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Durban: Gerechtigkeit zurück auf der Agenda?

Artikel-Nr.: DE20111211-Art.68-2011

Durban: Gerechtigkeit zurück auf der Agenda?

CSE zum Ergebnis der Klimakonferenz

Nur im Web – Im „Durban-Sprech“ (neudeutsch für: öffiziöse Sprachregelung auf und am Rande der Konferenz) waren die USA, China und Indien unisono die Bösewichte und Bremser. Das indische Centre for Science and Environment (CSE) sieht dies anders. Für die renommierte indische NGO ist mit Durban die Gerechtigkeitsfrage („equity“) auf die Agenda der Klimaverhandlungen zurückgekehrt. W&E dokumentiert die CSE-Position mit den Hauptbeschlüssen der COP 17 und weitere NGO-Stellungnahmen.

Unsere Einschätzung

Die Durban-Konferenz ist ein Wendepunkt in den Verhandlungen über den Klimawandel, da die Entwicklungsländer Erfolge erzielt haben, auch wenn damit viel Bitterkeit und Kampf verbunden war. In Durban hat die Welt sich auf dringliches Handeln verständigt. Doch jetzt ist entscheidend, dass dieses Handeln zur Emissionsreduktion auf Gerechtigkeit gründen muss. Indiens Vorschlag zur Gerechtigkeitsfrage hat Eingang in den Arbeitsplan für die nächste Konferenz gefunden. Nach dieser Konferenz ist es klar, dass der Kampf für eine effektive Reduzierung der Emissionen in einer ungleichen Welt in den kommenden Jahren noch schwieriger werden wird. Aber es ist eine Konferenz, die die Frage der Gerechtigkeit zurück in die Verhandlungen gebracht hat. Deshalb ist sie ein wichtiger Schritt nach vorne.

Einige Entscheidungen und ihre Implikationen:

* Form und Zeitplan des künftigen Abkommens verabschiedet

Die Konferenz endete am frühen Sonntagmorgen nach einer zermürbenden Verhandlungsnacht. Die umstrittenste Frage der letzten paar Tage war, ob die Konferenz sich auf eine beschleunigte („fast track“) Arbeit an einem rechtlich bindenden Abkommen, das alle Parteien abdeckt, einigen würde. Länder wie Indien hatten die Sorge, dass so das Prinzip der Gerechtigkeit und der differenzierten Verantwortung unterminiert werden könnte und dass sie darüber hinaus die gleichen Reduktionsverpflichtungen wie bereits die Industrieländer eingehen müssten. Die Schlussentscheidung ist so vorsichtig formuliert, um diese Sorge zu berücksichtigen. Die Durban-Konferenz stimmt darin überein, „einen Prozess (einzuleiten), um ein Protokoll, ein anderes rechtliches Instrument oder ein übereinstimmendes Ergebnis mit rechtlicher Kraft zu entwickeln“. Sie stimmt überein, dass diese Arbeit bis 2015 abgeschlossen wird, damit dieses neue Abkommen oder Ergebnis ab 2020 umgesetzt werden kann. Deshalb haben Länder wie Indien, die befürchteten, dass ein neues rechtliches Instrument ihnen bindende Verpflichtungen auferlegen würde, einen Erfolg errungen.

* Wird Gerechtigkeit jetzt zur Grundlage jeglichen Abkommens?

Die Konferenz stimmt auch darin überein, dass der Prozess das „Ambitionsniveau“ so anheben sollte, dass die Welt die Emissionslücke schließen und unter einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 2 oder 1,5° Celsius bleiben kann. Dies würde die Welt auf Kurs und von katastrophalen Konsequenzen abhalten. Die Schlüsselfrage besteht darin, dass Gerechtigkeit die Entscheidungsgrundlage für künftige Emissionsreduktionsziele bleibt. Nach der Durban-Konferenz ist klar, dass die Industrieländer das Gerechtigkeitsprinzip gerne negieren und an die Seite drängen würden, um die Last des Übergangs auf die Schwellenländer zu schieben, die aber auf ihr Recht auf Entwicklung angewiesen sind. Indien hat diese Frage gegen alle Widerstände sehr stark artikuliert. Jetzt besteht die Herausforderung darin sicherzustellen, dass dies auch die Grundlage zukünftiger Verhandlungen bleibt.

Dokumentation: Ergebnisse und NGO-Positionen

Indien ist es gelungen, die Gerechtigkeitsfrage zurück auf den Tisch zu bringen. Die Entscheidung über die „Long Term Cooperative Action“ (LCA) – ein Hauptdokument der Konferenz (d. Red.) – akzeptiert, dass die Frage des gerechten Zugangs zu nachhaltiger Entwicklung, wie von Indien gefordert, diskutiert und an die nächste Vertragsstaatenkonferenz berichtet werden muss.

* Beschluss über eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls

Die Konferenz erreichte auch über die nächste Phase des Kyoto-Protokolls Übereinstimmung – das einzige rechtliche Instrument zum Kampf gegen den Klimawandel, das in Kraft ist. Sie setzte auch ein klares Reduktionsziel von 25-40% bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 für die allgemein als Annex-1-Parteien bekannte Ländergruppe, in der die Länder entsprechend ihres Beitrags zum Bestand von Treibhausgasen in der Atmosphäre aufgelistet sind. Diese zweite Verpflichtungsperiode würde am 1. Januar 2013 beginnen und bis Dezember 2017-2020 dauern. Das ist ein großer Sieg für die Entwicklungsländer, die die Verlängerung dieses Protokolls gefordert hatten. Die nächste große Herausforderung wird sein, auf die Schlupflöcher – Berechnungsmethoden, Doppelzählungen und schwaches nationales Handeln – zu achten und diese zu schließen.

* Grüne Klimafonds errichtet, aber ohne Geld

Über den Grünen Klimafonds wurde ebenfalls Einigung erzielt. Die umstrittenste Frage dabei war seine Governance und wem gegenüber er rechenschaftspflichtig wäre. Es wurde beschlossen, dass der Fonds unter der Vertragsparteien-Konferenz der Klimakonvention arbeiten soll; er wird 24 Mitglieder haben, die in gleicher Zahl aus Industrie- und Entwicklungsländern kommen, einschließlich von Vertretern der kleinen Inselstaaten und der am wenigsten entwickelten Länder; ähnlich wird es Ko-Vorsitzende geben. Aufgrund der Opposition der wichtigsten Entwicklungsländer wurden die Weltbank oder die Globale Umweltfazilität (GEF) nicht mit der Leitung des Fonds beauftragt.

Doch da der Fonds nicht über reales Geld oder diesbezügliche Zusagen verfügt, handelt es sich um ein leeres Gefäß und einen Scheinsieg. Die Industrieländer wollen, das der Privatsektor einen Beitrag leistet, aber es ist in keiner Weise klar, woher die dringend benötigten Finanzmittel für die Minderung des und die Anpassung (an den Klimawandel) kommen werde.

Hinweis:
* CSE: The final outcome of the Durban Conference on Climate Change. Our assessment, unter http://cseindia.org

Veröffentlicht: 11.12.2011

Empfohlene Zitierweise: Durban: Gerechtigkeit zurück auf der Agenda. CSE zum Ergebnis der Klimakonferenz, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 6. Dezember 2011 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)