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IWF 2.0: Neues Geld mit alten Konditionen?

Artikel-Nr.: DE20090427-Art.19-2009

IWF 2.0: Neues Geld mit alten Konditionen?

Wie flexibel der Fonds angesichts der Krise ist

Vorab im Web - Auf der Frühjahrstagung brillierte der Internationale Währungsfonds (IWF) mit der Ankündigung neuer Kreditlinien. Neue konzeptionelle Töne schlug der Geschäftsführende Direktor des Fonds, Dominique Strauss-Kahn, an. Neben der Reform der Entscheidungsstrukturen zugunsten des Südens wird immer mehr die Konditionalität der IWF-Kredite zur Gretchenfrage. Wie weit die Veränderungen in dieser Frage gehen, analysieren Nora Lustig, Mark Weisbrot und Nuria Molina.Vorbemerkung: Neben den klassischen Beistandskrediten (Stand-by) lassen sich Veränderungen in der Vergabepolitik des Fonds vor allem an drei Kreditlinien ablesen: Zunächst ist da die neue Flexible Credit Line (FCL) für Schwellenländer mit gesunden Fundamentaldaten. Über dieses Notfallfenster haben sich bis jetzt immerhin drei Länder (Mexiko, Kolumbien und Polen) potentielle Stützungskredite gesichert. Die FCL scheint damit erfolgreicher zu sein als die inzwischen wieder abgeschaffte Contingent Credit Line (CCL), deren Mittel keiner beantragen wollte, weil davon eine Stigmatisierung auf den Kapitalmärkten befürchtet wurde. Hinzu kommt die angekündigte Verdoppelung der Kreditlinien für die ärmsten Länder in den nächsten zwei Jahren. Dabei geht es einmal um das Kreditfenster für die hochverschuldeten armen Länder (Poverty Reduction and Growth Facility – PRGF), zum anderen um die Kreditfazilität für die von externen Schocks betroffenen Länder (Exogenous Shock Facility – ESF). Die von uns dokumentierten und redigierten Beiträge beziehen sich sowohl auf die praktischen Erfahrungen der Länder mit diesen Kreditfenstern, als auch auf die neuen programmatischen Aussagen des Fonds.

Nora Lustig: Neues Gesicht des Fonds

Nach der Rede von Dominique Strauss-Kahn auf der von der School of Advanced International Studies und dem Centre for Global Development (CDG) organisierten Konferenz am 23. April hätte ich mich fast selbst umarmen können: neue Kreditinstrumente ohne Konditionalität und ohne vorab festgelegte Obergrenzen? Beistandsabkommen mit sozialer Konditionalität, das heißt mit Bestimmungen zum Schutz der Armen? Das sind sehr wichtige Schritte für eine Institution, die von den Entwicklungsländern bis vor kurzem als schlechter Polizist angesehen wurde.

Dieser neue IWF 2.0, wie ihn das Time-Magazin nannte, kann an drei wichtigen Fronten helfen. Erstens kann die Flexible Credit Line (FCL) Ländern helfen, Attacken auf ihre Währung, die mit der Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung nichts zu tun haben, abzuwehren. Zweitens sind damit keine Konditionen verknüpft, da die FCL Ländern angeboten wird, in denen eine gute Politik praktiziert wird. Dieser Aspekt wird das Stigma beseitigen, das auf jene fällt, die IWF-Unterstützung beantragen. Denn damit wird nicht länger das Signal verbunden sein, dass die Regierung bestimmte Dinge falsch gemacht hat. Dass dies bereits funktioniert, wird dadurch bewiesen, dass im Falle der drei Länder (Mexiko, Polen und Kolumbien), die die FCL-Mittel vorsorglich beantragt haben, die Währungen an den Märkten zulegten. Drittens kann die sog. soziale Konditionalität die Armen und Verwundbaren vor den Konsequenzen haushaltspolitischer Anpassungsmaßnahmen bewahren. In der Vergangenheit machte der IWF keine Anstrengungen, Budgetkürzungen selektiv unter Beachtung der Interessen der Armen festzulegen, wenn diese in den Bedingungen der Stand-by-Kredite vorgesehen waren. Da die Armen gleichzeitig die Machtlosen sind, konnten Ausgaben zu ihren Gunsten Opfer von Kürzungen werden, die keinerlei Sinn machten. Aber soziale Konditionalität kann noch mehr bedeuten. Sie kann dazu betragen, haushaltspolitischen Spielraum für neue Programme zu schaffen, die die Anpassungslasten für die Armen abmildern. Der Schutz von armen Rentnern vor Haushaltskürzungen (wie in einigen Stand-by-Abkommen in Osteuropa) oder die Umsetzung von Transferzahlungsprogrammen (wie in Pakistan) sind sehr gute Beispiel dafür, wie fiskalische Sparmaßnahmen mit den Interessen der Armen vereinbart werden können.

Es scheint, dass der Fonds im Begriff ist, zu einer sozial verantwortlichen makroökonomischen Politik (>>> Socially Responsible Macroeconomics) überzugehen. Um des Schicksals der Armen willen sollte wir alle hoffen, dass er damit Erfolg hat.

Nora Lustig ist Gastprofessorin für Internationale Beziehungen an der George Washington University, Washington. Der Beitrag erschien zuerst im Blog des Center for Global Development.

Mark Weisbrot: Erst reformieren!

Der IWF hat ein Sündenregister, das bei den Diskussionen um die Verdreifachung seiner finanziellen Ressourcen fast vollständig ignoriert wurde. Vor fast 12 Jahren wurden Thailand, Südkorea, Indonesien, die Philippinen und Malaysia von einer Finanzkrise betroffen. Das Wort „Ansteckung“ gelangte in das Lexikon der Finanzberichterstatter, als die Krise nach Russland, Brasilien, Argentinien und andere Länder übergriff. Die Reaktion des IWF in dieser Zeit wurde umfassend kritisiert. Jeffrey Sachs, damals am Harvard Institute for International Development, nannte den Fonds “den Ansteckungsherd der emerging markets, der die Rezession von Land zu Land trägt”.

Der IWF behauptet, er habe sich verändert. Aber ein Blick auf die neun Beistandsabkommen, die er seit letzten September ausgehandelt hat, enthüllt einige derselben Fehler wie in der letzten Krise (ausführlich: >>> Empowering the IMF?). Alle Abkommen sehen Ausgabenkürzungen vor – trotz des IWF-Aufrufs für ein weltweites haushaltspolitisches Konjunkturprogramm.

El Salvador hat ein Abkommen mit dem IWF unterzeichnet, das es davon abhält, eine expansive Haushaltspolitik zu betreiben, wie sie die Vereinigten Staaten praktizieren, um den Abschwung zu bekämpfen. Da El Salvador den US-Dollar als eigene Währung nutzt, ist die Fiskalpolitik – Ausgabensteigerung oder Steuersenkung - praktisch das einzige Instrument, um die Rezession zu bekämpfen (die praktisch unvermeidbar ist, wenn die US-Ökonomie schrumpft). Pakistan hat sowohl signifikanten Ausgabenkürzungen als auch Zinserhöhungen zugestimmt, obwohl das für die Wirtschaft ein negativer Nachfrageschock ist. Die Ukraine musste ebenfalls mit dem Fonds um die Kürzung öffentlicher Ausgaben ringen, obwohl das BIP in diesem Jahr um 9% fällt und das Land relativ niedrige öffentliche Schulden hat.

Diese und andere Beispiele zeigen, dass der IWF trotz der weltweiten Rezession bereit ist, Arbeitslosigkeit und Zunahme von Armut in Kauf zu nehmen, um andere Ziele zu verfolgen. Ein Land kann sein Handelsdefizit immer reduzieren, wenn seine Wirtschaft schrumpft, denn das veranlasst Haushalte und Firmen, weniger zu importieren.

Der Hauptzweck der Kreditvergabe durch den IWF in der gegenwärtigen Krise sollte jedoch sein, die Länder mit niedrigem und mittleren Einkommen in die Lage zu versetzen, mehr von dem zu tun, was auch die reichen Länder tun: Konjunkturpakete zu schnüren, um dem Abschwung zu begegnen. Die Regierungen sollten keine neuen Finanzzusagen für den IWF machen, ohne dass er die kürzlich ausgehandelten Abkommen revidiert und ernsthafte Reformen durchführt.

Mark Weisbrot ist Co-Direktor des Center for Economic and Policy Research in Washington. Sein Kommentar erschien vollständig in der New York Times.

Nuria Molina: Praktiziert, was Ihr predigt!

Ende März beschloss der Vorstand des IWF, einen Typ von struktureller Konditionalität, die sog. Structural Performance Criteria, künftig nicht mehr zu praktizieren. Aus IWF-Kreisen hieß es kürzlich im privaten Rahmen, dass die Anweisungen, die sie vom oberen Management bekommen hatten, klar seien: Sie sollten die Mitgliedsstaaten unmissverständlich im Sinne steigender Konjunkturanreize, höherer öffentlicher Ausgaben und einer flexibleren Währungspolitik beraten. Auf einem Treffen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf erklärte Dominique Strauss-Kahn Ende März: „Ich bin besonders besorgt durch die Tatsache, dass unsere – ohnehin schon düsteren – Vorhersagen noch dunkler sein werden, wenn nicht genügend fiskalische Konjunkturanreize umgesetzt werden.“

Dies folgt auf eine Serie von Abkommen mit Ländern mit niedrigem Einkommen sowie drei EU-Mitgliedsländern, die in den letzten paar Monaten die Unterstützung des IWF gesucht haben. Auch wenn viele Kreditdokumente noch nicht veröffentlicht sind, deutet die bislang verfügbare Information doch darauf hin, dass alle diese Programme prozyklische Politiken fördern.

Nach Bekunden des IWF-Missionschefs für Rumänien gegenüber der Financial Times erhält das Land rund 17,5 Mrd. Dollar vom IWF im Austausch dafür, dass es „sein Haushaltsdefizit bis 2011 unter 3% des Bruttoinlandsprodukts“ bringt. Darüber hinaus „wird es besondere Reformen im Haushaltsbereich geben, um sicherzustellen, dass das Defizit auch dauerhaft niedrig bleibt – eine Restrukturierung der Lohnpolitik, eine Rekalibrierung des Pensionssystems, um es nachhaltig zu machen, eine Verbesserung der Kontrolle und Überwachung der öffentlichen Unternehmen“. Auch wird der Fonds versuchen sicherzustellen, dass die Absenkung der Inflation ein Kernziel der Währungspolitik des Landes wird.

Guatemala wird ebenfalls eine strikte Währungspolitik im Austausch gegen einen IWF-Kredit über 950 Mrd. Dollar verfolgen müssen. Dieser schreibt vor, dass „die Währungspolitik auf die Verankerung der Inflation auf einem niedrigen Niveau in Kombination mit einem flexiblen Wechselkurssystem fokussiert“ sein soll. In der Mongolei sieht das Programm die Verschärfung der Fiskalpolitik vor, um das „Defizit auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen“.

Obwohl Armenien ebenfalls seine Ausgaben kürzen muss, um das Ziel eines 1%-Defizits in 2009 zu erreichen, gewährt das neue PRGF kleine Konzessionen, da „die Null-Grenze für die Neuaufnahme externer Schulden durch eine kleine positive Summe (von 50 Mio. Dollar) ersetzt wurde, um die Ausgabe von Schuldtiteln durch die Behörden und von der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank finanzierte Projekte zu ermöglichen“. Dennoch ist die Währungspolitik so restriktiv wie bei anderen Krediten, einschließlich des Übergangs zur Inflationskontrolle und einer Absenkung der Inflationsobergrenze auf unter 5%.

Der ESF-Kredit für Malawi weist etwas mehr Flexibilität und ist an keine strukturellen Bedingungen geknüpft. Doch das Programm zielt immer noch auf eine ziemlich niedrige Inflationsrate, die sich „mittelfristig bei 5% einpendeln sollte“.

Obwohl der ESF-Kredit für Äthiopien etwas flexibler in der Handhabung der Konditionalität ist, drängt er auf die „Beseitigung der heimischen Brennstoff-Subventionen“ und auf eine „signifikanten Verschärfung der Fiskalpolitik“. Hinzu kommt die Abschaffung einiger Steuern, darunter für Grundnahrungsmittel, und ein stärkerer Transfer von Finanzmitteln in die sozialen Sicherheitsnetze.

Im März nahm der IWF ein weiteres ESF-Abkommen mit der Demokratischen Republik Kongo an, in dem der Fonds verlangt, „die Währungspolitik restriktiv zu halten“. Das wird man irgendwie in Einklang bringen müssen mit den Kernzielen des Programms, nämlich „die Ausgabenpolitik auf Aktivitäten umzusteuern, die die heimische Nachfrage steigern“.

Eine substantielle Veränderung gegenüber früheren Kreditvereinbarungen besteht darin, dass der IWF durchgängig vorschlägt, die Ausgaben im sozialen Sektor aufrecht zu erhalten, darunter für Sicherheitsnetze, um die Verwundbarsten zu schützen. Leider sind die Veränderungen in manchen Programmen so minimal, dass man nur schwer beurteilen kann, ob dies bereits einen Wandel der Politik des IWF darstellt.

Unterdessen berichtete der IWF, dass die erste Überprüfung des Kredits für Lettland, der ursprünglich im Dezember angenommen wurde, nicht abgeschlossen werden konnte. Nach der Financial Times hat der Fonds „die Kreditvergabe an Lettland suspendiert, bis er mehr Fortschritt bei der Kürzung öffentlicher Ausgaben erkennen kann“, und „Lettland bereitet fieberhaft weitere Kürzungen vor, um sein 9,9-Mrd.-Dollar-schweres Stabilisierungsprogramm nicht zu gefährden … (da) das Haushaltsdefizit höher als das mit dem IWF vereinbarte 5%-Ziel zu werden droht“.

Nach den Worten des Thailändischen Premierministers, „geht es, wenn die G20 über die Reform der Internationalen Finanzinstitutionen reden, nicht nur um die Frage von mehr Kapital, sondern auch darum, wie dieses Kapital genutzt wird… das bedeutet sicherzustellen, dass es neue Fazilitäten für fiskalische Stimuli, fortgesetzte Entwicklung und soziale Sicherheitsnetze gibt… Eine der Lehren der asiatischen Finanzkrise von 1997 war, dass die durch den IWF aufgezwungenen Bedingungen unnötige Pein verursacht haben.“

Jetzt, da der IWF die Verdienste Keynesianischer Politik in Zeiten der Krise, die Notwendigkeit antizyklischer Maßnahmen und die Bedeutung größerer währungs- und haushaltspolitischer Flexibilität anerkannt hat, ist die Frage nur noch, ob er auch praktiziert, was er predigt.

Nuria Molina ist Referentin des Europäischen Netzwerks für Schulden und Entwicklung (Eurodad), Beitrag. Ihr Beitrag erschien in voller Länge auf www.eurodad.org.

Veröffentlicht: 27.4.2009

Empfohlene Zitierweise: Nora Lustig/Mark Weisbrot/Nuria Molina, IWF 2.0: Neues Geld mit alten Konditionen?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E-Hintergrund Mai 2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)