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Entwicklungspolitische Strategie unter Obama

Artikel-Nr.: DE20100111-Art.02-2010

Entwicklungspolitische Strategie unter Obama

Hillary Clintons vage Vorgaben

Nur m Web – Die US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hat in einer Rede vor dem Center for Global Development (CDG) in Washington angekündigt, Entwicklungspolitik – gemeinsam mit Verteidigung und Diplomatie (die “drei D’s”: defence, diplomacy, development) – zu einer “zentralen Säule” der US-Außenpolitik machen zu wollen. Resultate statt Ideologie soll zum neuen Leitmotiv der entwicklungspolitischen Strategie Washingtons werden, schreibt Jim Lobe.

In der als programmatisch angekündigten Rede listete Clinton Anfang Januar 2010 sechs Schlüsselmerkmale auf, die entwicklungspolitischen Ansatz der Administration von Barack Obama kennzeichnen sollen. Dazu gehört eine bessere Koordination mit den Empfängern, mit anderen Gebern und unter den vielen US-Institutionen, darunter das Pentagon, die mit der Abwicklung der Auslandshilfe befasst sind. Desweiteren soll eine stärke Konzentration auf Schlüsselsektoren in den armen Ländern durchgesetzt werden, namentlich auf die Bereiche Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Sicherheit, Bildung, Energie und lokale Regierungsführung.

Washington beabsichtigt ebenso, seine Investitionen in neue Technologien zu erhöhen, die “Milliarden von Menschen gestatten werden, den Sprung ins 21. Jahrhundert zu schaffen, nachdem sie die Durchbrüche des 20. Jahrhunderts verpasst haben“. Einen höheren Stellenwert sollen auch Projekte erhalten, die zur Verbesserung der Lage der Frauen entwickelt werden – ein Punkt, der „von persönlicher Bedeutung für mich ist und für den ich fast vier Jahrzehnte lang gearbeitet habe“, so Clinton.

* Unsicherheit über die weitere Ausrichtung

Die US-Außenministerin unterstrich darüber hinaus ihre Entschlossenheit, die lange vernachlässigte US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) wieder aufzuwerten und aus ihr „die erste Entwicklungsagentur der Welt“ zu machen. Dabei will sie sich weniger auf private Vertragsfirmen verlassen, die von allem unter George W. Bush zu den Hauptprofiteuren der US-Auslandshilfe geworden waren:

„Zu lange haben wir uns bei Schlüsselleistungen auf Vertragsunternehmen verlassen und unsere eigenen professionellen und institutionellen Kapazitäten vernachlässigt”, heißt es in der Rede. „Das muss sich ändern. Vertragsunternehmen sind dazu da, uns zu unterstützen, nicht uns zu ersetzen. USAID und das State Department müssen über das Personal, die Expertise und die Ressourcen verfügen, um unsere Programme entwerfen, umsetzen und evaluieren zu können.”

Clinton hielt ihre Rede vor dem Hintergrund einer anhaltenden Unsicherheit über die Zukunft der Entwicklungspolitik und die genaue Rolle von USAID, deren jugendlicher neuer Administrator, Rajiv Shah, vom Senat auch erst Anfang des Jahres bestätigt und vereidigt wurde. Schah ist ein 36 Jahre alter Arzt, der vor seiner Nominierung im letzten November kurz als Untersekretär für Forschung und wissenschaftlicher Direktor im Landwirtschaftsministerium Dienst tat, nachdem er zuvor leitende Positionen in der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung in Seattle inne hatte.

Die Administration lässt derzeit zwei Untersuchungen zur Entwicklungspolitik durchführen: die erste durch den Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses mit dem Titel „Presidential Study Directive on Global Development”, und die zweite durch das State Department selbst unter dem Titel „Quadrennial Diplomacy and Development Review“ (QDDR). Beide werden wohl eine zentrale Bedeutung für die künftige Entwicklungspolitik und ihre Durchführungsorganisationen haben.

* Welche Zukunft für USAID?

USAID war während des Kalten Krieges die bei weitem wichtigste Behörde für Auslandshilfe Washingtons, verlor in den letzten beiden Jahrzehnten – und vor allem unter der Bush-Administration – aber stetig an Einfluss, Finanzmitteln und Personal. Mit dem nach 9/11 beginnenden „Globalen Krieg gegen den Terror“ wurde beispielsweise dem Pentagon die Verantwortung und hunderte von Millionen Dollar für das “nation building” und andere entwicklungspolitisch relevante Aufgaben übertragen, die traditionellerweise bei USAID angesiedelt waren.

Hinzu kam, dass die Bush-Administration in ihrer Skepsis gegenüber Regierungseffizienz oft private Auftragsunternehmen bevorzugte, für die die letzten acht Jahre eine wahre Bonanza waren. Darüber hinaus verlor USAID die geringe Autonomie, die sie hatte, völlig, als sie 2006 ins State Department integriert wurde, um eine bessere Koordinierung zwischen diplomatischen Initiativen und der Entwicklungsarbeit sicherzustellen.

Zu guter Letzt wurde die Klientel von USAID mit der Gründung einer separaten Millennium Challenge Corporation (MCC) effektiv auf leistungsschwache und konfliktgeschüttelte Länder wie Afghanistan und den Jemen oder auf die bloße Katastrophen-Nothilfe reduziert. Die MCC wurde geschaffen, um zu gewährleisten, dass mehr bilaterale Mittel an Entwicklungsländer fließen, die politisch als reformbereit und ökonomisch als liberalisierungswillig gelten. Gegenwärtig bekommen 19 Länder MCC-Hilfe im bilateralen Rahmen.

Die beiden Untersuchungen der Obama-Administration sollen diese und andere Fragen besprechen, doch Clinton, die sich positive über die Arbeit der MCC äußerte, ließ ebenfalls erkennen, dass sie gegen die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von USAID sei und schon gar nicht für die Erhebung ihres Administrators in den Kabinettsrang, wie von einer Anzahl entwicklungspolitischer Experten empfohlen worden war.

Während Schah einen guten Eindruck bei den Hearings anlässlich seiner Ernennung im Senat machte, äußerten sich einige USAID-Fürsprecher besorgt darüber, dass sein relative junges Alter und seine Unerfahrenheit in Washington es ihm erschweren werde, die längerfristigen Entwicklungsinteressen seiner Behörde gegenüber dem kurzfristigeren politischen und Sicherheitkalkül der mächtigeren Player wie dem Pentagon, dem Finanz- und dem Außenministerium durchzusetzen.

* Integration von Entwicklung und Krieg?

Weil die beiden Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, ließen Clintons Ausführungen wenige Rückschlüsse darauf zu, wie man sich die angekündigte “Wiederaufwertung von USAID zur ersten Entwicklungsagentur der Welt” oder andere Innovationen in der Verwaltung vorzustellen hat. Gleichwohl versicherte sie, dass Washingtons Interesse an einer langfristigen Entwicklung in armen Ländern nicht im Widerspruch zu kurzfristigeren Überlegungen stehen müsse.

“Wir arbeiten daran, Entwicklungspolitik und Verteidigung und Diplomatie vor Ort starker zu integrieren”, heißt es in der Rede in Erläuterung des “Drei-D-Konzepts“ der Administration. „Ich weiß, dass der Begriff ‘Integration’ Alarmglocken schlagen last. Es gibt die Befürchtung, dass Integration der Entwicklungspolitik Verwässerung oder Politisierung bedeutet, dass unsere langfristigen Entwicklungsziele zugunsten kurzfristiger Ziele aufgegeben werden oder dass mehr und mehr Entwicklungsarbeit unseren Diplomaten oder Verteidigungsexperten übertragen wird. Doch das werden wir nicht tun. Vielmehr wollen wir die entwicklungspolitische Expertise unserer Diplomaten und Militärs stärken und umgekehrt. Die drei D’s müssen sich gegenseitig verstärken.“

Clinton sagte, sie wolle ein Entwicklungsmodell, das “auf Partnerschaft, nicht auf Patronage” beruht und “auf Konsultation statt auf Dekreten”. Über ein kooperativeres Verhältnis zu den Hilfeempfängern wolle Washington enger mit anderen bilateralen Gebern zusammenarbeiten, auch mit Schwellenländern wie China, Brasilien und Indien (die sie als „wichtige Akteure globaler Entwicklung“ bezeichnete) sowie mit multilateralen Organisationen wie der Weltbank oder Hilfsorganisationen wie der Gates-Stiftung, CARE, Oxfam und der Clinton-Stiftung.

Was die sektoralen Schwerpunkte der Entwicklungshilfe Washingtons betrifft, so kündigte sie Pläne zur Investition von 3,5 Mrd. Dollar in den nächsten drei Jahren in Ländern an, in denen die Landwirtschaft zu mehr als 30% zum Bruttoinlandsprodukt und mehr als 60% zur Beschäftigung beiträgt und in denen mehr als 70% des Familieneinkommens für Ernährung ausgegeben wird. Sie bekräftigte auch die Zusagen der Vorgängeradministration, 63 Mrd. Dollar für die globale Gesundheitsversorgung bereitzustellen. Diese sollen zusätzlich zum Kampf gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose zur Verbesserung der lokalen Gesundheitssysteme ausgegeben werden. Was technologische Innovation betrifft, so verwies Clinton auf die Rolle der USA in der sog. Grünen Revolution, bei der Entwicklung von Massenimpfprogrammen und bei der Förderung solargetriebener Laptops.

Jim Lobe ist Washington-Korrespondent des Interpress Service (IPS). Er betreibt einen Blog über US-Außenpolitik (www.ips.org/blog/jimlobe/). © IPS.

Veröffentlicht: 11.1.2010

Empfohlene Zitierweise: Jim Lobe, Entwicklungspolitische Strategie unter Obama. Clintons unklare Vorgaben, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 11. Januar 2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).