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Luxemburg: Platz 2 in Geheimniskrämerei

Artikel-Nr.: DE20091102-Art.50-2009

Luxemburg: Platz 2 in Geheimniskrämerei

Auf dem (Schattenfinanz-)Index

Nur im Web – Das internationale Netzwerk für Steuergerechtigkeit (TJN: Tax Justice Network) hat Anfang November 2009 in London seinen neuen Schattenfinanzindex (FSI: Financial Secrecy Index), eine Rangliste der intransparentesten Finanzplätze der Welt, vorgestellt. Das Großherzogtum Luxemburg steht auf dem nicht gerade schmeichelhaften Platz 2 des Indexes. Ein Überblick von Rainer Falk.

Ein Team von Wissenschaftlern und Finanzexperten hat im Auftrag des Tax Justice Network untersucht, welche der 60 bekanntesten Steueroasen und Offshore-Zentren die größte Verantwortung für die Intransparenz der globalen Finanzmärkte trifft. Das Ergebnis ist eine internationale Rangliste der geheimniskrämerischsten Finanzdienstleistungsplätze.

Das Großherzogtum Luxemburg ist auf der Liste auf dem exponierten zweiten Platz gelandet. Spitzenreiter ist der US-Bundesstaat Delaware, auf Luxemburg folgt auf dem dritten Platz die Schweiz. An vierter Stelle stehen die Cayman Islands, gefolgt von der City of London. Sie alle begünstigen auf ihre Weise die Verheimlichung illegaler Finanzflüsse oder tragen zur internationalen Steuerflucht bei. Den Entwicklungsländern entgehen durch die Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne und die Steuerhinterziehung wohlhabender Privatpersonen jedes Jahr Milliardenbeträge, die sie für die Armutsbekämpfung einsetzen könnten.

* Was gemessen wurde: Beispiel Luxemburg

Der FSI setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zunächst wird die Bedeutung eines Finanzplatzes auf dem Weltmarkt für Finanzdienstleistungen berechnet. Als Datengrundlage dienen hier die Statistiken des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dann bewertet der Index anhand von zwölf Kriterien (s. Box), wie sehr die Geheimhaltungsregeln des Finanzplatzes zur internationalen Steuerflucht und zur Verschleierung anderer gesellschaftlich schädlicher Praktiken beitragen. Für die Berechnung des FSI von 2009 wurden die statistischen Daten und politischen Entwicklungen bis Ende Dezember 2008 berücksichtigt.

Die exponierte Position Luxemburgs ergibt sich, weil das Land zu den wichtigsten Finanzdienstleistungsplätzen der Welt gehört und 824 Niederlassungen Multinationaler Konzerne hier registriert sind, sich aber nach den Kriterien des Tax Justice Network (TJN) durch extreme Intransparenz auszeichnet. Luxemburg bekam nur bei zwei der zwölf Kriterien, auf denen die Rangliste beruht, eine positive Bewertung (s. unsere tabellarische Aufstellung).

Indikatoren des FSI und Bewertung Luxemburgs

1.Kein gesetzlich geschütztes Bankgeheimnis(-)
2.Öffentliches Register für Trusts und Stiftungen(-)
3.Ausreichende Befolgung internationaler Regulierungsanforderungen, insbesondere bei Geldwäsche(-)
4.Jahresabschlüsse von Unternehmen öffentlich zugänglich(+)
5.Details über die nutznießenden Eigentümer von Unternehmen öffentlich zugänglich(-)
6.Details (wie 5.) an eine zuständige Behörde übermittelt und regelmäßig aktualisiert(-)
7.Beteiligung der Jurisdiktion an der Umfrage des TJN 2009(+)
8.Beteiligung am automatischen Informationsaustausch im Rahmen der EU-Zinssteuerrichtlinie(-)
9.Abschluss von mindestens 60 bilateralen Abkommen mit weitgefasster Klausel über Informationsaustausch(-)
10.Effektiver und adäquater Zugang der Behörden Zugang zu Bankinformationen(-)
11.Unterbindung grenzüberschreitender Verlegung von Firmensitzen („redomicilisation“)(-)
12.Unterbindung der Gründung von Protected Cell Companies (PCCs)(-)
Quelle: FSI

Heikle Punkte sind neben dem Bankgeheimnis für Nichtgebietsansässige insbesondere, dass Luxemburg kein öffentliches Register für Trusts und Stiftungen unterhält (3.), die grenzüberschreitende Verlegung von Firmensitzen zulässt (11.) und auch die Gründung sog. Cell-Companies nicht unterbindet (12.); dabei wird das Kapital der Gesellschaft in Zellen (Cells) unterteilt und andere gleichgesinnte Unternehmen übernehmen je eine dieser Zelle. Nach Luxemburger Gesetz wird beispielsweise ausdrücklich anerkannt, dass bestimmte Unternehmensformen wie SICARs oder UCITs (Investmentfonds) Zweckgesellschaften gründen können, die keine besondere Rechtsform brauchen und unabhängig, getrennt oder als besonderer Teil der Muttergesellschaft agieren können.

Mit seinen Erkenntnissen bestätigt der FSI zentrale Ergebnisse der Luxemburg-Studie des Cercle des ONG von diesem Sommer (???042ae69c520845f01???), die zwar starken Angriffen ausgesetzt war, aber in ihren Grundaussagen nicht widerlegt wurde. Insbesondere stützt der FSI die These, dass die besondere Qualität des Luxemburger Finanzplatzes vor allem durch ein Ausnahmeregime für ausländische Unternehmen geschaffen wird. Wie die FSI-Autoren feststellen, wird er vor allem auch von multinationalen Unternehmen aus anderen Steueroasen intensiv genutzt. Das erklärt auch seine herausragende Rolle in den Steuervermeidungsstrategien der grenzüberschreitend tätigen Konzerne.

In der nächsten Ausgabe des Financial Secrecy Index, die in zwei Jahren vorgesehen ist, könnte der Finanzplatz Luxemburg allerdings bereits besser abschneiden. So wurden seit März 2009 im Schnellzugtempo mit zahlreichen Staaten neue Doppelbesteuerungsabkommen ausgehandelt oder bestehende aktualisiert, um dem neue OECD-Standard zu entsprechen. Von genügender Transparenz, gerade im Verkehr mit den Entwicklungsländern, wird allerdings auch dann noch keine Rede sein können, wenn diese Abkommen einmal in Kraft getreten sind.

* Alternative zur OECD-Liste

Das Tax Justice Network will mit dem neuen Index aufzeigen, dass nicht nur kleine exotische Inseln die internationale Steuerhinterziehung und die illegalen Finanztransaktionen begünstigen. Es sind auch weltpolitische Schwergewichte wie die USA und Großbritannien, die zur Intransparenz der globalen Finanzmärkte beitragen. Trusts und andere undurchsichtige Konstruktionen, mit denen zum Beispiel der US-Bundesstaat Delaware und die City of London arbeiten, dienen ebenso der Verschleierung von unlauteren Machenschaften wie das Bankgeheimnis.

Mit diesem Ergebnis unterscheidet sich der neue Financial Secrecy Index deutlich von den Steueroasen-Listen der OECD. Weil sie keine souveränen Staaten sind – und aus machtpolitischen Gründen – blieben Finanzplätze wie Delaware, Nevada und London von den schwarzen und grauen OECD-Listen ausgeschlossen. Wie nebenbei wird damit das oftmals von den Protagonisten der Offshore-Zentren vorgeschobene Argument der Hypokrisie, d.h. der Doppelstandards im Umgang mit den Finanzplätzen, entkräftet. Luxemburg sollte den FSI denn auch als Aufforderung verstehen, in der internationalen Steuerpolitik in die Offensive zu gehen. Dazu gehört das Engagement für multilaterale Initiativen, die mehr Transparenz in Steuerfragen und im Weltmarkt für Finanzdienstleistungen anstreben – und zwar weltweit. Das wäre auch das beste Mittel, um „Wettbewerbsnachteile“ für den eigenen Finanzplatz zu vermeiden. Defensiv auf den internationalen Druck der G20 und der OECD zu reagieren, genügt hier weniger denn je.

* Steuerflucht als Entwicklungshemmnis

Gleichzeitig ist Luxemburg aber auch gefordert, seine Hausaufgaben zu erledigen. Es ist zwar umstritten, wie viele Privatvermögen aus dem Süden unversteuert auf Luxemburger Bankkonten liegen. Doch das liegt auch daran, dass die offiziellen Stellen zu dieser Frage keine brauchbaren Statistiken veröffentlichen. Gegen die aggressiven Steuervermeidungspraktiken der multinationalen Konzerne hat Luxemburg bisher genauso wenig unternommen wie andere Länder. Dass die OECD Luxemburg schon in diesem Sommer von ihrer grauen Liste der Steueroasen gestrichen hat, ist vor diesem Hintergrund ein zweifelhafter Erfolg.

* Entwicklungspolitische Forderungen

Nicht weiter hinnehmbar ist vor allem die anhaltende Ungleichbehandlung der Länder des Südens bei den Doppelbesteuerungsabkommen. In diesem Zusammenhang aktuell ist nach wie vor auch die Forderung, in die Verträge eine Meistbegünstigungsklausel aufzunehmen: Mögliche Konzessionen gegenüber mächtigen Verhandlungspartnern wie den USA und der EU sollten auch anderen Ländern, insbesondere den Entwicklungsländern, zu gute kommen.

Amtshilfeverfahren bei Steuerhinterziehung sind allerdings aufwendig und langwierig. Viele Entwicklungsländer stoßen damit an ihre administrativen Grenzen. Außerdem geht es beim Streit um die Steueroasen nicht nur um private Steuerhinterziehung. Wesentliche Steuereinnahmen gehen Industrie- und Entwicklungsländern auch durch die Steuervermeidungspraktiken transnationaler Unternehmen verloren. Damit Unternehmensgewinne angemessen versteuert werden können, arbeitet das Tax Justice Network seit längerem darauf hin, dass transnationale Konzerne ihre Bilanzen nach Ländern aufschlüsseln („country-by-country reporting“). Damit würde es ihnen erschwert, über interne Verrechnungspreise den Großteil ihrer Gewinne an Briefkastenfirmen in Steueroasen zu überweisen.

Weitere Information:
* Jurisdiction Report Luxembourg >>> hier.
* Financial Secrecy Index >>> hier.

Veröffentlicht: 2.11.2009

Empfohlene Zitierweise: Rainer Falk, Luxemburg: Platz 2 in Geheimniskrämerei, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E 2.11.2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).