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Wieder aktuell: Die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline

Artikel-Nr.: DE20080812-Art.-25-2008

Wieder aktuell: Die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline

Wieder aktuell ? Bei Gästen freut man sich zweimal: einmal, wenn sie kommen, und einmal, wenn sie wieder gehen. Bei diesen Gästen aber wird die zweite Freude lange auf sich warten lassen. Das vertragliche Rahmenwerk der längsten (1760 km) und teuersten (ca. 3 Mrd. US-Dollar) Ölpipeline der Welt, hat eine Laufzeit von 40 Jahren mit einer Option auf weitere 20 Jahre. Die Pipeline soll vom aserbaidschanischen Baku über das georgische Tiflis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan verlaufen. Ein Bericht von Mathias Polak.

Das Projekt wird von einem internationalen Konsortium unter der Führung von BP vorangetrieben. Neben BP (30,1% der Anteile) gehören dazu folgende Unternehmen: SOCAR (Aserbaidschan; 25%), Unocal (8,9%), Statoil (8,71%), Turkish Petroleum (6,53%) , TotalFinaElf (5%), Agip (5%), Itochu (3,4%), Conoco Phillips (2,5%), INPEX (2,5%) und Delta Hess (2,36%). Ihr Projekt stellt einen wichtigen Baustein in der amerikanischen Strategie zur Diversifizierung der Ölversorgung dar. Durch die Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC)-Pipeline soll das kaspische Öl auf die Weltmärkte gelangen und mit dazu beitragen, die Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten zu mindern. Die Streckenführung wurde vorrangig unter politischen Gesichtspunkten und nicht unter ökonomischen ausgewählt. Die deshalb gewählte Strecke wirft zahlreiche ökologische Probleme auf und verläuft durch oder in der Nähe von Konfliktregionen. Die Länge der Pipeline sowie die geographische Beschaffenheit des Gebietes, machen sie zu einem äußerst teuren Prestigeobjekt der neuen amerikanischen Geopolitik.

* Host Government-Abkommen

Die BTC-Pipeline stellt die größte Direktinvestition in der Geschichte der drei Transitländer Türkei, Georgien und Aserbaidschan dar. Ein dementsprechend großes Interesse hat das Konsortium an langfristiger Rechts- und Planungssicherheit. Um diese zu gewährleisten, wurden mit den betroffenen Regierungen sog. Host Government-Abkommen (HGAs) abgeschlossen, an denen sich die Kritik lokaler und internationaler NGOs entzündet. Derartige Abkommen, die gängige Praxis bei großen Direktinvestitionen von TNCs in Entwicklungs- und Schwellenländern sind, geben einen Vorgeschmack darauf, was von einem internationalen Investitionsabkommen in der WTO zu erwarten ist. Die HGAs zur BTC-Pipeline legen nicht nur den allgemeinen Rahmen des Projektes fest, sie sollen die Konzerne auch vor Enteignung oder ungerechtfertigten Steuererhöhungen schützen. In der Hierarchie der Rechtsnormen stehen sie deshalb über den nationalen Gesetzen und haben über sich nur die jeweilige Verfassung. Sie stellen eine Form von "internationalisierten Verträgen" dar, weil sie zwar zwischen souveränen Regierungen und einem Unternehmen abgeschlossen wurden, aber nicht der nationalen Rechtsprechung unterliegen. Streitigkeiten werden nicht vor türkischen oder georgischen Gerichten verhandelt, sondern vor einer internationalen Schiedsinstanz, die mit der Weltbank verbunden ist (dem International Centre for the Settlement of Investment Disputes - ICSID). Zusätzlich wurde zwischen den drei betroffenen Ländern noch ein Intergovernmental Agreement (IGA) abgeschlossen, in dem ebenfalls Grundregeln des Projektes festgelegt werden.

Wesentliches Merkmal dieser Abkommen ist, daß sie nur einseitig und zwar nur vom BTC-Konsortium kündbar sind. Die Unterzeichnerstaaten sind für die nächsten 40 Jahre an die HGAs gebunden. Besonders schwer wiegt die extrem lange Vertragsdauer, weil die Regierungen zugesagt haben, daß neu erlassene Gesetze nicht auf das Projekt angewendet werden, wenn sie dessen Gewinn schmälern würden. Das sog. ökonomische Equilibrum muß erhalten bleiben und bei Verletzung dieser Klausel muß der Pipelinebetreiber entschädigt werden. Für die nächsten 40 Jahre wird die BTC-Pipeline damit von allen Veränderungen der Umwelt- und Sozialgesetzgebung ausgenommen sein.
Doch auch unter heutigen Bedingungen bieten die HGAs äußerst vorteilhafte Bedingungen für BP und die anderen internationalen Konzerne. So werden dem Konsortium im georgischen Abkommen z. B. unbegrenzte Wassernutzungsrechte ohne Zahlungsverpflichtungen zugestanden und in allen drei HGAs finden sich weitreichende Steuerausnahmen, von denen die Unternehmen profitieren.

* Souveränität abgegeben

Ein weiterer Kernpunkt der HGAs ist die Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit der kompletten Pipeline an die jeweiligen Staaten. Dabei fallen in die Verantwortung der Regierungen auch eine Reihe von Gefahren, die in westlichen Ländern als höhere Gewalt definiert würden, wie z. B. terroristische Anschläge, politische Unruhen und Revolutionen. In Staaten mit ethnischen Konflikten, wie in den drei betroffenen Ländern, ist eine solche Klausel äußerst gefährlich. Mit der Verantwortung für die Sicherheit der Pipeline wird den Regierungen, die in der Vergangenheit regelmäßig durch Menschenrechtsverletzungen aufgefallen sind, ein Hebel in die Hand gegeben, mit dem sich jede Verschärfung im Bereich der inneren Sicherheit rechtfertigen läßt. In Aserbaidschan wurden Gegner des Projektes bereits von der Regierung schikaniert und als pro-armenisch diffamiert. In Georgien wurden zur Überwachung der BTC-Pipeline mehrere Luftüberwachungssysteme bei der amerikanischen Firma Northrop Grumman Corp. erworben. Der Sicherheitsartikel in den HGAs gibt den Regierungen einen Blankoscheck zur Aufrüstung und zur Unterdrückung der Opposition.

Ein bemerkenswerter Punkt im Vertragswerk des Projektes (Art. 2) ist die explizite Festschreibung, daß die Pipeline nicht mit dem Ziel gebaut wird, dem Allgemeinwohl zu dienen ("... is not intended to operate in the service of public benefit or interest..."). Obwohl dies allen Behauptungen der Regierungen und von BP widerspricht, die die Pipeline stets als Entwicklungschance für die Region anpreisen, war es aus juristischen Gründen notwendig, diese entlarvende Formulierung aufzunehmen. Dadurch, daß auf das Projekt angewandte neue Gesetze mit dem Konsortium abgesprochen werden müssen, entsteht für die Pipeline ein quasi rechtsfreier Raum. Die nationalstaatliche Gesetzgebung kann dort nur noch mit der Zustimmung der Betreiber wirksam werden, oder aber die Regierung muß BP und Partner für den Gewinnausfall entschädigen. Damit geben die Staaten auch alle Möglichkeiten aus der Hand, ihre Bürger durch verbesserte Umwelt- und Sozialgesetzgebung zu schützen. Die Abgabe dieser Kompetenz (juristisch als Ermessensspielraum bezeichnet) könnte bei einem Projekt, das im öffentlichen Interesse durchgeführt wird, von jedem lokalen Gericht angezweifelt werden und die Verträge damit für ungültig erklärt werden. Durch die oben beschriebene Klausel umgeht das Konsortium diese Gefahr. Dem widerspricht allerdings die Enteignungspraxis auf dem türkischen Teil der Strecke. Dort wurde von den Anwohnern gefordert, die Rechte an ihrem Land zu Festpreisen zu verkaufen. Diese Praxis ist nur dann mit der türkischen Verfassung in Einklang zu bringen, wenn die Enteignung für das Allgemeinwohl erforderlich ist.

* Ökonomisch unrentabel

Die juristischen Widersprüche in dem Vertragswerk sind keinesfalls zufällig. Die HGAs wurden mit dem Ziel geschaffen, möglichst vorteilhafte Bedingungen für den Betrieb einer ökonomisch unrentablen und ökologisch bedenklichen Pipeline festzuschreiben, die den geostrategischen Plänen der amerikanischen Regierung entsprungen ist. Die Beugung nationalen Rechts und die direkten Folgen der Abkommen wie die Untergrabung der staatlichen Souveränität der drei Länder und die Militarisierung einer höchst instabilen Region werden dabei in Kauf genommen.

Aufgrund der Kritik von Nichtregierungsorganisationen sahen die beteiligten Regierungen und das Konsortium sich gezwungen, die Einhaltung internationaler Regeln und Standards zuzusagen. Ähnliches hatte BP allerdings auch zuvor schon verlauten lassen, ohne daß dies den Bruch nationaler Gesetze und Repressionen an KritikerInnen verhindert hätte.

Veröffentlicht: 12.8.2008

Empfohlene Zitierweise:
Mathias Polak, Die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline. Wie die Geopolitik der USA abgesichert wird, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, Nr. 06/Juni 2003 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

Weitere Infos:
>> Explosion along the BTC Pipeline confirms civil society concerns
>> Oil steady despite conflict (BBC Video)