empfohlene Zitierweise: Was der Süden von Obama (nicht) erwarten kann. Hoffnung klingt anders, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Nr. 09, Luxemburg, September 2008 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).