Der Fachinformationsdienst für Globalisierung, Nord-Süd-Politik und internationale Ökologie
en

Was suchen Sie?

Auf dem Weg zu klimasmarter Landwirtschaft?

Artikel-Nr.: DE20101205-Art.66-2010

Auf dem Weg zu klimasmarter Landwirtschaft?

Wider die Einbeziehung von Boden in die CO2-Märkte

Nur im Web – Eine Roadmap zu klimasmarter Landwirtschaft (s. Hinweis) hat die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO für die Landwirtschaftsminister der Industrie- und der Entwicklungsländer entwickelt, die sich vom 31. Oktober bis 5. November 2010 in Den Haag zur Konferenz über Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Klimawandel trafen. So wird der Weg für eine Entscheidung der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) bereitet, Boden in die Kohlenstoffmärkte aufzunehmen, berichtet Susanne Gura.

Die FAO hat in den vergangenen beiden Jahren massiv die politische Trommel für eine klimasmarte Landwirtschaft gerührt, das heißt für eine Landwirtschaft, in der die Bauern Geld dafür bekommen, dass sie CO2 in ihren Böden speichern. Das heißt auch, so die FAO, dass Boden in den Kohlenstoffmarkt aufgenommen werden muss. Von dieser FAO-Strategie profitiert in erster Linie der Norden, da er seine Emissionen nicht senken muss. Die Last der Mitigation wird auf die Entwicklungsländer abgewälzt, die damit nicht nur die Risiken des Klimawandels tragen, sondern auch die Risiken des Kohlenstoffmarkts.

* Allen Warnungen aus der Zivilgesellschaft zum Trotz

Der Begriff „klimasmart“ wurde von der FAO selbst ins Spiel gebracht, und zwar in ihren Anträgen an die UNFCCC, Boden in den Kohlenstoffmarkt aufzunehmen. Die Roadmap, die zum Abschluss der FAO-Konferenz in Den Haag vorgestellt wurde, fordert die Einbeziehung von Boden in die Kohlenstoffmärkte und umfasst politische Maßnahmen, Strategien und Technologie für eine klimasmarte Landwirtschaft. Wie jedes solcher Dokumente spricht die Roadmap aber auch Finanzierungsquellen und –mechanismen an.

Schon seit die Landwirtschaft bei der UNFCCC 2008 zum Thema wurde, warnen zivilgesellschaftliche Organisationen vor der Einbeziehung von Boden in die Kohlenstoffmärkte (s. www.econexus.org). Mehr als hundert NGOs haben im Vorfeld des Ministertreffens in Den Haag ihre Besorgnis ausgedrückt.

Marktbasierte Mechanismen werden sowohl von der CBD (Biodiversitätskonvention) als auch der UNFCCC diskutiert. Bei der 10. Vertragsstaatenkonferenz der CBD in Nagoya erwies sich das Thema innovative Finanzmechanismen, einschließlich Marktmechanismen, für die Finanzierung des Biodiversitätserhalts als so kontrovers, dass ein entsprechender Beschlussentwurf nicht angenommen wurde. Bei der Vertragsstaatenkonferenz der UNFCCC in Cancún ist das Thema Kohlenstoffmarktmechanismen ebenfalls hoch umstritten. Die Entwicklungsländer möchten die bestehenden Kohlenstoffmarktmechanismen begrenzen und sind gegen die Einführung neuer Mechanismen.

* Die Risiken der Einbeziehung von Boden

Gemäß UNFCCC sind die Industrieländer gesetzlich verpflichtet, Adaption und Mitigation (also Anpassung und Minderung) auch im Bereich Landwirtschaft in den Entwicklungsländern zu finanzieren. Die sogenannte „innovative Kohlenstofffinanzierung“ wird massiv beworben, weil damit die Industrieländer ihre Verpflichtungen vermeiden können, anstatt sie erfüllen zu müssen. Die Entwicklungsländer dagegen fordern, man solle sich auf fondsbasierte Finanzierungsmechanismen konzentrieren, nicht auf Kohlenstoffmärkte. Sie fürchten, dass die tendenziell spekulativen und instabilen Kohlenstoffmärkte in Verbindung mit den komplexen Landwirtschaftsmärkten katastrophale Auswirkungen auf Ernährungsrechte, Ernährungssicherheit und Lebensunterhalt in den Entwicklungsländern haben.

Durch die Einbeziehung von Boden in die Kohlenstoffmärkte würde auch das land grabbing, der großflächige Ankauf bzw. die Anpachtung von Land, weiter beschleunigt werden. Bereits jetzt wird diskutiert, wem der Kohlenstoff „gehört“, wenn das Land Gemeinschaftseigentum, nicht individuelles Eigentum ist. Angesichts dieser Entwicklungen steht gemeinschaftlicher Landbesitz, der in der Landwirtschaft der südlichen Länder weit verbreitet ist, stärker unter Druck als je zuvor. Der Schutz der Kleinbauern vor der großflächigen Landaneignung muss als dringendes Thema konkreter angesprochen werden.

Eine bewährte Methode der Kohlenstoffbindung ist die biologische Landwirtschaft, die den Anteil an organischer Materie im Boden erhöht. Landwirtschaftliche Technologien, die dafür sorgen sollen, dass der Norden seine Emissionen über Kohlenstoffmärkte ausgleichen kann, setzen jedoch nicht nur auf Biolandwirtschaft. So will Biochar, eine der ersten dieser Methoden, fein gemahlene Holzkohle unter den Boden mischen. Wo soll jedoch ausreichend Biomasse für die Produktion der Holzkohle herkommen? Die FAO hielt sich in ihrem Dokument für die Ministerkonferenz in Den Haag zum umstrittenen Thema Holzkohle klugerweise zurück. Aber sie erwähnte ausdrücklich Conservation Agriculture – unter diesem Begriff wird eine breite Palette an Methoden der schonenden Bodenbearbeitung zusammengefasst, die alle auf das Pflügen des Bodens verzichten.

Um die Jahrtausendwende haben Monsanto und die FAO gemeinsam ein Konzept für Conservation Agriculture erarbeitet, und die Bundesregierung finanziert das entsprechende FAO-Programm. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln anstatt Pflügen ist im Interesse des Chemiekonzerns, der auch herbizidtolerantes, gentechnisch verändertes Saatgut verkauft. Die große Mehrheit des gentechnisch veränderten Saatguts ist herbizidtolerant, und die negativen Auswirkungen patentgeschützten Saatguts auf Nahrungsmittelpreise sind ebenso belegt wie die negativen Auswirkungen von Herbiziden wie Glyphosat auf Umwelt, Gesundheit und Wirtschaft.

* Einseitige Unterstützung von Gentechnologie

Die FAO schließt die schädliche Gentechnologie nicht aus ihrem Konzept für Conservation Agriculture aus. Im Gegenteil: Sie versucht, die Conservation Agriculture zu stärken, indem sie eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Themen mit einbezieht: Bodenfruchtbarkeit, Pflanzenwechsel und die stickstoffbindenden Eigenschaften von Leguminosen. Die entsprechenden Technologien können jedoch im Verbund mit dem Pflügen, aber auch mit der pfluglosen Landwirtschaft verwendet werden und gehören somit nicht per se zur Conservation Agriculture. Der Fokus der FAO auf Conservation Agriculture ist insbesondere einseitig, weil die Biolandwirtschaft nur kursorisch erwähnt wird. Die seriöse Wissenschaft hegt keinen Zweifel am Klimanutzen der Biolandwirtschaft, aber es ist wissenschaftlich umstritten, ob ungepflügter Boden Kohlenstoff speichert oder nicht. Auf Conservation Agriculture zu setzen, aber nicht auf Biolandwirtschaft ist wahrscheinlich nicht nur einseitig, es ist auch aus wissenschaftlicher Sicht fragwürdig.

Künstliche Düngemittel gelten heute als eine der wichtigsten Quellen der globalen Erwärmung. In der FAO-Veröffentlichung wird durchaus darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Kunstdünger reduziert oder völlig eingestellt werden muss. Jedoch wird nirgends – auch nicht im Kapitel zu Institutionen – ein Vorschlag gemacht, wie dieser Paradigmenwechsel vonstatten gehen soll. Auch der nicht nachhaltige Anstieg der Futter- und Treibstoffproduktion wird nicht in Frage gestellt. Würde der Norden seinen Energieverbrauch und seinen Konsum tierischer Lebensmittel reduzieren, könnte auch die globale Erwärmung verlangsamt werden.

Die Autoren der FAO-Veröffentlichung nehmen auch die Kleinbauern in die Pflicht und fordern deren Umstieg auf klimasmarte Landwirtschaft. Es fehlt dabei allerdings eine Analyse, in welchen Bereichen die kleinbäuerliche Landwirtschaft tatsächlich ihre Klimabilanz verbessern muss. Die FAO ignoriert die diesbezüglichen Erkenntnisse des IAASTD-Berichts. Dieses „International Panel on Agriculture“ aus 400 Wissenschaftlern sammelte vier Jahre lang Daten über verschiedene Landwirtschaftsformen und kam zu dem Ergebnis, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft klimafreundlicher ist als die industrielle Landwirtschaft.

* Kohlenstoffmärkte – schädliche Märkte

Es wird zu Recht argumentiert, dass „aufgrund der hohen Transaktionskosten und des geringeren potenziellen Mitigationsnutzens vieler kleinbäuerlicher Systeme der potenzielle Nutzen des Kohlenstoffmarktausgelichs für viele Kleinbauern sehr begrenzt ist“ (22). Aber der Kohlenstoffmarkt birgt noch weitere Probleme, wie das South Centre in seiner Informal Note 63 (s. Hinweis) für die Konferenz in Den Haag zeigte: Kleinbauern haben weder einzeln noch im Verbund Zugang zu Kohlenstoffmärkten. Mehr noch: Bestimmte nationale Landwirtschaftspolitiken können zum Ausgleich von Emissionen des Nordens herangezogen werden und verlieren unter Umständen dadurch völlig ihren Nutzen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Veränderungen des Kohlenstoffgehalts im Boden sind nur schwer zu messen, zu berichten und zu verifizieren (measure, report and verify – MRV), weshalb das Kyoto-Protokoll Boden aus den Kohlenstoffmärkten herausgehalten hat. Dieses MRV-Problem kann jetzt allerdings dazu führen, dass die „Annahmenkultur“, die schon im Clean Development Mechanism problematisch ist, neue Blüten treibt. So wurde in verschiedenen UNFCCC-Rahmenveranstaltungen behauptet, die Kohlenstoffbindung könne auf Landschaftsebene geschätzt werden, und die MRV-Kosten seien somit gering. Im Klartext heißt das: Reale Emissionen im Norden werden durch angenommene CO2-Bindung in Böden des Südens ausgeglichen.

Kohlenstoffmärkte haben aller Wahrscheinlichkeit nach negative Auswirkungen sowohl auf Kleinbauern als auch auf andere Bewohner des Planeten – aus folgenden Gründen:
* Sie ermöglichen es dem Norden, die Emissionen nicht zu reduzieren, was den Anpassungsdruck auf die Landwirtschaft weiter verstärkt,
* sie bieten eine Ausrede, keine öffentlichen Mittel für die Anpassung bereitzustellen,
* sie fördern die großflächige Landaneignung und generieren Mitnahmegewinne für die industrialisierte Landwirtschaft und die Landwirtschaftsindustrie,
* sie unterliegen Schwankungen und sind betrugsempfindlich, wie das IATP und andere zivilgesellschaftliche Organisationen in den UNFCCC-Verhandlungen dargestellt haben.

Der Bedarf an Instrumenten und Strategien zur Ernährungssicherung und zur Sicherung der Ernährungssouveränität sowie zum Umgang mit dem Klimawandel wurde ausführlich diskutiert, sei es von der IAASTD, dem FAO-Ausschuss für Welternährungssicherheit oder im Rahmen wichtiger Prozesse unter der Führung sozialer Bewegungen wie der Kleinbauernorganisation La Via Campesina. Wird Landwirtschaft zum Thema in den kohlenstoffmarktdominierten UNFCCC-Verhandlungen in Cancún, ist das kein Grund zur Hoffnung – weder für das Klima noch für das Recht auf Nahrung.

Hinweise:
* FAO (2010), Climate-Smart Agriculture: Policies, Practices and Financing for Food Security, Adaptation, and Mitigation, 41 S., Rom
* South Centre Informal Note 63 (22. Oktober 2010), Development, agriculture and food security: Considerations for the upcoming Global Conference on Agriculture, Food Security and Climate Change, The Hague 31 October to 5 November 2010, Genf

Veröffentlicht: 5.12.2010

Empfohlene Zitierweise: Susanne Gura, Auf dem Weg zu klimasmarter Landwirtschaft?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 5.12.2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).