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Bankenabgabe versus Finanztransaktionssteuer

Artikel-Nr.: DE20100516-Art.25-2010

Bankenabgabe versus Finanztransaktionssteuer

Diskussion geht in entscheidende Runde

Nur im Web – Noch einmal wird am 17. Mai 2010 in einem Hearing vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags das Pro und Contra einer Finanztransaktionssteuer (FTS) durchdekliniert. Am 19./20. Mai findet in Berlin eine internationale Finanzmarktkonferenz statt, die das Finanzministerium organisiert. Bundeskanzlerin Merkel hat ihr politisches Votum schon vorweg abgegeben: Eine FTS sei international nicht machbar. Nicola Liebert zeigt auf, warum das falsch ist.

Die Finanztransaktionssteuer (FTS) verbindet in geradezu mustergültiger Weise Einnahme- und Lenkungswirkung. Die alternativ dazu diskutierte Bankenabgabe trägt im Gegensatz dazu nur eingeschränkt zu den Staatseinnahmen bei und – je nach Ausgestaltung – wenig bis gar nichts zur Lenkung bzw. Regulierung des Finanzsektors. Das gilt auch für die etwas erweiterte Version einer Finanzaktivitätssteuer, die der IWF ins Spiel gebracht hat.

* Wirksames Steuerungs- und Regulierungsinstrument

Nach Einschätzung des früheren Bankmanagers und jetzigen Leiters des Capital Institute, John Fullerton, stellen die oft extrem kurzfristigen Anlagehorizonte auf den internationalen Finanzmärkten eine der wesentlichen Ursachen der Instabilität ebendieser Märkte dar. Krisenverschärfend kann es zudem wirken, wenn Marktteilnehmer Wetten auf winzige Kursveränderungen mit sehr hohen Beträgen und hohem Fremdkapitaleinsatz (leverage) vornehmen. Daher ist eine Steuer, die diese Arten der Spekulation unattraktiver werden lässt, ohne langfristige Anlagen zu schädigen, unbedingt zu begrüßen.

Ähnlich wie Fullerton argumentiert der US-Ökonom Paul Krugman von der Princeton University, demzufolge neben dem hohen Verschuldungsgrad die massive Nutzung kurzfristiger Instrumente entscheidend zum Ausbruch der Krise beitrug. Auch Bundespräsident Horst Köhler, der als ehemaliger Geschäftsführender Direktor des IWF mit der Problematik nicht unvertraut ist, begründete auf einer Tagung in München Ende April sein Eintreten für eine FTS mit der Beobachtung, die Finanzmärkte operierten hauptsächlich „mit Wetten und Schulden“.

* Gesellschaftlich nutzlose Finanzaktivitäten

Eine Untersuchung des Bruegel-Instituts vom Januar im Auftrag des Europäischen Parlaments hält vor allem die Tatsache für entscheidend, dass eine FTS „gesellschaftlich unerwünschte Transaktionen“ einzuschränken vermag. Der Vorsitzende der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde FSA, Lord Turner, hat auf einer Veranstaltung der Zeitschrift Prospect im Juli 2009 die neuen komplexen Finanzinstrumente sogar als teilweise „socially useless activity“ bezeichnet.

Auch das WIFO-Institut stellte in einer Studie fest, dass die Zunahme des spekulativen Handels in den letzten Jahren nicht nur für kurzfristige Volatilitäten verantwortlich gemacht werden kann, sondern auch für ein langfristiges Abweichen der Marktpreise von ihren Gleichgewichtswerten (Dezember 2009). Dieses Marktversagen kann eine FTS – anders als eine Bankenabgabe – zu korrigieren helfen.

Dass Spekulation die nötige Liquidität zur Verfügung stelle, zur Findung eines Gleichgewichtspreises beitrage und so letztlich systemstabilisierend wirke, dieses Argument jedenfalls erscheint durch die Finanzkrise widerlegt. Eine Tendenz der Märkte, von alleine zu einem Gleichgewicht zu finden, ist nicht erkennbar; vielmehr kommt es zu einer Aufeinanderfolge von Bullen- und Bärenmärkten. Gerade der Derivatehandel, der in den Jahren vor der Krise ein exponentielles Wachstum aufwies, hat sich von der Realwirtschaft und vom Hedging fast vollständig losgelöst und ist hauptsächlich das Ergebnis unterschiedlicher Preiserwartungen der Händler.

Die Entwertung von Vermögenswerten im Zuge der Krise war durch die vorangegangenen überschießenden Aufwertungen erst ermöglicht worden. Dieses durch exzessive Liquidität angetriebene Überschießen zu bremsen wäre durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wohl möglich gewesen, nicht aber durch eine Bankenabgabe – zumal diese ja auch nur die Banken und nicht die übrigen Marktteilnehmer erfassen würde.

Die Lenkungswirkung einer FTS ist also insgesamt eindeutig positiver zu beurteilen als die einer Bankenabgabe. Sie könnte sogar noch durch eine risikoabhängige Staffelung des Steuersatzes verstärkt werden. So könnten einem Vorschlag der RWTH Aachen folgend Wertpapiere mit geringer Komplexität niedriger versteuert als Wertpapiere mit höherer Komplexität.

Eine Bankenabgabe hingegen könnte – selbst wenn ihre Erhebung risikogewichtet erfolgt – unbeabsichtigt sogar die gegenteilige, also eine destabilisierende Lenkungswirkung entfalten. Wird mit den Einnahmen aus der Abgabe ein Krisenfonds eingerichtet, so könnten die Banken diesen als eine Art von Versicherung ansehen, in die sie schließlich selbst eingezahlt haben. Dies könnte zu einem klassischen Moral-Hazard-Problem führen, denn dann könnte der Anreiz für die Banken, Risiken zu vermeiden, sogar noch schrumpfen.

* Enormes Einnahmepotential

Die FTS generiert Einnahmen, auf die zu verzichten sich angesichts ausufernder Defizite infolge der kostspieligen Bankenrettungs- und Konjunkturbelebungsprogramme sowie angesichts der wegen der Krise unter besonderen Druck geratenen Entwicklungshilfeausgaben kein Staat leisten kann. Die Notwendigkeit der Hilfen für Griechenland und eines Schutzschirms für die gesamte Eurozone zeigte auch, dass nicht nur die Spekulation gegen einzelne Staaten und den Euro ein Gegensteuern notwendig macht, sondern auch, dass der Finanzierungsbedarf des Staates zum einen größer ist als bislang angenommen und dass zum andern die Notwendigkeit kostspieliger Rettungsmaßnahmen keineswegs auf den Bankensektor beschränkt ist.

Die Höhe der Einnahmen durch eine FTS lässt sich für Deutschland nach der Berechnungsmethode des WIFO-Instituts (s.o.) bei einem minimalen Steuersatz von 0,01% selbst unter der Annahme eines – ja durchaus erwünschten – Rückgangs des Transaktionsvolumens um knapp ein Drittel mit 0,7% des BIP beziffern; das wären 2009 knapp 17 Mrd. € gewesen. Dem stehen 1,2 Mrd. € gegenüber, die die von der Bundesregierung geplante Bankenabgabe pro Jahr einbringen soll.

Die FTS hat somit den Vorteil, dass sie über die temporär notwendige Krisenbekämpfung hinaus auch eine Möglichkeit zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben darstellt, namentlich im Bereich des Klimaschutzes und der Entwicklungspolitik.

Ein weiteres auf die Einnahmewirkung abzielendes Argument für eine Finanztransaktionssteuer lautet, dass der Finanzsektor aufgrund technischer Schwierigkeiten von den üblichen Mehrwertsteuern ausgenommen ist, was eine ungerechtfertigte Bevorzugung gegenüber der Realwirtschaft darstellt. Diese durch nichts zu rechtfertigende Unterbesteuerung könnte durch eine Transaktionssteuer behoben werden.

Die von Befürwortern der Bankenabgabe angeführte Kritik, durch eine FTS würden Akteure finanziell belastet, die die aktuelle Krise nicht verursacht hätten, ist zum einen nicht korrekt, wenn man davon ausgeht, dass allein schon die Kurzfristigkeit von Transaktionen zur Krisenanfälligkeit des Systems beiträgt. Zum andern belastet auch eine Bankenabgabe „Unschuldige“, nämlich die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, deren Geschäftsmodell kaum zur Destabilisierung der Märkte beitragen dürfte. Es ist, um es mit den Worten von DSGV-Präsident Heinrich Haasis zu sagen, nicht einzusehen, warum Sparkassen systemrelevanten Banken die Absicherung ihrer spekulativen Geschäfte finanzieren sollten.

Das Argument, eine FTS würde, weil die daraus resultierende Verteuerung von Finanztransaktionen auf die Investoren bzw. Emittenten umgelegt würde, zu einer Belastung der Realwirtschaft führen, kann ebenfalls leicht widerlegt werden. So sind die Steuersätze so gering angesetzt, dass realwirtschaftlich sinnvolle Transaktionen dadurch kaum spürbar verteuert werden. Unrentabel werden dadurch lediglich kurzfristige, hoch spekulative und oft auf Pump finanzierte Wetten auf meist nur minimale Kursveränderungen. Zugleich trägt eine FTS eben aufgrund dieses Effekts zu einer Verringerung der Volatilität auf den Finanzmärkten bei. Damit vermindert sich auch die Notwendigkeit des Hedgings, das ja seinerseits mit hohen Kosten verbunden ist.

* Umsetzbarkeit

Von ihren Kritikern wurde lange das Argument vorgebracht, eine solche Steuer sei in der Umsetzung teuer, und Ausweichreaktionen der Marktteilnehmer seien nicht zu verhindern; ja die Transaktionen würden womöglich sogar in noch weniger regulierte Schattenmärkte abgedrängt. Beide Argumente können inzwischen als widerlegt gelten.

So hat die EU-Kommission in einem durchaus FTS-kritischen Papier von Anfang April festgehalten, dass etwa die Erhebung der Börsenumsatzsteuer den britischen Staat, gemessen an den erzielten Steuereinnahmen, wesentlich weniger kostet als die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das häufig vorgetragene Argument, eine solche Steuer sei nicht durchsetzbar, weil sie sofortige Ausweichreaktionen der Finanzmarktakteure in Steuer- und Regulierungsoasen zur Folge hätte, entbehrt jeder Grundlage, da praktisch alle Finanztransaktionen weltweit über wenige zentrale Zahlungssysteme abgewickelt werden, die in den Steueroasen nicht vorhanden sind und aufgrund der technischen Komplexität und hohen Sicherheitsanforderungen auch nicht realisierbar sind.

Dies hat mittlerweile auch der IWF bestätigt. In seinem dem G20-Finanzministertreffen im April in Washington vorgelegten, von der BBC veröffentlichten Zwischenbericht schreibt er, mit einem Ausweichen sei nicht zu rechnen. „Die Erhebung von Steuern auf eine breite Auswahl börsengehandelter Wertpapiere kann einfach und billig sein, wenn sie über zentrale Clearingstellen erfolgt“, so der IWF weiter. Dabei hatte IWF-Direktor Strauss-Kahn seine Ablehnung der FTS noch auf dem G20-Treffen in Pittsburgh im vergangenen Jahr genau mit dem Ausweichen der Akteure begründet. Die Beliebigkeit der Argumente gegen eine FTS weist nach Auffassung des Netzwerks für Steuergerechtigkeit darauf hin, dass es den Gegnern einer Finanzmarktsteuer nicht immer um sachliche Fragen geht, sondern oftmals nur darum, die FTS mit allen Mitteln zu verhindern.

Ohnehin spricht die Tatsache, dass sich der weltweite Handel mit Finanzprodukten auf außerordentlich wenige, aber dabei doch extrem teure Zentren wie New York und London konzentriert, dafür, dass hier Netzwerkexternalitäten – der direkte Austausch und auch der informelle
Zugang zu Informationen – eine wichtige Rolle spielen, die nicht aufgrund einer marginalen Steuer aufgegeben würden. Um eine FTS durchzusetzen, wäre es also politisch hinreichend, wenn sich diese Zentren – in der EU neben London allenfalls noch Frankfurt – darauf einigen.
würden.
Hinweis:
* Der Beitrag basiert auf einer Stellungnahme, die die Autorin für das Internationale Netzwerk Steuergerechtigkeit auf dem Bundestagshearing am 17. Mai 2010 abgegeben hat.

Veröffentlicht: 16.5.2010

Empfohlene Zitierweise: Nicola Liebert, Bankenabgabe versus Finanztransaktionssteuer, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, 16. Mai 2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).