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Doing-Business-Bericht im verflixten siebten Jahr

Artikel-Nr.: DE20090909-Art.38-2009

Doing-Business-Bericht im verflixten siebten Jahr

Deregulierung 2.0

Vorab im Web – Zum siebten Mal ist kürzlich der Doing-Business-Bericht der Weltbank und ihrer Tochter IFC (International Finance Corporation) erschienen (s. Hinweis). Der Bericht misst – grob gesagt – im weltweiten Vergleich den bürokratischen Aufwand, der im Lebenszyklus von Unternehmen anfällt. Er gilt als Flaggschiffpublikation der Weltbank, war aber wegen seiner auf weitgehende Deregulierung ausgerichteten Konstruktion von Anfang an scharfer Kritik ausgesetzt. Jetzt steht der Bericht am Scheideweg, meint Christian von Drachenfels.

Zum Hintergrund: Der Bericht präsentiert für 183 Länder die Kosten, die Unternehmen durch Regulierungen entstehen, und zwar anhand von zehn Indikatoren: Unternehmensgründung und -schließung, Beschäftigung von Arbeitnehmern, gerichtliche Vertragsdurchsetzung, Zugang zu Krediten, Erlangung von Baugenehmigungen, Registrierung von Eigentum, Steuerentrichtung sowie grenzüberschreitender Handel und Schutz von Investitionen. Die Daten werden aus Gesetzestexten und Regulierungen mit Hilfe von lokalen Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen erhoben.

* Objektiv und fokussiert?

Gegenüber anderen Investitionsklimaanalysen hat der Bericht drei Stärken:
* Betonung der Relevanz von Unternehmensregulierung. Die Bedeutung dieser „rules of the game“ als Anreizsystem für Unternehmen ist zunehmend erkannt worden, und es ist Konsens, dass Überregulierung Unternehmertum stark behindern kann.
* Präsentation objektiver, vergleichbarer Daten durch Verwendung eines fiktiven Modellunternehmens, anhand dessen gesetzliche Vorgaben und Anforderungen im jeweiligen Land erfasst werden. Dies schließt die Lücke zu Investitionsklimaanalysen, die durch Umfragen subjektive Meinungen zu Produktionsbedingungen im jeweiligen Land erfassen.
* Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen, von denen in vielen Ländern die größten Beschäftigungseffekte und Innovationen ausgehen.

Konzentration auf einen möglichen Erklärungsfaktor wirtschaftlicher Entwicklungsunterschiede, Sammlung objektiver Daten und Fokus auf die lokalen Unternehmen – so viel kann der Doing-Business-Bericht doch gar nicht falsch machen? Würde er wohl auch nicht, wenn die Autoren frühzeitig klar gemacht hätten, dass bei der Unternehmensregulierung ein race to the bottom nicht der Schlüssel für wirtschaftliche Entwicklung ist und sie davon abgesehen hätten, gewagte Thesen aus dem Bericht abzuleiten und damit immense Erwartungen zu schüren.

* Kritikpunkte

Man kann die Kritik an dem Bericht in drei Punkten zusammenfassen:

* Bei sieben von zehn Indikatoren wird weniger Regulierung positiv gewertet. Dies befeuert ein race to the bottom, wobei eben eine klare Absage an ein solches im Bericht fehlt. Im Bereich des Arbeitsrechts stehen z.B. die Länder an der Spitze der Rangliste, die am wenigsten regulieren. Im neusten Bericht Australien, die USA, aber auch Brunei und Palau. Hier wurde scharfe Kritik von der ILO und internationalen Gewerkschaften geübt, vor allem wenn Länder sehr gut abschnitten, in denen Arbeitnehmerrechte vollkommen unzureichend verankert sind. Es ist fragwürdig, warum Länder nur Spitzenwerte erreichen können, wenn Arbeitnehmer z.B. maximal einen Urlaubsanspruch von 21 Tagen im Jahr haben und ihnen nach 20-jähriger Firmenzugehörigkeit maximal eine Kündigungsfrist von acht Wochen zusteht. Dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf für beide Seiten akzeptable Konditionen einigen sollten, da es gute Argumente dafür gibt, dass dies die Produktivität maximiert, wird ausgeklammert.

Kuriose Liste: Die Top-10-Reformer

1Runda
2Kirgisien
3Mazedonien
4Belarus
5Vereinigte Arabische Emeriate
6Moldavien
7Kolumbien
8Taschikistan
9Ägypten
10Liberia
Quelle: Doing Business 2010

* Die Berichte sind voll von gewagten Thesen zum Zusammenhang von Deregulierung und wirtschaftlicher Entwicklung. So sei in Ländern, in denen stärker reguliert wird, die Produktivität und das Unternehmertum geringer, hingegen die informelle wirtschaftliche Tätigkeit, die Korruption und die Arbeitslosigkeit von Frauen höher. Es ist unbestritten: Überregulierung ist Gift für die Privatsektorentwicklung, aber die og. Phänomene erklären sich erst in der komplexen, länderspezifischen Zusammenschau verschiedenster Faktoren. Diese Komplexität wird in nicht vertretbarer Weise durch den Bericht reduziert.

* Für Regierungen und andere Akteure ist benchmarking anhand der Rangliste zwar reizvoll, aber keinesfalls eine verlässliche Orientierung in Bezug auf Reformbaustellen. Ergebnisse von Reformen sind nicht so leicht prognostizierbar wie dies teilweise suggeriert wird. So hieß es 2005 z.B., dass der Sprung eines Landes vom unteren Viertel ins obere Viertel der Rangliste einen BIP-Wachstumseffekt von mehr als 2% haben würde. Der diesjährige sog. „Topreformer“ Ruanda ist in zwei Jahren von Rang 148 auf 67 gesprungen – es darf bezweifelt werden, dass es Ruanda gelingt, die durchschnittlichen 6% BIP-Wachstum der letzten Jahre nochmals deutlich zu steigern. Erneut stellt sich hier auch die Frage der schwierigen Zuordnung in komplexesten Wirkungsketten, die im Bericht leider zu selten hervorgehoben wird.

Diese Kritikpunkte fanden sich 2008 auch in einer internen Evaluierung des Berichts durch die Weltbank. Diese zeigte letztes Jahr erste Wirkungen. Es wurde verstärkt darauf hingewiesen, dass eine umfassendere Analyse zur Identifikation sinnvoller Reformen für wirtschaftliche Entwicklung notwendig sei. An den Indikatoren wurde jedoch wenig bis gar nichts geändert. Daher war es nicht verwunderlich, dass seitdem z.B. von Gewerkschaften weiterhin scharfe Kritik am Indikator für das Arbeitsrecht geübt wurde. Im April 2009 wurde dann angekündigt, dass man hier Reformen vornehmen würde. Anscheinend erfolgte diese Reaktion vor allem, weil es Druck seitens des US-Financial Services Committee gab. Dessen Vorsitzender Barney Frank traf sich in der Sache zu direkten Gesprächen mit Robert Zoellick und Dominique Strauss-Kahn. Beim IWF gab es die Anweisung, den Arbeitsrecht-Indikator nicht mehr für Länderanalysen etc. zu verwenden. Kritischen Beobachtern der internationalen Finanzinstitutionen zufolge, soll als Druckmittel auch eine Zurückstellung von Zahlungen seitens der USA an die Weltbank gedient haben.

* Politik des „Weiter so“

Mit dem Erscheinen des neusten Reports ist nun klar: Deutlicher als zuvor wird auf die Limiterungen des Berichts hingewiesen. Bei der Konstruktion des Arbeitsrecht-Indikators hat es Veränderungen gegeben. Angesichts der oben dargestellten Schwellenwerte muss man allerdings eindeutig feststellen, dass hier nach wie vor das Zielsystem eines stark liberalisierten Arbeitsmarktes aufgezeigt wird. Hierfür gibt es keine global gültigen wissenschaftlichen Belege. Der Bericht verfolgt ein liberales Leitbild – dies ist grundsätzlich nicht schlimm, es wird allerdings dann problematisch, wenn dabei dem Leser eindeutige Zusammenhänge und vermeintlich wissenschaftlich objektiv feststellbare Reformrichtungen suggeriert werden.

Es bleibt dabei: Nachdem die Deregulierung auf Makroebene erfolgt ist, schlägt der Doing Business-Bericht selbige für die Mikroebene vor, sozusagen als Deregulierung 2.0 – der noch fehlende Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung. Das entspricht dem angelsächsischen Paradigma des möglichst freien Marktes, klammert dabei aber erfolgreiche wirtschaftspolitische Leitbilder aus Asien und Europa aus. Die Autoren haben sich entschieden, das verflixte siebte Jahr durchzustehen und mehr oder weniger so weiter zu machen wie bisher. Der Report wäre hilfreicher und lesenswerter, wenn er behutsamer argumentieren und versuchen würde, sinnvolle Regulierung von überbordender Bürokratie zu unterscheiden und sich damit an der schwierigen Suche nach besserer und nicht weniger Regulierung zu beteiligen.

Christian von Drachenfels ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, Bonn.

Hinweis:
* World Bank Group, Doing Business 2010: Reforming through Difficult Times, 230 pp, World Bank/IFC/Palgrave MacMillan: Washington DC 2009. Bezug: über www.doingbusiness.org

Veröffentlicht: 7.9.2009

Empfohlene Zitierweise: Christian von Drachenfels, Doing-Business-Report im verflixten siebten Jahr: Deregulierung 2.0, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E 09/September 2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).