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Eine Grüne Revolution für Afrika?

Artikel-Nr.: DE20100602-Art.29-2010

Eine Grüne Revolution für Afrika?

Maßgeschneidert, jenseits alter Blaupausen

Preiswerte Technologien und ein Innovationsschub, der von der bäuerlichen Landwirtschaft selbst ausgeht und vorangetrieben wird, sollen Afrikas Landwirtschaft aus der Stagnation und die ländliche Bevölkerung aus Ernährungsunsicherheit und Einkommensarmut befreien. Dies empfiehlt die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in einem Bericht, den Uwe Hoering vorstellt.

Die Fokussierung auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft als das Mittel der Wahl gegen Armut, Unterentwicklung und das sich abzeichnende Scheitern der Millennium-Entwicklungsziele ist spätestens seit dem Weltentwicklungsbericht 2008 der Weltbank („Agriculture for Development“) ein zentraler Topos der entwicklungspolitischen Diskussion geworden. Das gilt ganz besonders für Afrika, wo ein Großteil der Bevölkerung nach wie vor in den ländlichen Regionen und von kleinbäuerlicher Landwirtschaft lebt – häufig mehr schlecht als recht.

* Ernährungssicherheit und Innovation

Auch der Technology and Innovation Report 2010 der UNCTAD mit dem Titel “Enhancing Food Security in Africa Through Science, Technology and Innovation“ („Förderung der Ernährungssicherheit in Afrika durch Wissenschaft, Technologie und Innovation“; s. Hinweis) setzt seine Hoffnungen darauf. Um durch Technologie und Innovation die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und die Einkommen aller Bauern zu verbessern, müssten insbesondere „die Erfordernisse und Fähigkeiten von Afrikas Millionen Kleinbauern“ und ihre Möglichkeiten, „auf die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen des Kontinents zu reagieren“, in den Blick genommen werden. Eine „Grüne Revolution“ in Afrika könne nicht die landwirtschaftlichen Erfolgsmethoden aus Asien und Lateinamerika übernehmen, sondern müsse „die Innovationsfähigkeiten des afrikanischen Agrarsystems stärken“.

An Stelle „radikaler Entdeckungen“ seien „schrittweise Verbesserungen bei Verfahren, Produkten, Betriebsmitteln und Ausrüstung notwendig“. Nicht große Bewässerungssysteme seien daher gefragt, sondern neue Technologien wie preisgünstige Methoden der Tröpfchenbewässerung, verbesserte Tretpumpen und Auffangsysteme für Regenwasser, also Technologien, die sich bäuerliche Betriebe auch leisten können. Ähnliche Möglichkeiten sieht der Bericht auch in anderen Bereichen wie Biotechnologie, Düngereinsatz, Schädlingsbekämpfung, Bodenbearbeitung und Schutz gegen die oft extrem hohen Nachernte-Verluste bei Nahrungsmitteln.

Außerdem empfiehlt der Report „smart subsidies“, ein Begriff, den er von der Weltbank entlehnt hat, also gezielte Subventionen, um zum Beispiel den Zugang zu Industriedünger zu ermöglichen. „Ein Technologie-Paket für eine wirklich afrikanische Grüne Revolution muss die extrem unterschiedlichen menschlichen, ökologischen und ökonomischen Situationen auf dem Kontinent berücksichtigen“, setzt sich der UNCTAD-Report von Blaupausen und vorgefertigten Lösungsmustern ab.

* Kleinbauern im Mittelpunkt

So weit, so gut. Dass die Landwirtschaft und da wiederum besonders die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln in den vergangenen 40 Jahren besonders in den ärmsten Ländern stagnierte oder sogar rückläufig war, ist längst eine Binsenweisheit, ebenso wie die Erkenntnis, dass diese Vernachlässigung auch ein Ergebnis von Strukturanpassungspolitik und dem durch sie erzwungenen Rückzug des Staates aus wirtschaftlichen Aktivitäten zugunsten privatwirtschaftlichen Engagements ist. Damit haben agrarpolitische Entscheidungen sowohl von nationalen Regierungen wie von internationalen Finanz- und Entwicklungsinstitutionen wie der Weltbank dazu beigetragen, dass die bäuerliche Landwirtschaft in vieler Hinsicht wenig produktiv ist und unter vielfältigen Problemen wie ungesicherten Landnutzungsrechten, weniger effizienten Anbaumethoden und unzulänglichem Marktzugang zu leiden hat.

Agrarhilfe an der gesamten ODA


Nach zahlreichen Studien, darunter besonders prägnant der Bericht des sog. Weltagrarrats (IAASTD), ist es inzwischen auch keine neue Botschaft mehr, dass eine Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft der vielversprechendste Ansatz ist, um Armut und Ernährungsunsicherheit großer Bevölkerungsgruppen, aber auch gravierende Umweltschäden zu verringern. Es kommt aber darauf an, wie diese Einsicht umgesetzt werden soll.

Dafür legt der UNCTAD-Bericht ein Dutzend Empfehlungen vor, die allerdings alle nicht sonderlich originell sind: So sollten die Bauern im Mittelpunkt aller Maßnahmen stehen und gestärkt werden, indem sie in die Erarbeitung von Umsetzungsprogrammen einbezogen werden. Die Politik sollte ein förderliches Umfeld für landwirtschaftliche Innovationen im Sinne der Kleinbauern schaffen, wozu unter anderem auch die Rolle „privater Märkte“ gezählt wird, „möglichst viele öffentliche Güter einschließlich der Agrarforschung zu produzieren“. Anforderungen an Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Anbauprodukte und die möglichen Auswirkungen von Geistigen Eigentumsrechten müssten berücksichtigt werden, öffentliche Investitionen sollten steigen und zielgerichteter eingesetzt werden und Maßnahmen besser an lokale agro-ökologische Bedingungen angepasst werden.

Immerhin lässt der Bericht gängige Klischees wie die „Chancen“ durch ausländische Direktinvestitionen in die Landwirtschaft – auch als „land grabbing“ bezeichnet – aus, wohl ahnend, dass sie gerade für die kleinbäuerlichen Betriebe, für die er sich so einsetzt, äußerst begrenzt oder sogar gefährlich sind. Auch andere Wundermittel, die die landwirtschaftliche Produktivität steigern und das Wachstum beschleunigen sollen, wie die Gentechnologie, die Integration in die globalen Produktions- und Wertschöpfungsketten oder die Vertragslandwirtschaft umschifft der Bericht oder hängt die Erwartungen daran zumindest recht niedrig.

* Es fehlt die Vision für eine wirkliche Agrarwende

Umgekehrt „vergisst“ er aber auch, auf die Gefährdungen für die Strategie, der bäuerlichen Landwirtschaft auf die Füße zu helfen, hinzuweisen: Agroindustrie, spekulativ schwankende Weltmarktpreise und Freihandelsabkommen steuern ebenso wie die Dominanz der Agrarindustrie im Forschungs- und Technologiebereich die landwirtschaftliche Entwicklung in eine ganz andere Richtung – in Richtung Monokulturen, agroindustrielle Rohstoffe einschließlich Agrartreibstoffe, patentiertes Saatgut und andere kostspielige Betriebsmittel.

Stattdessen begnügt sich der Bericht damit, die afrikanischen Politiker aufzufordern, sich – mit etwas Hilfe ihrer Freunde in den Entwicklungsinstitutionen – stärker für die Förderung von Agrarentwicklung und -forschung einzusetzen: „Die meisten Empfehlungen richten sich auf Interventionen auf nationaler Ebene, es gibt aber auch die Notwendigkeit einer Koordination zwischen den Ländern in Subsahara-Afrika und darüber hinaus.“

Natürlich kann man von einem „Technologie- und Innovations-Report“ keine umfassende Analyse einer zukunftsweisenden Agrarpolitik erwarten. Aber ohne solche Rahmenbedingungen zu reflektieren, die für Erfolg oder Scheitern der Vorschläge entscheidend sind, verliert der gesamte Bericht an Überzeugungskraft. Dadurch kann er keine wirkliche Vision für eine Wende in Afrikas Landwirtschaft entfalten. Als eine Ansammlung einer Reihe mehr oder weniger beliebiger Empfehlungen geht er an den Realitäten weitgehend vorbei und dürfte damit auch für die Realisierung einer besseren Landwirtschaft in Afrika kaum eine Rolle spielen.

Hinweis:
UNCTAD, Technology and Innovation Report 2010: Enhancing food security in Africa through science, technology and innovation, 106 pp, United Nations: New York-Geneva 2010. Bezug: über www.unctad.org

Veröffentlicht: 2.6.2010

Empfohlene Zitierweise: Uwe Hoering, Eine Grüne Revolution für Afrika?, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E 06/Juni 2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).