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Luxemburg: Finanzplatz oder Steueroase?

Artikel-Nr.: DE20090818-Art.33-2009

Luxemburg: Finanzplatz oder Steueroase?

Politischer Sturm im Sommerloch

Vorab im Web – Es hätte ein so schöner Sommer werden können, nachdem Luxemburg Anfang Juli endlich auf der Weißen Liste der OECD gelandet war. Doch die Atempause währte nur kurz. Ende Juli veröffentlichte der Cercle de coopération eine Studie (Wortlaut ???042ae69c520845f01???), die dem Finanzplatz deutliche Züge einer Steueroase attestierte und auch seine Rolle im Nord-Süd-Verhältnis problematisierte. Entsprechend heftig fielen die Reaktionen von Finanzplatzlobbyisten und Politik aus. Eine Erwiderung aus der Sicht des Autors der Studie, Rainer Falk.

Die Reaktionen auf die Veröffentlichung der Studie „Zur Debatte um Steueroasen: Der Fall Luxemburg“ durch den Cercle de coopération, den Dachverband der Luxemburger Entwicklungs-NGOs, vor allem seitens der Bankiersvereinigung ABBL und der staatlichen Promotionagentur „Luxembourg for Finance“, waren so brüsk wie bei früherer Kritik am Luxemburger Finanzplatz. Doch das Besondere bestand diesmal darin, dass die Kritik sich nicht von außen, sondern innerhalb des Landes artikulierte.

Der Vorgang stellte zweifellos einen Tabubruch dar. Doch statt dies zum Anlass für eine überfällige Debatte zum Umbau des Finanzzentrums zu nehmen, folgte das Gros der Angriffe exakt jenem Muster, das in der Studie als „defensiv-hinhaltende Verteidigung von Luxemburger Partikularitäten“ analysiert wird. Dazu gehören pauschale Vorwürfe, die Arbeit mit Unterstellungen und der Aufbau von „Pappkameraden“, auf die sich hernach umso leichter schießen lässt. Dabei fällt die Behauptung, die Finanzindustrie, „das Flaggschiff unserer Wirtschaft“, werde mit einer „Kombination aus unbegründeten Behauptungen, Hörensagen, Halbwahrheiten und einem Gebräu aus Lügen“ angegriffen (so die Stellungnahme der ABBL vom 24.7.2009), durchaus auf ihre Urheber zurück.

* Falsche Vorwürfe: Drei Beispiele

* So sagte der ehemalige ABBL-Präsident, Lucien Thiel, in einer ersten Reaktion auf die Studie (gegenüber dem Tageblatt, 24.7.2009): „Folgt man der Überlegung von Rainer Falk, dann darf es keine internationalen Bankplätze geben.“ Diese Behauptung entspricht weder dem Inhalt noch der Intention der Studie. Eher ist das Gegenteil der Fall: Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Studie werden von der Zielsetzung geleitet, den Finanzplatz nachhaltig und zukunftsfähig zu machen und seine Reputationsprobleme zu lösen.

* In einer Stellungnahme der ABBL vom 24. Juli 2009 wurde behauptet, die Studie schätze das aus den Entwicklungsländern in Luxemburg angelegte Kapital auf 500 Mrd. Dollar. In Wirklichkeit geht die Studie jedoch davon aus, dass es maximal halb so viel sind, nämlich 250 Mrd. Dollar, die aus Entwicklungsländern stammen könnten.

* Einige Kommentatoren, so der Leitartikler des Luxemburger Worts vom 29.7.2009 und eine inzwischen wieder aus dem Internet verschwundene Stellungnahme des Direktors von Luxembourg for Finance, Fernand Grulms, kaprizierten sich darauf, dass die Studie irrtümlich davon spreche, der Luxemburger Spitzensteuersatz von 38% für Privatpersonen sei der niedrigste in EU-Europa. Hier bin ich durchaus bereit einzuräumen, dass mir eine Unkorrektheit unterlaufen ist – nur wird in der Studie explizit gesagt, dass die regulären, in Luxemburg geltenden Steuersätze gerade nicht als Beleg für die Steueroasenthese genommen werden können.

In der erwähnten Stellungnahme der ABBL wird herausgestellt, dass Luxemburg keine armen Länder „ausbeutet“. In der Studie hingegen kommt der Begriff „Ausbeutung“ kein einziges Mal vor. Vielmehr wird der Luxemburger Entwicklungshilfe von 409 Mio. Dollar ein geschätzter potentieller Steuereinnahmeverlust der Entwicklungsländer von „bis zu 2,5 Mrd. Dollar“ gegenüber gestellt. Diese Gegenüberstellung dient vor allem einem illustrativem Zweck. Die positive Rolle der Luxemburger Entwicklungshilfe an sich, die ich andernorts schon oft gewürdigt habe, wird dadurch nicht infrage gestellt, ihre quantitative Bedeutung in der Gesamtheit der Nord-Süd-Beziehungen allerdings relativiert.

Zur Frage der Ausbeutung im Nord-Süd-Verhältnis gibt es eine lange sozialwissenschaftliche Debatte, die gar nicht Gegenstand der Studie war und deren Rahmen auch gesprengt hätte. Es wäre allerdings naiv anzunehmen, dass es nur Finanzleistungen in einer Richtung (und in Form von Entwicklungshilfe) gibt; natürlich fließt auch Kapital in Süd-Nord-Richtung nach Luxemburg zurück. In welcher Höhe, ist allerdings umstritten.

* Wie viel Geld aus dem Süden in Luxemburg?

In der Studie wird die Höhe des in Luxemburg angelegten Vermögens aus Entwicklungsländern an Hand von Zahlen des Weltreichtumsberichts von Capgemini/Merill Lynch und von internationalen Organisationen wie dem IWF und der OECD geschätzt. Die Prämissen und die einzelnen Schritte dieser Schätzung werden offen und transparent dargestellt. Gleiches lässt sich von den Zahlen, mit denen ABBL und die Aufsichtsbehörde CSSF operieren, nicht sagen. Wie die Zahl, im Private Banking-Sektor Luxemburgs würden insgesamt weniger als 300 Mrd. EUR gemanagt, zustande kommt, lässt sich nicht nachvollziehen.

Man kann den Kritikern nicht vorwerfen, dass sie sich mit den wenigen vorhandenen Statistiken behelfen, wenn sie dies offen ausweisen. Sinnvoller als sich gegenseitig Zahlen an den Kopf zu werfen, wäre es, auf die Erhebung und Veröffentlichung besserer Statistiken, z.B. zur geografischen Herkunft des in Luxemburg angelegten Kapitals und Vermögens, zu drängen.

* Ausnahmeregime für ausländisches Kapital

Der Hauptkritikpunkt der Studie lautet nicht, dass alle möglichen Leute in Luxemburg ihr Geld verstecken, sondern dass zahlreiche steuerliche Vergünstigungen für ausländisches Kapital bestehen, wobei die Grenze zwischen Steuerwettbewerb und Stimulierung zur Steuerflucht grundsätzlich fließend ist. In bewusster Zurückhaltung spricht die Studie deshalb davon, dass das Land „Züge einer Steueroase“ trägt, sich aber doch von klassischen Steueroasen unterscheidet.

Dass zahlreiche Steuervergünstigungen für ausländisches Kapital bestehen, lässt sich ebenso wenig bestreiten, wie die Tatsache, dass der Luxemburger Finanzplatz mit dem Steuerwettbewerb groß geworden ist. Dies in Kombination mit dem Bankgeheimnis für Nichtgebietsansässige führt dazu, dass das Land immer wieder wegen „schädlicher Geheimhaltungsbestimmungen“ kritisiert wird, so zuletzt auch in dem Bericht der von norwegischen Regierung eingesetzten „Commission on capital flight from developing countries“, der in der Studie nicht mehr berücksichtigt werden konnte.

Die ABBL „bedauert tief, dass es nach verschiedenen Angriffen von außen nun auch in Luxemburg en vogue ist, das Flaggschiff unserer Wirtschaft (d.h. die Finanzindustrie) anzugreifen…“ Tatsächlich war die erwähnte Studie als ein Element in einer entwicklungspolitischen Sensibilisierungskampagne gedacht, die Luxemburger NGOs in diesem Sommer zusammen mit NGOs aus Österreich und der Schweiz gestartet haben. Umso bedauerlicher ist der Rückzug der Studie durch den Cercle. Dennoch ist dieser Schritt in gewisser Weise nachvollziehbar, da er unter einem enormen politischen Druck erfolgte, den ABBL und Regierung gegen den Cercle aufgebaut hatten. Druckempfindlich sind NGOs heute nicht zuletzt aufgrund der hochgradigen Abhängigkeit von staatlichen Finanzmitteln. Dieses Dilemma teilt der Cercle mit anderen NGOs in anderen Ländern. Man muss nicht so weit wie das „International Tax Justice Network“ gehen und von einem „klaren Fall von Erpressung“ sprechen. Aber die Hoffnung, auf diese Weise eine überfällige Debatte im Keim ersticken zu können, dürfte auf Sand gebaut sein.

* Die Debatte geht weiter

Und tatsächlich droht dem Finanzplatz schon wieder neues Ungemach: NGOs und Opposition in Kongo-Brazzaville klagen den kürzlich durch Wahlmanipulationen im Amt bestätigten Präsidenten, Denis Sassou Nguesso, an, auf Luxemburger Konten seines Klans zweckentfremdete Öleinkünfte seines Landes geparkt zu haben. Belegen lässt sich dies nur schwer, da die Gelder über undurchsichtige Schachtelfirmen angelegt sein dürften.

Aktenkundig und in Spezialinformationsdiensten wie www.congoinfos.com dokumentiert ist immerhin, dass der Nguesso-Klan einen Teil seiner Familienkasse über die in Luxemburg ansässige Holding „Matsip Consulting“ verwalten lässt. Die Holding finanzierte dem Präsidenten-Neffen Wilfried Nguesso vor ein paar Jahren beispielsweise einen Aston Martin über ein Konto bei der Mutual Bank Luxembourg. Und das französische Office central pour la répression de la grande délinquance financière (OCRGDF) stellte 2007 in einer Untersuchung fest, dass die Nguesso-Familie in Frankreich nicht weniger als 112 Bankkonten unterhalte und ein Teil ihres Vermögens auch in Luxemburg angelegt sei – in Unternehmen wie der „Matsip Consulting“. – Ein Fall auch für die FIU, die Luxemburger Untersuchungsbehörde für Geldwäschedelikte?

Hinweis:
* Rainer Falk, Zur Debatte um Steueroasen: Der Fall Luxemburg. Fragen aus entwicklungspolitischer Sicht, hg. vom Cercle de Cooperation des ONG de Développement au Luxembourg, Luxemburg, Juli 2009 (im Netz verfügbar unter www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org/materialien/index.php und www.astm.lu/spip.php?article1665&astm_lang=fr

Veröffentlicht: 17.8.2009

Empfohlene Zitierweise: Rainer Falk, Luxemburg: Finanzplatz oder Steueroase? Politischer Sturm im Sommerloch, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E-Hintergrund August 2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).