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Wege aus den globalen Ungleichgewichten

Artikel-Nr.: DE20100413-Art.15-2010

Wege aus den globalen Ungleichgewichten

Ein Plädoyer des South Centres

Vorab im Web - In den letzten Wochen gab es schrille Angriffe von Mitgliedern des US-Kongresses und von US-Ökonomen auf die chinesische Wirtschaftspolitik. Danach ist die chinesische Politik der Bindung der eigenen Währung an den Dollar für die Unterbewertung des Yuan verantwortlich, hat zu Chinas großem Handelsbilanzüberschuss geführt und ist ein Hauptgrund für die wirtschaftlichen Probleme der Amerikaner. Martin Khor stellt einen neuen Report vor, der dem China-Bashing eine realistische Strategie des Ausgleichs der globalen Ungleichgewichte gegenüber stellt.

Die Vorwürfe gehen inzwischen über bloße Rhetorik oder die akademische Ebene hinaus. Wenn das US-Finanzministerium in einem für den 15. April erwarteten Bericht China der Währungsmanipulation bezichtigen sollte, könnte das im Kongress zur Verhängung von Strafzöllen auf chinesische Importe führen. Der Ökonom Paul Krugman, einer der heftigsten Befürworter von Aktionen gegen China, schlägt sogar einen Zollaufschlag von 25% vor. Solche drastischen Maßnahmen wiederum könnten einen Handelskrieg auslösen, den heutzutage niemand gebrauchen kann, versucht die Weltwirtschaft doch nach der schlimmsten Rezession seit 60 Jahren wieder Tritt zu fassen.

* Anpassung der USA: Folgeprobleme im Süden

Ein neuer Report des South Centres, den dessen Sonderberater Yilmaz Akyüz, der frühere Chefökonom von UNCTAD, verfasst hat, wirft ein interessantes Licht auf die globalen wirtschaftlichen Ungleichgewichte, die Situation in den wichtigsten Volkswirtschaften und die notwendigen Handlungsperspektiven. Der Bericht mit dem Titel „Global economic prospects: The recession may be over but where next?” (Globale Wirtschaftsaussichten: Die Rezession mag vorüber sein, doch was folgt?) erkennt an, dass sich die US-Wirtschaft (mit ihrer hohen Verschuldung der privaten Haushalte und ihrem Handelsdefizit) einem Anpassungsprozess unterziehen muss, der auch das Überkonsumptionsproblem angeht.

Doch wird diese Anpassung für viele Entwicklungsländer mit besonderen Problemen verbunden sein, da sie mit steigenden Zinssätzen (was schlecht für verschuldete Länder wäre) und mit einem höheren Dollarkurs verbunden sein könnte, der einen Abwärtsdruck auf die Währungen in defizitären Entwicklungsländern und auf die Rohstoffpreise ausüben würde.

Bislang haben die Vereinigten Staaten und China mit großen fiskalischen Anreizen und einem aggressivem „monetary easing“ (d.h. Bereitstellung von Liquidität über die Zentralbanken; d.Red.) am stärksten auf die Krise reagiert. In China gab es ein hohes Exportwachstum, das in den Jahren vor der Krise für ein Drittel des chinesischen BIP-Wachstums verantwortlich war. Doch in der weltwirtschaftlichen Debatte hat sich die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen zwischen den USA und China konzentriert, während die Rolle Deutschlands und Japans vernachlässigt wurde, wie der Report ausführt.

* Deutschland und Japan problematischer als China

Diese beiden Länder – Deutschland und Japan – haben wie China hohe Leistungsbilanzüberschüsse, die sich vor der Krise in Deutschland auf 7,4% des BIP und bei Japan auf 4,8% beliefen. Sie haben auch mit den USA hohe Handelsbilanzüberschüsse, die bei Deutschland 50 Mrd. und bei Japan 75 Mrd. US-Dollar betragen. Der Handelsüberschuss Chinas ist mit insgesamt 11% des BIP und gegenüber den USA mit 270 Mrd. Dollar höher. „Doch“, so vermerkt der Report, „der Beitrag Japans und Deutschlands zu globaler Nachfrage und Wachstum ist viel geringer als der Chinas, während ihre Exportabhängigkeit viel größer ist.“

Erstens ist der reale Wert des chinesischen Handelsüberschusses mit den Vereinigten Staaten niedriger als in den Bruttozahlen zum Ausdruck kommt, da die chinesischen Exporte einen hohen Anteil importierter Komponenten enthalten. So belief sich der Handelsüberschuss Chinas mit den USA in 2005 konventionell gerechnet auf 172 Mrd. Dollar, doch auf nur 40 Mrd. Dollar, wenn nur der Wertschöpfungsanteil berechnet wird, also der Betrag, der nach Abzug der Importkomponenten am Export beider Länder bleibt.

Löhne und Privatkonsum in Deutschland und Japan


Im gleichen Jahr lag Japans Überschuss mit den USA bei 85 Mrd. Dollar. Da der Importgehalt in den japanischen Exporten niedriger ist als bei den US-Exporten, ist der Wertschöpfungsanteil des japanischen Überschusses mit den USA höher als bei China.

Zweitens, und das in noch wichtiger, „Japan und vor allem Deutschland haben globale Nachfrage aufgesaugt, ohne selbst viel zum globalen Wachstum beigetragen zu haben“, schreibt Akyüz. Zwischen 2002 und 2007 wuchsen die Exporte Deutschlands 20 mal schneller als die heimische Nachfrage und die Japans 8,5 mal schneller, während dieser Wert bei China unter 3 liegt. Während die Exporte in China 34% zum BIP-Wachstum beitrugen, steuerten sie in Japan 50% und in Deutschland 143% zum Wachstum bei. In anderen Worten: Selbst wenn es in China keinerlei Exportwachstum gegeben hätte, wäre das Wachstum insgesamt immer noch hoch. Doch im Falle Deutschlands wäre das BIP ohne Exportwachstum zwischen 2002 und 2007 um 1% pro Jahr gefallen.

* Unterkonsumption ist das Hauptproblem

Der Autor des Reports bezeichnet die Unterkonsumption als ein Hauptproblem in Deutschland und Japan. In Deutschland gab es wegen der Überbetonung der Preisstabilität eine hohe Arbeitslosigkeit und stagnierende Löhne. In beiden Ländern ist die Lohnquote gefallen, was den Konsum gedrückt hat.

Diese beiden fortgeschrittenen Länder müssen somit ihren Beitrag zur globalen Nachfrage (und somit zur globalen Erholung) leisten, indem sie ihre heimische Konsumption durch schnelleres Lohnwachstum ausweiten. Heimische Nachfragesteigerung und höheres Wachstum sind notwendig, um mehr importieren und den Handelsüberschuss zurückführen zu können. Dies würde anderen Ländern mehr Exporte und höheres Wachstum gestatten.

China hat aufgrund seines hohen Wachstums und dessen Stützung auf seine eigene heimische Nachfrage und den Export relativ mehr als diese beiden Industrieländer zum globalen Wachstum beigetragen, so eine zentrale Schlussfolgerung des Berichts. Gleichwohl muss sich offensichtlich auch China anpassen. Es kann sich wegen der zu erwartenden Anpassung in der Vereinigten Staaten und der Verlangsamung in Europa nicht mehr im selben Maße wie früher auf Exporte verlassen und muss deshalb heimisches Wachstum generieren, indem es seine Konsumption signifikant steigert, deren Anteil am BIP seit Ende der 1990er Jahre von 55 auf heute 36% gefallen ist.

Unterkonsumption ist also ein Hauptproblem. Der Konsum muss künftig in China schneller wachsen als das Nationaleinkommen und die Investitionen. Der signifikante Rückgang der Lohnquote muss umgekehrt werden. Akyüz schlägt deshalb eine Kombination aus folgenden Politikelementen vor: Förderung von Lohnerhöhungen, Beseitigung der Lücke zwischen Lohn- und Produktivitätswachstum, höhere Budgettransfers vor allem an ländliche Haushalte und Anhebung der öffentlichen Gesundheitsausgaben.

* Soll China aufwerten?

Gleichwohl kann nicht erwartet werden, dass China zu einer globalen Wachstumslokomotive wird, selbst wenn es sein hohes BIP-Wachstum durch den Schwenk von Exporten auf heimische Nachfrage beibehält. Dies deshalb, weil es eine Menge importierter Inputs gibt, die wieder exportiert werden, während Importe nur 8% von Chinas heimischer Nachfrage ausmachen. „Folglich würde eine Umschichtung von 100 Dollar in der Zusammensetzung der aggregierten Nachfrage zu einem Rückgang der chinesischen Importe um 40 Dollar führen“, heißt es in dem Report. Dies hätte ernsthafte Konsequenzen vor allem für südostasiatische Länder, die einen großen Anteil der Teile und Komponenten liefern, die die chinesische Exportproduktion braucht.

Was die Wechselkurse betrifft, sagt das Papier, dass dies zwar eine wichtige Frage bei der Anpassung globaler Ungleichgewichte sei, dass Wechselkursbewegungen aber keine zusätzliche Nachfrage für die Weltwirtschaft schaffen. Sie verändern vielmehr die relativen Wachstumsraten statt das globale Wachstum insgesamt anzuheben. „Kurz gesagt, Wechselkursbewegungen sind kein Mittel im Kampf gegen globale Unterkonsumption, die aus einer schwachen Lohnentwicklung resultiert“, so Akyüz.

Eine Abwertung des Dollars gegenüber der chinesischen Währung könnte die chinesischen Exporte verringern und seinen Handelsüberschuss mit den USA, würde aber das Unterkonsumptionsproblem in China nicht lösen und auch kein Wachstum in heimischer Nachfrage erzeugen, um die fallenden Exporte auszugleichen. Sie könnte sogar zu einer Verschärfung des Unterkonsumptionsproblems führen. Der Wechselkurs ist also kein geeignetes Instrument, um das Unterkonsumtionsproblem und die exzessive Exportabhängigkeit in China anzugehen.

* Leistungsbilanzdefizite der USA – ein Dauerphänomen

Der Bericht fügt hinzu, dass es nicht klar ist, wie sich eine Dollarabwertung gegenüber China auf die Ursachen der Überkonsumption in den USA auswirken würde. Es ist unwahrscheinlich, dass sie zu einem signifikant höheren Wachstum der Exporte nach China führen würde. Selbst wenn Chinas Exporte in die USA abnehmen, würden diese durch Importe aus anderen Entwicklungsländern ersetzt, solange die US-Konsumenten über ihre Verhältnisse leben.

Akyüz weist darauf hin, dass die USA über die letzten vier Jahrzehnte Leistungsbilanzdefizite hatten, ungeachtet der Stärke des Dollars gegenüber den Haupthandelspartnern. In den 1970er Jahren wurde über Deutschland geklagt, in den 1980ern über Japan und jetzt über China. Der Kurs des Yen ist während dieser Zeit gestiegen, aber ohne dass dies Auswirkungen auf das japanische Surplus gegenüber den USA gehabt hätte. Die Hauptschlussfolgerung lautet deshalb: „Die Lösung sollte primär in der jeweiligen nationalen Politik gesucht werden. Diese sollte so angelegt sein, dass sie in den USA das Überkonsumptionsproblem angeht und in den Überschussländern das Unterkonsumptionsproblem.

Hinweis:
* Yilmaz Akyüz, Global economic prospects: The recession may be over but where next?, Research Paper 26, 28 pp, South Centre: Genevy, March 2010. Bezug: über www.southcentre.org

Veröffentlicht: 27.3.2010

Empfohlene Zitierweise: Martin Khor, Wege aus den globalen Ungleichgewichten. Ein Plädoyer des South Centres, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Luxemburg, W&E-Hintergrund April 2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).