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Wie "grüne Triebe" in "grünes Wachstum" umwandeln?

Artikel-Nr.: DE20091005-Kol_6-2009

Wie "grüne Triebe" in "grünes Wachstum" umwandeln?

Kolumne: Die Sicht des Südens

Nur im Web – Grün wird für die Regierungen der Welt die metaphorische Farbe der Wahl sein müssen, wenn sie sich ernsthaft auf die Klimakonferenz in Kopenhagen vorbereiten wollen. Die Aufmerksamkeit sollte ganz darauf gerichtet sein, die „grünen Triebe“ der Erholung in nachhaltiges „grünes Wachstum“ umzuwandeln, das zu „grünen Volkswirtschaften“ führt, die mit dem Ziel vereinbar sind, das Weltklima zu schützen, schreibt Jomo Kwame Sundaram.

Die Regierungen in reichen Ländern fangen langsam an, deutlich zu machen, was genau das in Bezug auf die Veränderungen in Politik und Lebensstil bedeutet und welche Investitionen erforderlich sein werden, um saubere Energiequellen zu entwickeln. Aber um Erfolg zu haben, muss ein „Grüner New Deal“ auf die gewaltigen Herausforderungen in den Entwicklungsländern eingehen, wo die Auswirkungen der Erderwärmung zuerst und am härtesten zu spüren sein werden und wo rasches Wachstum nach einer massiven Ausweitung günstiger Energiequellen verlangt.

* Energiesicherheit im Süden ist teuer

Global wird jeden Tag das Äquivalent von über 30 Millionen Tonnen Öl in Form von Primärenergie verbraucht, das entspricht 55 Kilowattstunden pro Person und Tag, wobei die reichen Länder durchschnittlich mehr als doppelt so viel verbrauchen. In vielen Entwicklungsländern liegt diese Zahl weit unter 20 Kilowattstunden; China liegt immer noch weit unter dem globalen Durchschnitt, und selbst die meisten aufstrebenden Märkte verbrauchen weniger als ein Drittel der durchschnittlichen Menge vieler Industrieländer.

Die ökonomische Theorie hinter den Bemühungen, diese Energielücken zu schließen, ist relativ einleuchtend. Bis zu einer Schwelle von etwa 100 Kilowattstunden pro Kopf und Tag gehen der Energieverbrauch und die Indikatoren für menschliche Entwicklung Hand in Hand. Bei den aktuellen Preisen würden zwischen 10 und 20 US-Dollar pro Person und Tag gebraucht, um diese Schwelle zu erreichen.

Das macht Energiesicherheit nicht nur für die Ärmsten vollkommen unerreichbar, sondern auch für die meisten Menschen in den Schwellenländern. Ausgaben von 10 Dollar pro Tag für Energiedienstleistungen würden beispielsweise das Pro-Kopf-Einkommen von Ländern wie Angola, Ekuador und Mazedonien erschöpfen. Daher sollten überall in den Entwicklungsländern große Investitionen in Energiedienstleistungen auf der Tagesordnung stehen.

Wenn mehr Energie bereitgestellt werden soll, um die Entwicklungsziele zu erreichen, ohne die Erderwärmung zu beschleunigen, muss es eine Verschiebung zugunsten einer neuen Energieinfrastruktur geben; diese sollte auf erneuerbaren Energien aufbauen (von denen die wichtigsten wahrscheinlich Sonnenenergie, Wind und Biokraftstoffe sind) sowie auf einer sauberen Energiegewinnung aus Kohle und der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung.

Das Problem ist, dass diese Optionen momentan wesentlich teurer sind als ihre CO2-lastigen Alternativen. Die politischen Entscheidungsträger in den Entwicklungsländern sind besorgt, dass arme Länder, Familien und Gemeinden nicht in der Lage wären, moderne Energiedienstleistungen zu bezahlen, wenn sie gezwungen würden, diesen Weg einzuschlagen.

* Investitionsschub in saubere Energie

Marktbasierte Lösungen für das Klimaproblem gehen das äußerst ernstzunehmende Risiko ein, Entwicklungsziele zu untergraben, gerade weil sie darauf abzielen, die Preise für Energiedienstleistungen anzuheben, um erneuerbare Energiequellen für Privatinvestoren attraktiv zu machen. In der Tat machen die protektionistischen Elemente, die diesen Vorschlägen anhaften, sie entschieden entwicklungsfeindlich.

Was also gebraucht wird, sind massive staatliche Investitionen in eine sauberere Energieversorgung, vorübergehend verbunden mit entsprechenden Subventionen, um die hohen Anfangspreise auszugleichen. Wenn eine solche Strategie auf die vielversprechendsten Technologien (z. B. Solar- und Windenergie) abzielt, würde sie durch Innovation, Lerneffekte und Skalenerträge zu einer frühen Verringerung der Stückkosten führen. Zudem würde sie dem Privatsektor klare, glaubhafte und attraktive Signale geben und zur Energieeffizienz anspornen.

Das große Hindernis ist der Zugang zu berechenbaren und erschwinglichen Finanzmitteln. Die Regierungen der reichen Länder sind in der Pflicht, diesen großen Vorstoß für saubere Energie in den Entwicklungsländern zu unterstützen, denn ihr CO2-intensiver wirtschaftlicher Wohlstand hat uns an den Rand einer Klimakatastrophe gebracht. Bisher sind die reichen Länder der Herausforderung nicht gerecht geworden. Trotz der Verpflichtungen, die sie in Kyoto, Bali und anderswo eingegangen sind, waren die Mittel, die sie in Entwicklungsländern für die Abmilderung des Klimawandels zur Verfügung gestellt haben – oder gar für die Anpassung daran – dürftig und wenig gezielt.

* Ein grüner Marshall-Plan

Der Umfang der benötigten Unterstützung lässt sich mit dem Marshall-Plan vergleichen, der 1% des BIP der Vereinigten Staaten pro Jahr für den europäischen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg bereitstellte. Doch wie beim Originalplan werden die langfristigen Ergebnisse einer solchen Verpflichtung enorm sein.

Dieses Mal trägt zudem nicht nur ein Land allein die Last, und ein umfassenderer Mix traditioneller und innovativer Finanzierungsquellen steht bereits zur Verfügung, um zur Bezahlung der benötigten Investitionsprogramme beizutragen, die Energieeffizienz und erneuerbare Energien fördern. Trotzdem ist zur Aufstockung der internationalen Unterstützung eine massive Revision des internationalen Finanzsystems erforderlich.

Im April akzeptierten die Führer der G20, dass Investitionen in eine CO2-arme Infrastruktur, insbesondere in Energiedienstleistungen, für eine wirklich nachhaltige Zukunft von Wirtschaft und Umwelt entscheidend sind. In Pittsburgh tickte bereits die Uhr für die Kopenhagener Verhandlungen im Dezember, bei denen ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll angenommen werden soll. Den G20 bietet sich dort eine reale Chance, zu zeigen, dass die Farbe des großen Geldes, mit dem sowohl die Klima- als auch die Entwicklungsziele erreicht werden sollen, wirklich Grün ist.

Jomo Kwame Sundaram ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für Wirtschaftsentwicklung.

© Project Syndicate 2009

Veröffentlicht: 5.10.2009

Empfohlene Zitierweise: Jomo Kwame Sundaram, Wie "grüne Triebe" in "grünes Wachstum" umwandeln?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E 5.10.2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).