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Genderpolitik und Frauen-Empowerment rückläufig

Artikel-Nr.: DE20100422-Art.21-2010

Genderpolitik und Frauen-Empowerment rückläufig

Der neue IEG-Report der Weltbank

Vorab im Web - Die Independent Evaluation Group (IEG) hat eine Evaluierung der gender-bezogenen Maßnahmen der Weltbank zwischen 2002 und 2008 vorgelegt, über die das Weltbank-Management wenig erfreut war. Die Evaluierung bestätigt den Trend, der kürzlich in der Bilanz 15 Jahre nach der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking konstatiert wurde: Der Höhepunkt des Gender Mainstreaming, der Gleichstellungsbemühungen und der Förderung von Frauen-Empowerment ist überschritten (s. W&E 03-04/2010). Christa Wichterich resümiert die Evaluierung der Weltbank in diesem Kontext.

Insgesamt stellte die IEG-Evaluierung Fortschritte der gleichstellungsrelevanten Aktivitäten der Weltbank zwischen 2002 und 2008 im Vergleich mit den 1990er Jahren fest. Die genaue Auswertung des Beitrags der Weltbank zu Geschlechtergleichheit in zwölf ausgewählten Ländern führte jedoch zu einem weniger positiven Ergebnis. Sie fokussierte auf drei Bereiche: 1) Investitionen in Humankapital, 2) Zugang zu ökonomischen Ressourcen und Möglichkeiten, und 3) Stimme/Partizipation bei der Planung und Implementierung von Entwicklung.

In nur vier der zwölf Länder trug die Bank signifikant zur Verringerung von Geschlechterdisparitäten in zwei Bereichen bei. In sechs Ländern war die Wirkung bescheiden und bezog sich nur auf einen der vier Bereiche, in zwei Ländern gab es keine signifikanten Beiträge zu Geschlechtergleichstellung. Die Fortschritte sind vor allem Ergebnis des Gender Mainstreamings in Bank-Aktivitäten, das Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre stattfand.

* Wieder auf dem Rückzug

Ein neuer Gender-Fokus entstand, als die Bank 2001 Country Gender Assessments (CGA) als neues diagnostisches Instrument entwickelte. Jedes Empfängerland sollte ein CGA auf Landesebene bis Ende 2005 vorlegen und sektorale Prioritäten für Gender-Maßnahmen identifizieren, um die Effektivität zu erhöhen. Die CGA-Strategie signalisiert eine Akzentverschiebung von einem allgemeinen Gender Mainstreaming auf Projekt-Ebene zu einem selektiven, strategischen Ansatz auf Landesebene. Die CGAs sollen Geschlechterunterschiede identifizieren, die hinderlich für Wachstum, Armutsreduktion und Wirksamkeit der Entwicklungshilfe sind, nicht aber Bezug nehmen auf das normative Frauenrechtsparadigma, dem sich die Weltfrauenkonferenz in Peking verschrieben hatte.

Der Höhepunkt geschlechterpolitischer Aktivitäten der Weltbank war bereits 2003/4 erreicht. Nach 2005 wurden nur noch wenige CGAs entwickelt und weniger gemainstreamt. Die Bank führte vor allem in Ländern mit großen Geschlechterdisparitäten Gender-Maßnahmen durch. Erfolgreich waren die Gleichstellungsbemühungen vor allem in Ländern, die solche Programme selbst nachgefragt hatten, wie z.B. Bangladesh and Ghana. Die Bedeutung der gender-bezogenen Maßnahmen ging jedoch insgesamt zurück, weil die Regierungen in den CGAs oft nur wenige Sektoren als gender-relevant auswählten, vor allem Bildung und Gesundheit, wie z.B. in Pakistan und Bolivien. Dagegen wäre es in diesen Ländern zielführend gewesen, Gender-Ansätze z.B. auch in die Landwirtschaft und städtischen Dienstleistungen zu integrieren. Außerdem waren sogar im Gesundheits- und Bildungsbereich die Fortschritte nicht nachhaltig, die Unterstützung ging in den letzten Jahren zurück.

Auf der Landesebene wurde Gender Mainstreaming nicht institutionalisiert, so dass es fraglich ist, ob der Ansatz wirklich implementiert wird. Ein Beispiel für die geringe Wirkung der Geschlechterpolitik der Bank ist die Aufmerksamkeit für Bildung in Sambia: Auf einen ambitionierten Anfang folgte eine unzureichende Implementierung; dann wurde ein neuer Ansatz eingeführt, der die Vorteile vorheriger Maßnahmen nicht weiterführte. Meistens waren einzelne Projekte der Ansatzpunkt für Gender-Themen, selten war es die makro-politische oder makro-ökonomische Ebene von Regierungspolitiken, Gesetzen oder Regularien, obwohl in der Geschlechterpolitik hinreichend bekannt ist, dass beides, Mikro- und Makroansätze verknüpft werden müssen.

* Gender-Aktionsplan verpufft

Der Gender Action Plan (GAP) “Gender equality as smart economics” sollte die Dezifite bei der Institutionalisierung von Country Gender Assessments kompensieren. Der GAP 2007 führte zu einer Revitalisierung des Gender-Ansatzes, allerdings nur bezogen auf ökonomisches Empowerment von Frauen auf vier Märkten, dem Produkt-, Finanz-, Land- und Arbeitsmarkt. Allerdings wurde er wiederum nicht systematisch mit den CGAs verknüpft. Seine Fortführung ist unklar, da die Finanzierung in diesem Jahr ausläuft.

Es ist erstaunlich, dass die Weltbank trotz aller Gender-Rhetorik im vergangenen Jahrzehnt immer noch kein kohärentes Gender-Konzept entwickelt hat, das systematisch das allgemeine Gender Mainstreaming mit den einzelnen Sektoren und der Landesebene verknüpft. Nicht weniger erstaunlich ist, dass trotz der Hype um Indikatoren, Gender-Statistiken und Instrumente in der Entwicklungsindustrie, immer noch kein effektives Monitoring-System und kein resultatorientierter Zielkatalog existieren, um sowohl die Bank als auch die einzelnen Regierungen zur Rechenschaft ziehen zu können. Außerdem sind konsistente geschlechtsdisaggregierte Daten immer noch nicht ausreichend vorhanden.

* Gender Mainstreaming an den Grenzen

Die IEG-Evaluierung bestätigt damit die Ergebnisse anderer Entwicklungsagenturen und Geschlechterpolitiken: Überall ist Gender Mainstreaming nur begrenzt erfolgreich und ist zudem zum Stillstand gekommen. Die Unterstützung für Frauenförderung und Frauenrechte ist rückläufig. Das zeigt, dass die Reduktion von Geschlechterungleichheiten kein progressiver und nachhaltiger Prozess ist, sondern vielerorts stagniert, nicht nachhaltig oder regressiv ist. Im Fall der Weltbank reduzierte der smarte Gender Action Plan 2007 Frauen-Empowerment und Geschlechtergleichheit einmal mehr auf das Kerngeschäft der Bank: Wachstum durch Marktintegration von Frauen und Maximierung von Effizienz.

Das Management der Weltbank versuchte, die ausführliche Kritik der IEG-Evaluierung zu widerlegen, konnte aber in einer Reihe von Punkten keinen Konsens erzielen. Es betonte den festgestellten Fortschritt statt sich mit der Warnung der Evaluierung auseinanderzusetzen, dass die zukünftigen Resultate noch weniger positiv sein werden, wenn nicht – basierend auf einem starken Engagement des Managements – der Abwärtstrend des Gender Mainstreaming umgekehrt, Gender Politik systematisch institutionalisiert und die verschiedenen Aktivitätsebenen kohärent verknüpft werden.

Hinweis:
* Independent Evaluation Group (IEG), Gender and Development. An Evaluation of World Bank Support, 2002-2008, 144 pp, The World Bank: Washington DC 2010. Bezug: über www.worldbank.org/ieg/gender/index.html
Veröffentlicht: 22.4.2010

Empfohlene Zitierweise: Christa Wichterich, Genderpolitik und Frauen-Empowerment rückläufig. Der neue IEG-Report der Weltbank, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, 22.4. 2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).