Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Hauptdestination Afrika: Die neue Landnahme

Artikel-Nr.: DE20090123-Art.04-2009

Hauptdestination Afrika: Die neue Landnahme

Ernährungssicherheit oder Agrarkolonialismus?

Vorab im Web - Um die nationale Nahrungsmittelversorgung zu sichern, setzen Regierungen und private Unternehmen, vor allem aus Asien und den Golfstaaten, zunehmend auf neue große Agrarprojekte in anderen Ländern. Hintergrund dieser Landnahme, die durch internationale Finanzinstitutionen gefördert wird, sind zum einen die Preisschocks bei Grundnahrungsmitteln, zum anderen die Suche von Investoren nach neuen profitablen Anlagemöglichkeiten. Ein Bericht von Uwe Hoering.

Der Vertrag, den der südkoreanische Daewoo-Konzern im Juli 2008 mit Madagaskar abschloss, machte Schlagzeilen: Das Unternehmen pachtet 1,3 Mio. Hektar, die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Insel, um Mais und Palmöl anzubauen. Nach Regierungsangaben handelt es sich dabei um „völlig unentwickeltes“ Land, für das das Unternehmen bestenfalls einen symbolischen Preis zahlt. Stattdessen hat es versprochen, in Straßen, Bewässerung und Vorratsspeicher zu investieren. Mit dem Projekt will Südkorea, der viertgrößte Maisimporteur, seine Abhängigkeit vom Weltmarkt verringern.

* Großeinkauf von Land

Erst war es die Energiekrise und der Run auf Agrartreibstoff, jetzt die Preisentwicklungen bei Nahrungsmitteln, die dazu führen, dass zahlreiche Unternehmen, Investmentfirmen und Pensionsfonds die Landwirtschaft entdeckt haben. Nach einem Bericht der Financial Times plant die Al-Quadra Holding, eine Investmentfirma mit Sitz in Abu Dhabi, bis Ende dieses Jahres 400.000 Hektar Land in Afrika und Asien kaufen. Das britische Unternehmen Cru Investment Management handelt mit privaten Investitionen in die Landwirtschaft in Afrika und verspricht Erträge von 30-40%, das US-Unternehmen BlackRock legte einen Hedgefonds Landwirtschaft auf. Der schillerndste Fall ist das Abkommen des US-amerikanischen Investmentbankers Philippe Heilberg mit Paulino Matip, einem Warlord im Südsudan, über 4.000 km2 Land – ein Deal, der an die koloniale Landnahme in Afrika erinnert.

Wegbereiter für private Investoren sind vielfach die nationalen Regierungen, die durch den Aufbau einer Off-shore-Nahrungsmittelproduktion die „Ernährungssicherheit“ verbessern wollen. Die Liste der Länder, die über bilaterale Vereinbarungen, Investitionsabkommen, Freihandelsvereinbarungen und Entwicklungszusammenarbeit Investitionen in Agrarprojekte vorantreiben, reicht von Japan, Korea und China über Indien und die Golfstaaten bis Libyen, das sich in der Ukraine im Gegenzug für einen Liefervertrag für Erdöl und Erdgas 247.000 Hektar Land sicherte. Nach den spekulativen Preis-Turbulenzen auf dem Weltmarkt haben sie das Vertrauen in den Markt verloren. Anstatt von Agrarhandel und Spekulanten abhängig zu sein, wollen sie die Produktion kontrollieren und damit ihre Importe zu sichern.

China zum Beispiel, das offiziell eine Politik der Ernährungssicherung aus eigener Kraft verfolgt, kann bislang seinen Bedarf an Grundnahrungsmitteln noch weitgehend selbst decken. Doch die Grenzen der Land- und Wasserressourcen zeichnen sich immer deutlicher ab. Chinesische Unternehmen produzieren bereits in zahlreichen Ländern Asiens Reis, Fisch, Soja oder Zuckerrohr – u.a. in Burma, Laos und den Philippinen. Ein Plan der Regierung in Beijing vom vergangenen Sommer, Investoren beim Landerwerb in Afrika und Lateinamerika zu unterstützen, liegt zwar vorerst wieder auf Eis. Mehrere tausend chinesische Siedler in Nigeria, Kenia, Sudan und Sambia bilden aber eine Vorhut für mögliche weitere Projekte.

* Bereitwillige Regierungen vor Ort

Zahlreiche Golfstaaten haben begonnen, auf der anderen Seite des Roten Meeres nach Land für Viehzucht, Viehfutter und Nahrungsmittel wie Bohnen, Mais und Kartoffeln Ausschau zu halten, bevorzugt im Sudan. Sie sind weitgehend auf den Import preiswerter Nahrungsmittel angewiesen, um ihre zahlreichen Arbeitsmigranten zu versorgen, während ihre Ölreserven absehbar zur Neige gehen. Auch Indien, dessen Agrarproduktion nur noch langsam wächst, ist an der Landnahme jenseits der eigenen Grenzen beteiligt, wie z.B. in Burma, wo indische Unternehmen mit Regierungsunterstützung Land pachten. Die Regierung plant, verstärkt Ölsaaten, Hülsenfrüchte und Baumwolle im Ausland anbauen zu lassen.

Eine bevorzugte Destination ist Afrika, das zu den Regionen mit erheblichen Landreserven gehört, zum Beispiel in Sambia, der DR Kongo und Mosambik. Nach Angaben der FAO sind gegenwärtig lediglich 14% der nutzbaren landwirtschaftlichen Fläche bebaut. Zudem ist die Produktivität in vielen Bereichen aufgrund der jahrzehntelangen Vernachlässigung der kleinbäuerlichen Betriebe gering. Die Getreideerträge liegen 40% niedriger als in anderen Entwicklungsländern. Zu den Zielländern gehören aber auch Brasilien, Kambodscha, Pakistan und Burma, oft Länder, die bereits jetzt ihre Bevölkerung nicht selbst ernähren können oder wo Land bereits knapp ist und intensiv genutzt wird, wie auf den Philippinen.

Viele „Empfängerregierungen“ sind nur zu glücklich über das neue Interesse ausländischer Investoren. So erklärte Äthiopiens Präsident Meles Zenawi, seine Regierung sei „sehr daran interessiert“, hunderttausende Hektar Agrarland für die Versorgung von Ländern im Mittleren Osten bereit zu stellen. Ebenso bietet Kambodscha, wie Äthiopien ein Land, das auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist, seine Reisfelder Katar und Kuwait an. Die Projekte versprechen Investitionen in die marode Infrastruktur, Beschäftigung, gelegentlich auch Schulen und Krankenstationen. Zudem stabilisieren sie diktatorische Regierungen wie in Burma oder im Sudan ökonomisch und politisch.

Das Interesse von Regierungen und Investoren trifft sich mit der Strategie der Weltbank und ihrer Tochter, der International Finance Corporation (IFC), die bereits seit einigen Jahren der landwirtschaftlichen Entwicklung wieder größere Bedeutung zurechnen. Ihr Beitrag zur privaten Investitionsförderung besteht u.a. im Ausbau der Infrastruktur und der Herstellung von günstigen Rahmenbedingungen, etwa durch die Reform von Eigentumsrechten und den Abbau von Handelshindernissen.

* Agrobusiness: Welcher Entwicklungsbeitrag?

Ohne Frage sind Investitionen in die Landwirtschaft und in ländliche Räume notwendig. Es besteht ein erhebliches Potenzial, um Produktion, Produktivität und Einkommen aus der Landwirtschaft zu steigern. Doch um Ernährungsunsicherheit, Armut und ökologische Schäden zu verringern, müssten vorrangig die kleinbäuerliche Landwirtschaft und der Anbau von Grundnahrungsmitteln für die eigene Versorgung verbessert werden.

Anstatt einen Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten, beschleunigen die neuen Agrarprojekte eine Umstrukturierung der Landwirtschaft, die die kleinbäuerliche Landwirtschaft weiter marginalisiert. So wären Indiens Kleinbauern, die Ölsaaten, Hülsenfrüchte und Baumwolle als Cash-Crops anbauen, durch eine Verlagerung des Anbaus ins Ausland betroffen. Ein großer Teil des Landes, das Regierungen als „ungenutzt“ erklären, wird vielfältig für marginale Landwirtschaft, als Weide oder die Versorgung mit Brennholz genutzt, aber eben ohne gesicherte Landnutzungsrechte. Die neue Landnahme wird daher zu einer weitreichenden Vertreibung von Hirten, Sammlerinnen und Subsistenzlandwirtschaft führen. Marktorientierte Landreformen, wie sie die Weltbank vorantreibt, spielen den Investoren in die Hände, treiben die Konzentration von Land voran und unterminieren alle Versuche, gerechte Agrarreformen und Landumverteilung zugunsten kleinbäuerlicher Betriebe umzusetzen. Zudem droht eine weitere Abholzung der verbliebenen Wälder.

Mit dem Agrobusiness kommen Hochertragssorten und Gentechnologie, Agrarchemie, Mechanisierung und Monokulturen, aber nur wenige Arbeitsplätze, um die verdrängten Kleinbauern aufzufangen. Die Exportorientierung für die Ernährungssicherung in den wohlhabenderen Ländern geht auf Kosten der Länder, die bereits Nahrungsmittelimporteure oder gar Nahrungsmittelhilfe-Empfänger sind.

Angesichts lückenhafter Information ist es schwierig, das gesamte Ausmaß dieser Entwicklung zu erfassen. Klar ist allerdings, dass sie Ziele wie Ernährungssicherung und landwirtschaftliche Entwicklung, mit denen Regierungen und internationale Finanzinstitutionen ihre Agrarpolitik als Beitrag zur Armutsminderung und Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft legitimieren, in ihr Gegenteil verkehrt.

Hinweis:
* Seized. The 2008 land grab for food and financial security, GRAIN Briefing, 11 pp, Barcelona, October 2008 (www.grain.org/go/landgrab).

Veröffentlicht: 23.1.2009

Empfohlene Zitierweise: Uwe Hoering, Hauptdestination Afrika: Die neue Landnahme. Ernährungssicherheit oder Agrarkolonialismus?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, W&E 02/2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)