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Zwischen Finanzmarktreform und Klimapolitik

Artikel-Nr.: DE20090930-Art.42-2009

Zwischen Finanzmarktreform und Klimapolitik

IWF und Weltbank als Retter in der Not? (I)

Nur im Web – Der internationale Gipfelmarathon geht weiter. Zwischen Pittsburgh und dem Klimagipfel in Kopenhagen findet vom 4.-7. Oktober 2009 die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Istanbul statt. Vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise und der Klimakrise erleben beide Institutionen derzeit ein bemerkenswertes Comeback. Eine Zwischenbilanz Barbara Unmüßig in zwei Teilen.

Ganz oben auf der Tagesordnung der Istanbuler Konferenz stehen die Folgen der Finanz- und Klimakrise für Entwicklungsländer. Beide Krisen treffen einige Länder des Südens und Osteuropas besonders hart. Zwar sehen IWF und Weltbank schon wieder Zeichen der Erholung der Weltwirtschaft, doch beide Organisationen konstatieren auch, dass die Krise für die Entwicklungsländer noch lange nicht vorbei ist. Weltbankpräsident Zoellick bringt es ganz gut auf den Punkt: “Während einige Länder sich zum Ausgang bewegen, bleiben noch viele in ihren brennenden Häusern zurück.“

* Die Krisengewinner

Der G20-Gipfel im April 2009 in London hat beiden Finanzinstitutionen eine erhebliche Aufstockung ihrer Finanzmittel beschert, um im globalen Süden und Osteuropa die Brände zu löschen, die die Finanz- und Wirtschaftskrise dort angefacht hat. Die Weltbank will zudem ihre Schlüsselrolle in der globalen Klimafinanzierung ausbauen. Vor Kopenhagen will sie Punkte machen und zeigen, welchen Part sie in der künftigen Architektur der milliardenschweren Klimafinanzierung einzunehmen gedenkt.

Die G20 haben IWF und Weltbank einen Blankoscheck ausgestellt und versäumt, klare Kriterien oder gar Reformen an das frische Geld zu knüpfen. Die Jahrestagung will deshalb die Krisenprogramme diskutieren. In Istanbul werden das nicht nur die Mitgliedsländer, ihre Gouverneure, die Regierungsbeamten und Zentralbanker tun, sondern auch Hunderte von Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen, die jetzt schon eine lange Tradition darin haben, das Krisenmanagement beider Institutionen unter die Lupe zu nehmen. Immer lauter – vor allem auch von Regierungen des Südens – wird die Frage gestellt, ob die Weltbank überhaupt die geeignete Organisation für den öffentlich finanzierten Klimaschutz in Schwellen- und Entwicklungsländern sein kann – besonders angesichts des bevorstehenden Klimagipfels eine der spannendsten Fragen in Istanbul.

Ohne Zweifel: Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind in den Strudel der Finanzkrise geraten, die sie selbst gar nicht mit verursacht haben. Massiv bekommen sie den Kapitalabfluss von Süd nach Nord, den Rückgang der Rücküberweisungen ihrer Arbeitsmigranten sowie die Einbrüche im Welthandel und bei den Investitionen zu spüren. Daher warnt die UNO davor, dass es 2009 erstmals seit Jahren – weltweit und in wichtigen Regionen des Südens – wieder zu einem rückläufigen Pro-Kopf-Einkommen kommen wird. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt die weltweiten Arbeitsplatzverluste alleine in diesem Jahr auf über 50 Millionen. Die Auswirkungen der im Norden verursachen Finanzkrise treffen die Ärmsten der Armen und besonders drastisch die Frauen. Die Ziele der UNO, bis zum Jahr 2015 die Armut weltweit zu halbieren, sind ein weiteres Mal in weite Ferne gerückt.

* Verbessertes Krisenmanagement?

Ironie der Geschichte: In dieser Krise erfährt ausgerechnet der IWF eine gigantische Aufwertung. Als Krisenverhinderer im Norden war er schon lange nicht mehr gefragt. Die dem IWF eigentlich bei seiner Gründung zugedachte Rolle, das internationale Finanzsystem zu überwachen, Währungskrisen und ökonomische Ungleichgewichte zu verhindern, haben die Industrieländer den IWF nicht spielen lassen, seine Ratschläge und Risikohinweise wurden im Norden in der Regel überhört.

In den Verschuldungskrisen der 1980er und 90er Jahre entwickelte sich der IWF dann nach und nach mit milliardenschweren Kreditpaketen zur Feuerwehr und zum ökonomischen Zuchtmeister der Schwellen- und Entwicklungsländer. Aber Kredite beim IWF wurden wegen der makroökonomischen Auflagen immer unbeliebter bei Regierungen im Süden. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer (Ausnahme Osteuropa) haben – nach ihren bitteren Erfahrungen mit dem Fonds – versucht, sich gegen externe Finanzkrisen zu wappnen, und ihre Schuldenberge in Zeiten des Booms schneller als erwartet abgebaut. Darüber hinaus haben sie ihren Bankensektor, z.B. mit Hilfe von Kapitalverkehrskontrollen, besser schützen gelernt. 42 von 113 Entwicklungsländern haben sich in den vergangenen Jahren hohe Währungsreserven zugelegt.

Taugt der IWF mit seinen insgesamt 850 Mrd. US-Dollar an neuem Geld nun besser als früher als Krisenmanager? Zunächst: In seinen aktuellen Rechenschaftsbericht 2009 analysiert das IWF-Management die Ursachen der Finanzkrise mit erstaunlich klaren Worten. Die Überwachung und Kontrolle der Finanzmärkte habe gefehlt, das Regelwerk sei löchrig und fragmentiert. Die Finanzaufsicht sei für ihre Aufgaben nicht hinreichend ausgestattet gewesen. Die Politik scharf wird angegriffen, weil sie sich für die globalen ökonomischen Ungleichgewichte nicht interessierte, und die Zentralbanker hätten zu einseitig nur auf die Bekämpfung der Inflation gestarrt. Entsprechend fordert der IWF mehr Regulierung, bessere Finanzmarktaufsicht, bessere Finanzmechanismen und bessere internationale Kooperation.

* Widersprüchliche Kreditauflagen

Spätestens hier stellt sich die Frage nach der alten und neuen Kreditvergabepolitik des IWF. Denn die makroökonomischen Auflagen der IWF-Kredite sind weiterhin sehr widersprüchlich. Obwohl die Kreditnehmer in einer Rezession stecken, verlangt der IWF, Haushaltsdefizite zu kürzen und die Zinsraten für Kredite zu erhöhen. Was er den unverschuldet in die Krise geratenen Entwicklungsländern rät, könnte er niemals gegenüber den großen Ökonomien in den USA und Europa durchsetzen. Denn die machen genau das Gegenteil: Sie senken die Zinsen, erhöhen die Geldmenge und weiten ihre Staatsverschuldung durch massive „Bail out“-Aktionen aus.

Ähnliches gilt auch für die Handelspolitik: Die USA und Europa schützen ihre Ökonomien nach wie vor mit selektivem Protektionismus, nicht nur im Agrarsektor. Der IWF erwartet im Gegenzug für seine Kredite aber nach wie vor die Öffnung der Grenzen. Dieser propagierte Freihandel setzt jedoch gerade den Ausverkauf natürlicher Ressourcen vieler Länder und den Export von Nahrungsmitteln fort. Schließlich müssen Importe mit Devisen finanziert und internationale Schulden zurückgezahlt werden. Doch dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, denn der Klimawandel wird die Armutskrisen im globalen Süden noch verschärfen.

Außerdem: Die neuen Kredite von IWF und Weltbank bergen die Gefahr, Schwellen- und Entwicklungsländer von neuem in die Verschuldungsspirale zu führen. Die erneute Staatsverschuldung wird die Handlungsspielräume für Armutsbekämpfung und Umweltschutz heute und morgen massiv begrenzen. Explodierende Schulden und rückläufige Staatseinnahmen (Steuern, Exporterlöse usw.) werden den Druck auf die Sozialausgaben erhöhen. Gerade die armen Länder, die unverschuldet in die Krise geraten sind, brauchen neues Geld, aber nicht als Kredit, sondern als Zuschuss, wenn deren Verschuldung nicht wieder Ausmaße wie vor den ohnehin bescheidenen Entschuldungsinitiativen des letzten Jahrzehnts annehmen soll.

* Instrumentalisierung durch den Norden

Kritische Worte in eigenen Analysen und Publikationen sind das Eine, die konkrete Kreditvergabepolitik das Andere. Hier exekutiert der Fonds immer wieder die ökonomischen Interessen seiner nördlichen Anteilseigner. Die Politik der Doppelstandards der Industrieländer gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern bringt Larry Summers, ehemaliger Chefökonom bei der Weltbank und heutiger Chefberater im Weißen Haus, auf den Punkt: „Feuer löschen fühlt sich anders an, wenn das eigene Haus brennt.“ Hier und da werden die Kreditkonditionen des IWF zwar modifiziert. Eine tiefgreifende Reform, die die neuen Kredite konsequent in den Dienst von Armutsüberwindung, Klima- und Ressourcenschutz stellt, ist jedoch nicht in Sicht.

Daran wird sich wohl auch nicht viel ändern, wenn nun die Stimmrechtsvereilung ansatzweise reformiert wird. Ihren Machtzuwachs in den G20 haben die Schwellenländer mit einem ersten Erfolg gekrönt. 5% der Stimmrechte beim IWF sollen nach den Beschlüssen von Pittsburgh zugunsten der Schwellenländer neu verteilt werden. Vor allem Europa muss Macht abgeben. Das wäre ein gewisser Fortschritt, jedoch sind die ökonomisch weniger einflussreichen Länder des Südens in den Entscheidungsgremien des IWF nach wie vor massiv unterrepräsentiert. Dabei wären gerade sie auf mehr Mitsprache in der Kreditvergabepolitik angewiesen.

Neu beim IWF ist, dass das Management sich um mehr Konsultation mit der Zivilgesellschaft bemüht. Diese will es wohl verstetigen und institutionalisieren.

* Fazit: Der IWF wird wieder gebraucht

Den IWF hat die Krise aus der Bedeutungslosigkeit zurück geholt. Als multilaterale Organisation wird er in der Tat gebraucht, z.B. für eine bessere und koordinierte Aufsicht der Finanzmärkte. Dabei hat er jedoch nur so viel Macht und Einfluss, wie ihm seine Anteilseigner zugestehen. Hier teilt der IWF sogar das Schicksal der UNO. Er lebt – bei allem institutionellen Eigenleben – von deren Vorgaben.

Auch als Finanzier zur Überbrückung kurzfristiger Zahlungsbilanzdefizite und Liquiditätsengpässen wird der Fonds gebraucht. Als Finanzier mittel- und langfristiger Kredite für Entwicklungs- und Schwellenländer spielt er jedoch nach wie vor eine zweifelhafte Rolle – eine Rolle, die ihm so bei seiner Gründung nicht zugedacht war. Es ist aber eine Rolle, die ihm die Industrieländer offensichtlich gerne überlassen, weil sie darüber immer noch einen Teil ihrer ökonomischen Interessen im Süden steuern.

Den 2. Teil mit dem Schwerpunkt „Klimapolitik der Weltbank“ finden Sie Die Weltbank in der globalen Klimafinanzierung.

Veröffentlicht: 30.9.2009

Empfohlene Zitierweise: Barbara Unmüßig, Zwischen Finanzmarktreform und Klimapolitik. IWF und Weltbank als Retter in der Not (I), in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E 1.10.2009 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).