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Weltwasserkrise: Wasser als Menschenrecht?

Artikel-Nr.: DE20100726-Art.38-2010

Weltwasserkrise: Wasser als Menschenrecht?

Eine bolivianische Initiative in der UNO

Nur im Web - In dieser Woche steht eine Resolution in der UN-Generalversammlung zur Abstimmung, mit der das Recht auf Wasser und Sanitäreinrichtungen zum Menschenrecht erklärt werden soll. Das könnte den Anstrengungen zur Bearbeitung der ernsten und sich verschärfenden globalen Wasserkrise einen neuen Schub geben, schreibt Martin Khor in unserer Kolumne „Die Sicht des Südens“.

Es gibt fast nichts Wichtigeres für den Menschen als Wasser. Wir können ohne Wasser nicht mehr als etwa drei Tage überleben, auch wenn von einigen Menschen berichtet wird, dass sie zwei Monate ohne Nahrungsmittel überlebt haben. Vielleicht ist nur Luft entscheidender für das menschliche Überleben. Man kann schon nach drei oder vier Minuten ohne Luft bzw. das in ihr enthaltene Oxygen sterben. Doch während die Bedeutung der Nahrungsmittel als Menschenrecht anerkannt wurde, ist der Zugang zu sauberem Wasser offiziell kein Menschenrecht. Dieses Versäumnis wird in dieser Woche hoffentlich korrigiert werden.

* Wesentliches Gut für das Recht auf Leben

Eine Resolution, die den Zugang zu Wasser und Hygieneeinrichtungen zum Recht eines jeden menschlichen Wesens erklärt, ist in dieser Woche Diskussionsgegenstand in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die Resolution wird von Bolivien eingebracht, mitgetragen von 33 weiteren Ländern und wohl von vielen anderen unterstützt werden. Doch scheint es, dass einige Industrieländer mit dem Text nicht glücklich sind, so dass es möglicherweise zu einer Abstimmung kommt.

In der Resolution wird mit großer Sorge festgestellt, dass 884 Millionen Menschen an mangelndem Zugang zu sicherem Trinkwasser leiden und dass über 2,6 Milliarden nicht mit grundlegenden Hygieneeinrichtungen versorgt sind. Darüber hinaus schlägt die Resolution Alarm, dass 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren vor Erreichen des fünften Lebensjahrs sterben und 443 Millionen Schultage pro Jahr aufgrund wasser- und hygienebedingter Krankheiten versäumt werden.

In Erinnerung gerufen wird auch das Versprechen der führenden Politiker der Welt, im Rahmen der Millennium-Entwicklungsziele den Anteil der Menschen mit unzureichendem Zugang zu sicherem Trinkwasser zu halbieren, und ebenso den Anteil der Menschen ohne Zugang zu grundlegenden Hygieneeinrichtungen, wie es auch im Aktionsplan von Johannesburg festgelegt wurde.

Der Resolutionsentwurf erklärt sodann „das Recht auf sicheres und sauberes Trinkwasser und Hygieneeinrichtungen zu einem Menschenrecht, das wesentlich für den vollen Genuss des Rechts auf Leben ist“. Er ruft desweiteren die Staaten und internationalen Organisationen zur Zusammenarbeit bei der Bereitstellung von Finanzmitteln und Technologie für die Entwicklungsländer auf, um „die Anstrengungen zur Bereitstellung von sicherem, sauberem und verfügbarem Wasser und Hygieneeinrichtungen für alle zu verstärken“.

* Für Bolivien ein besonderes Anliegen

Es ist nicht verwunderlich, dass der Boliviens Botschafter Pablo Solon die Initiative in der UN-Generalversammlung anführt. Die derzeitige bolivianische Regierung von Präsident Evo Morales kam vor einigen Jahren teilweise deshalb an die Macht, weil es eine öffentliche Protestbewegung gegen den Versuch der Vorgängerregierung gab, die Wasserversorgung zugunsten eines ausländischen Konzerns zu privatisieren. Es gab einen öffentlichen Aufschrei, weil befürchtet wurde, dass dies die Wasserpreise in die Höhe treiben und den Zugang der Leute zu Wasser verknappen würde.

Die Wasserfrage berührt das tägliche Leben von Milliarden von Menschen, und die Welt braucht ein klares Signal, dass Wasser eine Frage von höchster Priorität ist, sagt Maude Barlow, die Vorsitzende des Council of Canadians und eine führende Beraterin des letzten Präsidenten der UN-Generalversammlung in Sachen Wasser.

„Als 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verfasst wurde, konnte niemand vorhersehen, dass Wasser eines Tages zu einem umkämpften Gut werden würde“, sagt Barlow, die zugleich eine der ambitioniertesten Kampaigner für das ist, was sie „Wassergerechtigkeit“ nennt. „Doch 2010 ist es keine Übertreibung zu sagen, dass der Mangel an Zugang zu Wasser die größte Menschenrechtsverletzung auf der Welt ist. Nahezu zwei Milliarden Menschen leben in Gebieten mit Wasserproblemen, und drei Milliarden haben kein Fließendwasser im Umkreis von einem Kilometer. Alle acht Sekunden stirbt ein Kind an Krankheiten, die auf verschmutztes Wasser zurückgehen und die in jedem Falle vermeidbar wären, wenn die Eltern Zugang zu sauberem Wasser hätten und hygienisch einwandfreie Sanitäreinrichtungen vorhanden wären.“

Die Situation wird ständig schlechter, da das saubere Wasser auf der Welt immer weniger wird. Nach einem neuen Weltbank-Bericht wird die globale Nachfrage nach Wasser im Jahr 2030 das Angebot schon um 30% übersteigen. Das, so Barlow, ist eine schockierende Voraussage, die schreckliches Leiden erahnen lässt.

* Handeln gegen den „Wasserstress“
Die Initiative, mit der Wasser zum Menschenrecht erklärt werden soll, kommt zum rechten Zeitpunkt. Über ein Drittel der Weltbevölkerung leidet bereits unter Wasserknappheit. Zwei Milliarden Menschen leben in Ländern mit Wasserproblemen, und bis 2025 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung von „Wasserstress“ betroffen sein, wenn sich an den gegenwärtigen Trends nichts ändert.

Hinzu werden mehr Konflikte ums Wasser kommen, da diese Ressource immer knapper wird. Wasserknappheit hat mehrere Gründe. Die Waldrodung auf Berggipfeln und in der Fläche hat die natürlichen Wasserscheiden geschädigt und Bodenerosion verursacht, was wiederum die Flüsse versanden lässt.

Das Grundwasser ist ernsthaft gefährdet, da Wasser für die Landwirtschaft und die Industrie entnommen wird. Das hat zum Absinken des Wasserspiegels in vielen Ländern geführt, darunter in Teilen Indiens und Chinas, Westasiens, Russland und den Vereinigten Staaten. Die Landwirtschaft verbraucht 70% des Wassers, weil die Agroindustrie sehr verbrauchsintensiv ist. Man braucht drei Kubikmeter Wasser, um ein Kilo Getreide zu produzieren, und 15 Kubikmeter, um ein Kilo Fleisch zu bekommen.

Ein großer Teil der Wasseroberfläche ist ebenfalls verschmutzt und somit für die Nutzung durch den Menschen unbrauchbar oder führt zu Krankheiten. Jährlich sterben fünf Millionen Menschen aufgrund von Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser verursacht werden.

Hinzu kommen die Effekte des Klimawandels. Die Erderwärmung verursacht das beschleunigte und irreversible Abschmelzen der Gletscher.

Wenn die Vereinten Nationen die Resolution, von der hier die Rede war, annehmen, dann sollte das ein starker Anstoß für die Politiker sein, all jene Faktoren anzugehen, die zu dieser Weltwasserkrise geführt haben.

Veröffentlicht: 26.7.2010

Empfohlene Zitierweise: Martin Khor, Weltwasserkrise: Wasser als Menschenrecht, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 26.7.2010 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).