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IKT-Technologien im Entwicklungsprozess

Artikel-Nr.: DE20111130-Art.64-2011

IKT-Technologien im Entwicklungsprozess

UNCTAD-Bericht zur Informationswirtschaft

Vorab im Web - Der jüngste UNCTAD-Bericht zur Informationswirtschaft setzt auf eine Stärkung des privatwirtschaftlichen Sektors in Entwicklungsländern durch Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs) und plädiert gerade deshalb für mehr staatliche Förderung. IKT-Technologien sollten von Anfang an in umfassender Weise bei der Konzeption und Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen eingesetzt werden, berichtet Hanjong Kolss.

Der Information Economy Report (IER) wird seit 2005 jährlich von der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) herausgegeben. Der diesjährige Bericht mit dem Titel „IKTs als Wegbereiter der Privatsektor-Entwicklung“ (s. Hinweis) stellt fest, dass IKT-Technologien in Entwicklungsstrategien immer noch zu wenig berücksichtigt werden; weder Politiker noch Unternehmenseigner nutzen ihr Potenzial in genügendem Maße.

* IKTs als Wegbereiter der Privatwirtschaft

Geht es nach dem Bericht, spielt der Privatsektor eine entscheidende Rolle beim Wachstum und der Entwicklung eines Landes. Unternehmen schaffen Jobs und Einkommen und damit eine Steuerquelle für die Regierung, die mit dem eingenommenen Geld wiederum den Sozialstaat ausbauen kann. Die Entwicklung des Privatsektors sehen die Autoren auch als unverzichtbar für das Erreichen der meisten Millennium-Entwicklungsziele an.

Doch die Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität von Kleinst- und Kleinunternehmen („micro and small enterprises“ – MSEs), die in Entwicklungsländern bis zu 99% der Unternehmen ausmachen, wird durch diverse Faktoren behindert. Daher sollten diese MSEs stärker ins Zentrum von Entwicklungsmaßnahmen gerückt werden. IKTs können auf vielfältige Weise zu deren Erfolg beitragen. Dabei nennt der UNCTAD-Bericht vier Aspekte:

* Erstens ist die IKT-Infrastruktur von entscheidender Bedeutung für das gesamte Investitionsklima eines Landes. Geeignete Netze und Dienste müssen nicht nur vorhanden, sondern für Unternehmen auch erschwinglich sein. Weiterhin ist die Infrastruktur nicht nur Voraussetzung für die Entwicklung der Privatwirtschaft, sondern letztere ist selbst am Aufbau dieser Netze und Dienste maßgeblich beteiligt.

* Zweitens müssen Unternehmen IKTs nutzen, um produktiver und wettbewerbsfähiger zu werden. Verschiedene Technologien können ihnen helfen, Transaktionskosten zu verringern, an Informationen für bessere Entscheidungen zu gelangen oder ihre Kunden überhaupt erst zu erreichen.

* Drittens ist ein dynamischer IKT-Sektor selbst ein wichtiger Teil des Privatsektors und kann in erheblichem Maße zum Wirtschaftswachstum des gesamten Landes beitragen. Die Autoren schätzen, dass allein in der Mobilfunkbranche bislang über 10 Millionen Jobs in den Entwicklungsländern geschaffen wurden (51). Am Beispiel Kenias wird das deutlich: Im letzten Jahrzehnt betrug dort das durchschnittliche jährliche Wachstum des IKT-Sektors mehr als 20% und hatte einen Anteil von 24% am landesweiten Wirtschaftswachstum (45).

* Viertens sollten Regierungen und andere Institutionen IKTs einsetzen, um Entwicklungsmaßnahmen effektiver zu gestalten. Beispielsweise kann der Prozess der Unternehmensgründung und die dazugehörige Verwaltung effizienter und schneller werden. Auch Korruption kann durch eine computergestützte Verwaltung vermindert werden. Mit einer formalisierten, transparenteren Steuerverwaltung kann der Staat seine Einnahmen erhöhen (67 ff). Eine aktive staatliche Rolle ist auch bei der Ausbildung geeigneter Arbeitskräfte für IKT-Unternehmen unverzichtbar. So sollten die erforderlichen Kompetenzen in Schulen und Erwachsenenbildung vermittelt oder öffentliche Einrichtungen mit kostenlosem Internetzugang ausgestattet werden.

* Boom bei Mobiltelefonen

Die Autoren konzentrieren ihre Untersuchung auf drei IKTs, die sie als besonders relevant ansehen: Mobiltelefonie, Internet und Breitband-Dienste.
Während Festnetztelefonie in den meisten Ländern stagniert oder sogar rückläufig ist, hat die Verbreitung von Mobiltelefonen in den Entwicklungsländern einen rasanten Anstieg zu verzeichnen. Ende 2010 hatten dort bereits 77 von 100 Einwohnern einen Handyvertrag, nahe am globalen Durchschnitt von 79. Sogar in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) stieg die Rate immerhin auf 33 Verträge pro 100 Einwohner. Für ländliche Bewohner, Arme und Kleinstunternehmen dieser Länder ist das Handy das vorherrschende IKT-Werkzeug (18).

* Handy als Zahlungsinstrument

In den letzten beiden Jahren haben mobile Finanzdienste („mobile money services“) Verbreitung gefunden, vor allem in Afrika. Damit können Menschen in Entwicklungsländern mit ihrem Mobiltelefon bezahlen. Das ist ein vielversprechender Ansatz, da die Kosten durchschnittlich 19% niedriger liegen als bei traditionellen Bankdiensten. Bei geringwertigen Transaktionen ist die Ersparnis mit 38% sogar noch größer (21). Weitere Vorteile sind einfachere und schnellere Zahlung, geringere Transaktionskosten und erhöhte Sicherheit, da weniger Bargeld gelagert werden muss. Voraussetzung für die Akzeptanz durch Handelspartner ist allerdings ein bestimmtes Maß an Vertrauen und ein sinnvolles rechtliches Regelwerk.

* Bleibende digitale Kluft

Bei der Verbreitung von Computern stellt der Bericht allerdings große Unterschiede bezüglich der Unternehmensgröße fest. Während fast alle großen Unternehmen in Entwicklungsländern PCs nutzen, finden sich bei MSEs kaum solche Geräte. Gerade kleine Händler, Hotels oder Restaurants sehen selten die Notwendigkeit für Computer, oder aber es fehlen die Ressourcen für die Investition in Hardware.

Digitale Kluft: Internetnutzer pro Einw., 2000-10


Breitbandanschlüsse pro 100 Einw., 2000-10


Das Internet bietet Unternehmen die Möglichkeit, den Zugang zu Informationen, den Handel mit Kunden und Lieferanten sowie die Kommunikation mit der Regierung zu verbessern. Dazu muss der Internetzugang bezahlbar und die notwendige Kompetenz zur Nutzung vorhanden sein.

Ende 2010 nutzten 75% der Menschen in Industrieländern das Internet, aber nur 24% in Entwicklungsländern und sogar nur 4% in den LDCs (26). Noch größer ist die digitale Kluft bei Breitband-Internetzugängen. Von den weltweit schätzungsweise 527 Millionen Breitbandanschlüssen entfielen 2010 weniger als eine Million auf die LDCs (27). Auch die durchschnittlichen Download-Geschwindigkeiten unterschieden sich stark. Während Südkorea mit 37,6 MBit/s an der Spitze lag, mussten sich Nepal, Libanon und Bangladesch mit weniger als 1 MBit/s begnügen (27). Auch Breitbandzugänge werden in Entwicklungsländern hauptsächlich über Mobilfunk bereitgestellt.

Der UNCTAD-Bericht zeigt Chancen auf, die die Nutzung von IKTs in Entwicklungsländern bieten kann. Er geht auch auf Gefahren und Probleme (z.B. Cybercrime) ein. Fraglich ist allerdings, wie verhindert werden kann, dass privatwirtschaftliche Interessen von Unternehmen aus Geberländern, die deren Entwicklungspolitik maßgeblich mitbestimmen, das öffentliche Interesse der Hilfeempfänger an eigenständiger Entwicklung durchkreuzen.

Hanjong Kolss ist Medienwirt und Journalist in Hamburg.

Hinweis:
* UNCTAD, Information Economy Report 2011: ICTs as an Enabler for Private Sector Development, 148 pp, United Nations: New York and Geneva 2011. Bezug: über www.unctad.org

Veröffentlicht: 30.11.2011

Empfohlene Zitierweise: Hanjong Kolss, IKT-Technologien im Entwicklungsprozess, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 30. November 2011 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)