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Konturen eines globalen Klimadeals für Kopenhagen

Artikel-Nr.: DE20090824-Kol_6-2009

Konturen eines globalen Klimadeals für Kopenhagen

Kolumne: Die Sicht des Südens

Nur im Web – Die Industrieländer haben bereits einen großen Teil des globalen Umweltraums verbraucht und sollten für diese ökologische Schuld bezahlen, um einen fairen globalen Klimadeal zu ermöglichen. Doch auf Entwicklungsländern wie China, Indien, Brasilien und den ASEAN-Staaten lastet ein enormer Druck, sich zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen zu verpflichten. Dabei sind die im Gegenzug versprochenen Finanz- und Technologietransfers des Nordens nirgendwo in Sicht, kommentiert Martin Khor.

Die westlichen Medien scheinen die Entwicklungsländer dafür verantwortlich zu machen, dass es bislang noch keinen Deal gibt. „Indien weist grüne Agenda zurück, indem es sich weigert, seine Emissionen in der nächsten Dekade zu kürzen“, lautete die Titelschlagzeile der Financial Times vom 1. August. Doch es ist unfair, von den Entwicklungsländern Reduktionsverpflichtungen zu erwarten, noch bevor ihnen die Finanzmittel und die Technologie zugesichert wurden, die sie zur Veränderung ihrer Produktionssysteme brauchen.

* Faire Teilung der Reduktionsraten

Die Industrieländer haben eine historische Verantwortung, den Entwicklungsländern zu helfen, weil sie bereits den größten Teil des verfügbaren Umweltraum für sich beansprucht haben. Die Atmosphäre kann nur eine bestimmte Menge an Kohlenstoffdioxid und anderer klimaschädigender Gase absorbieren. Wird diese übertroffen, steigt die durchschnittliche globale Temperatur um über 2° Celsius, mit katastrophalen Konsequenzen. Die Treibhausgas-Emissionen müssen deshalb auf 450 oder sogar auf 350 parts per million (ppm) begrenzt werden, und die globalen Emissionen müssen bis 2050 – verglichen mit dem Niveau von 1990 – um 50-85% reduziert werden.

Die Schlüsselfrage für den globalen Kopenhagen-Deal lautet, wie die Emissionsreduzierung fair zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geteilt wird. Die Industrieländer schlagen eine Kürzung der globalen Treibhausgasemissionen um 50% bis 2050 vor (von 38 Mrd. Tonnen 1990 auf 19,3 Mrd. Tonnen 2050). Sie sind bereit, 80% der Kürzungen zu übernehmen, was bedeuten würde, dass die Entwicklungsländer 20% übernehmen müssten.

Da die Bevölkerung der Entwicklungsländer sich in diesem Zeitraum erwartungsgemäß verdoppeln wird, werden diese letztlich pro Kopf 60% der Kürzungen aufbringen müssen. Und da die Bevölkerung der Industrieländer wahrscheinlich gleich bleiben wird, wird auch ihre Pro-Kopf-Reduktion insgesamt bei 80% bleiben.

Es ist unfair, von den Entwicklungsländern eine Pro-Kopf-Reduktion zu verlangen, die nur leicht unter dem liegt, was die Industrieländer bereit sind zu tun. Selbst wenn die Industrieländer zu einer Kürzung um 100% pro Kopf bereit wären, würde das für die Entwicklungsländer immer noch eine Kürzung um 52% pro Kopf bedeuten. Die Industrieländer müssten ihre Emissionen bis 2050 um 213% kürzen, damit die Entwicklungsländer ihr gegenwärtiges Niveau an Pro-Kopf-Emissionen beibehalten könnten. Anders ausgedrückt: Die Entwicklungsländer müssten ihre Emissionen um 0% kürzen und zusätzliche Senken schaffen, um Treibhausgase in einer Höhe von weiteren 113% ihres Emissionsniveaus von 1990 zu absorbieren.

Sowohl für Industrie- als auch Entwicklungsländer mag das unmöglich erscheinen. Für die Entwicklungsländer wäre es unmöglich sich wirtschaftlich zu entwickeln, wenn sie das gegenwärtige, niedrige Niveau ihrer Pro-Kopf-Emissionen beibehielten statt auszuweiten. Für die Industrieländer wäre es unmöglich, über eine Emissionskürzung von 100% hinauszugehen. Aber vielleicht bedarf es zweier Unmöglichkeiten, um einen möglichen Deal zu erreichen.

* Die Logik eines Deals

Um die gefährliche Schwelle von 2° nicht zu überschreiten, hat die Welt zwischen 1800 und 2050 rund 600 Mrd. Tonnen an Kohlenstoffemissionen zur Verfügung (das entspricht rund 2.200 Mrd. Tonnen an Kohlenstoffdioxid). Gemessen an ihren Anteil an der Weltbevölkerung beliefe sich der gerechte Anteil der Industrieländer an diesem Kohlenstoffbudget auf 125 Mrd. Tonnen und der der Entwicklungsländer auf475 Mrd. Tonnen.

Dabei haben die Industrieländer zwischen 1800 und 2008 bereits 240 Mrd. Tonnen an Kohlenstoff emittiert – weit mehr als ihr “fairer Anteil” von 81 Mrd. Tonnen in diesem Zeitraum. Nimmt man das Szenario von 50% Kürzung global und 85% Kürzung durch die Industrieländer bis 2050, so würden diese zwischen 2009 und 2050 weitere 85 Mrd. Tonnen ausstoßen. Somit betrüge ihre Emission zwischen 1800 und 2050 insgesamt 325 Mrd. Tonnen Kohlenstoff. Da ihr fairer Anteil sich auf 125 Mrd. Tonnen beläuft, hätten sie eine „Kohlenstoffschuld“ von 200 Mrd. Tonnen.

Auf der anderen Seite betrüge der Anteil der Entwicklungsländer zwischen 1800 und 2050 475 Mrd. Tonnen, wenn dieser Kohlenstoffraum fair verteilt wäre. Dennoch würden der heute erreichte Stand und die Szenarien bis 2050 bedeuten, dass die Entwicklungsländer faktisch nur 275 Mrd. Tonnen an Kohlenstoff emittieren würden – 200 Mrd. Tonnen weniger als ihr fairer Anteil.

Ein fairer Klimadeal würde so aussehen, dass die Industrieländer die Entwicklungsländer für die 200 Mrd. Tonnen an Kohlenstoff entschädigen würden. Dies würde 733 Mrd. Tonnen an Kohlenstoffdioxid entsprechen.

* Wie viel Geld für den Klimafonds?

Der Ökonom Nicoloas Stern setzt den Wert einer Tonne Kohlendioxid in seinem Buch “The Global Deal” mit 40 US-Dollar an. Zwischen 1800 und 2008 beläuft sich die Kohlenstoffschuld der Industrieländer auf 159 Mrd. Tonnen bzw. 583 Mrd. Tonnen an Kohlenstoffdioxid. Bei einem Preis von 40 US-Dollar pro Tonne würde sich diese Kohlenstoffschuld also auf 23 Billionen US-Dollar belaufen. Diese Summe könnte in einen globalen Klimafonds eingezahlt werden, der den Entwicklungsländern bei der Reduzierung ihrer Emissionen helfen würde.

Auch wenn die Summe von 23 Billionen US-Dollar als sehr hoch erscheint, ist dies dennoch nur wenig mehr als die 18 Billionen US-Dollar, die die Industrieländer für die Rettung von Banken und andere in Schwierigkeiten geratene Unternehmen in der gegenwärtigen Finanzkrise aufgebracht haben. Die Rettung von Banken mag wichtig sein – die Rettung der Welt vor einer Klimakatastrophe ist noch wichtiger und notwendiger.

Wenn dieser Ansatz und der Fonds von allen akzeptiert werden könnten, wäre der globale Deal für Kopenhagen auf einem guten Weg.

Martin Khor ist Exekutivdirektor des South Centres in Genf, das Regierungen der Entwicklungsländer in Verhandlungen mit dem Norden berät. Seine Kolumne erscheint regelmäßig an dieser Stelle.

Veröffentlicht: 24.8.2009

Empfohlene Zitierweise: Martin Khor, Konturen eines globalen Klimadeals für Kopenhagen, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, 24.8.2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).