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Das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung

Artikel-Nr.: DE20110626-Art.36-2011

Das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung

Solide, aber wenig innovativ

Vorab im Web – Gerade die kritische entwicklungspolitische Öffentlichkeit fordert seit Jahr und Tag mehr Kohärenz in der Außen- und Entwicklungspolitik gegenüber Afrika. Nun legt die Bundesregierung ein solch abgestimmtes Konzept vor. Das hindert viele aber nicht, nach Art eines Pawlowschen Reflexes zu kritisieren, dass in diesem Konzept die Entwicklungspolitik zu kurz käme, Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Sicherung von Rohstoffinteressen zu viel Gewicht einnähmen, schreibt Roger Peltzer.

Das Afrika-Konzept der Bundesregierung, das in sehr weiten Teilen den Diskussionsstand der deutschen Afrikapolitik von Rot-Grün über Schwarz-Rot bis hin zu Schwarz-Gelb widerspiegelt, setzt demgegenüber völlig zu Recht die Themen Frieden und Sicherheit sowie gute Regierungsführung als Priorität für die deutsche Afrikapolitik. Hunger und Armut sind in Afrika dort mit Abstand am stärksten ausgeprägt, wo es bewaffnete Konflikte gab oder gibt. Diese zu lösen bzw. ihr Wiederaufflammen zu verhindern, muss deshalb die entwicklungspolitische Priorität Nummer 1 sein. Völlig zu Recht setzt die deutsche Afrikapolitik deshalb seit Rot-Grün im Rahmen der EU auf die Stärkung der Kapazitäten der Afrikanischen Union und regionaler afrikanischer Zusammenschlüsse wie der ECOWAS bei der Konfliktprävention und der Konfliktbewältigung.

* Legitime Eigeninteressen…

Im Grundsatz sollte man Außenminister Westerwelle und Entwicklungsminister Niebel auch dafür dankbar sein, dass sie das Verhältnis von universellen Werten und „deutschen Interessen“ thematisieren. Das Afrika von heute ist in weiten und wachsenden Teilen nicht mehr der hilfsbedürftige arme Nachbar, der von Deutschland in erster Linie „uneigennützige“ Hilfe erwartet. Afrikanische Politiker, Wirtschaftsführer und Vertreter der Zivilgesellschaft haben heute die Wahl, mit vielen Partnern rund um den Globus zu kooperieren. Deutschland ist dabei ein Partner und seine Rolle aus Sicht der Afrikaner deutlich geringer als es entwicklungspolitische Diskussionen hierzulande wahrhaben wollen.

Ernst zu nehmende Gesprächspartner in Afrika setzen auch als völlig selbstverständlich voraus, dass Deutschland natürlich seine eigenen Interessen in die Kooperation einbringt. Nur so sind Diskussionen auf Augenhöhe überhaupt möglich. Und viele afrikanische Partner haben auch ein sehr entwickeltes Sensorium dafür, dass der entwicklungspolitischen Apparat von Staat und Nichtregierungsorganisationen natürlich auch über ganz massive Eigeninteressen verfügt, die nicht immer kompatibel mit den eigenen Interessen sind.

* …oder hinterwäldlerischer Lobbyismus?

Aber gerade wenn es um deutsche Wirtschaftsinteressen geht, wird das ansonsten durchweg solide Papier von einem kurzsichtigen, z.T. schon hinterwäldlerischen Lobbyismus geprägt, der das Markenzeichen der FDP-Entwicklungspolitik zu sein scheint. Die globalisierte Welt sieht heute in Afrika so aus, dass in der Regel die Siemens-Tochtergesellschaften aus Frankreich und Belgien die afrikanischen Exportmärkte bedienen. Afrikanische Ingenieure, die Speiseölraffinerien aus Malaysia bestellen, berichten, dass sie sehr genau darauf achten, dass Kernelemente der Anlagen wie Motoren, Steuerungselemente etc. von deutschen Sublieferanten kommen. Eine Reihe von afrikanischen Regierungen legt Wert darauf, dass deutsche Ingenieurbüros die Arbeit chinesischer Baufirmen überwachen, die zurzeit in großem Umfang, raschem Tempo und relativ kostengünstig die Infrastruktur Afrikas ausbauen.

Wenn das Afrikakonzept in diesem Zusammenhang fordert, dass Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftspolitik u.a. so enger vernetzt werden sollen, dass der Einsatz deutscher Beratungsfirmen (EZ-finanziert) stärker in Aufträge für deutsche Bauunternehmen mündet, dann kann man im Interesse der deutschen Wettbewerbsfähigkeit nur hoffen, dass diese „neuen“ entwicklungspolitischen Akzente Strohfeuer bleiben. Wettbewerbsfähigkeit erfordert heute zwingend die Kooperation jenseits nationaler Grenzen.

* Keine Angst vor China!

Deutlich tragfähiger, wenn auch nur angedeutet, scheinen die angestrebten Partnerschaften im Energie- und Rohstoffbereich. Viele Konzerne und Regierungen weltweit bemühen sich zurzeit, durch Käufe und langfristige Verträge in Afrika mineralische und landwirtschaftliche Rohstoffe zu sichern. Vor dem Hintergrund weiter steigender Rohstoffpreise ist allerdings absehbar, dass all den Verträgen, die dabei die Afrikaner benachteiligen – und dies gilt für wirtschaftliche wie für menschenrechtliche oder Umweltaspekte – keine lange Lebensdauer beschieden sein wird.

Die sich demokratisierenden afrikanischen Gesellschaften werden immer stärker einfordern, dass sie für ihre Rohstoffe gerechte Preise bekommen, dass die Einnahmen transparent fliesen, dass Menschenrechte und Umweltstandards beim Abbau und Anbau dieser Rohstoffe berücksichtigt werden. Wenn Deutschland und die EU Afrika eine Kooperation im Rohstoffbereich anbieten können, die zunächst die Eigenversorgung des Kontinents sicherstellt, die Technologietransfer, faire Preise, Umwelt- und Sozialstandards beinhaltet, setzen sie in Afrika auf den Teil der Zivilgesellschaft, der zunehmend die Politik seiner Regierungen bestimmen wird. Dann braucht Europa überhaupt keine Angst vor China zu haben.

* Diaspora und Migration: Chance verpasst

Mehr Mut und innovative Ideen hätte man sich im Konzept auch zu den miteinander verknüpften Themen der afrikanischen Diaspora und Migration gewünscht. Hunderttausende von Afrikaner leben und arbeiten in Deutschland, vielfach als gut ausgebildete Fachkräfte. Sie stellen ein herausragendes Bindeglied zwischen ihren Herkunftsländern und ihrem neuen Heimatland dar. In deutschen Wirtschaftsdelegationen nach Afrika findet man zunehmend Afrikaner mit deutschem Pass, die afrikanische Märkte erschließen oder dort auch investieren wollen.

Eine Reihe von afrikanischen Ländern, wie z.B. Tunesien oder auch Kamerun, bringen mehr qualifizierte Nachwuchskräfte hervor, als sie in ihren eigenen Ländern auf absehbare Zeit beschäftigen können. Es kann durchaus Sinn machen, diesen jungen Leuten an deutschen Hochschulen und im deutschen Arbeitsmarkt Perspektiven zu geben. Eine Win-Win-Situation ergibt sich für beide Seiten dann, wenn die Diaspora ihre Wurzeln zur Heimat nicht abbricht, dort Projekte unterstützt, berät, investiert und ggfs. nach Jahren der Berufstätigkeit in Deutschland zurückkehrt. Der Ausbau der vorhandenen Ansätze in diesem Bereich gehört in ein Afrika-Konzept der Bundesregierung.

Eine Verstärkung der Bindegliedfunktion der afrikanischen Diaspora erfordert aber auch eine deutliche Modernisierung der Migrationspolitik. Deutschland und die EU müssen Reisen und Einwanderung für qualifizierte Afrikaner erleichtern, Pendelmigration systematisch zulassen, die entwürdigenden Prozeduren bei der Visabeantragung für afrikanischen Partner deutlich vereinfachen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die angestrebte Partnerschaft auf Augenhöhe und im wohlverstandenen Eigeninteresse Deutschlands, das zunehmend händeringend nach Fachkräften sucht.

Hinweis:
* Auswärtiges Amt (Hg.), Deutschland und Afrika. Konzept der Bundesregierung, 68 S., Berlin 2011. Bezug: über www.cidal.diplo.de

Roger Peltzer ist seit Jahren in der privatwirtschaftlichen Kooperation mit Afrika tätig.

Veröffentlicht: 26.6.2011

Empfohlene Zitierweise: Roger Peltzer, Das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung. Solide, aber wenig innovativ, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 26. Juni 2011 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)