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Scheitern von LDC-IV: Trauerspiel in Istanbul

Artikel-Nr.: DE20110517-Art.29-2011

Scheitern von LDC-IV: Trauerspiel in Istanbul

Die IV. UN-Konferenz über die ärmsten Länder

Nur im Web – Das Los der ärmsten Länder der Welt (LDCs) stand im Mittelpunkt eines UN-Gipfels, an dem fast 50 Regierungschefs und hunderte von Ministern teilnahmen. 47 LDCs gibt es, davon 33 in Afrika und 14 im asiatisch-pazifischen Raum. Ihre Bevölkerung beträgt insgesamt 800-900 Millionen – sie gehören zur ärmsten Milliarde Menschen der Welt. Ein Bericht von Martin Khor.

Noch 1971 gab es erst 25 LDCs. Seither hat sich ihre Anzahl verdoppelt. Und nur drei LDCs ist es gelungen, den LDC-Status zu verlassen und zum Entwicklungsland zu avancieren. Dennoch haben die LDCs im letzten Jahrzehnt recht gute wirtschaftliche Wachstumsraten erzielt. Doch dies war im Wesentlichen den hohen Rohstoffpreisen und nicht einem Durchbruch der LDCs in der industriellen und landwirtschaftlichen Entwicklung geschuldet.

* Keine Bereitschaft der Industrieländer

Der Rohstoffboom ebbte aufgrund der globalen Rezession in den Jahren 2008/2009 ab. Doch im letzten Jahr zogen die Rohstoffpreise erneut an, doch dieser Trend könnte sich erneut abschwächen, wenn die Weltwirtschaft erneut einbricht, was zu erwarten ist. In der Tat sind die LDCs gegenüber den Fluktuationen der Weltwirtschaft sogar verwundbarer als zuvor, und die Aussichten sowohl für die LDCs als auch für die Weltwirtschaft sind alles andere als rosig.

Die IV. UN-Konferenz für LDCs (kurz: LDC-IV) war vor diesem Hintergrund eine wichtige Gelegenheit, um zu überprüfen, was seit der letzten Konferenz vor einem Jahrzehnt geschehen war und ob die Industrieländer ihre Versprechen, die LDCs zu unterstützen, erneuern würden. Leider waren die reichen Länder dazu überhaupt nicht bereit. Viele europäische Ökonomien sind in einer Schuldenkrise. Die US-Politiker sind besessen von der Idee, die Regierungsausgaben zu kürzen, und Japan befindet sich nach dem Erdbeben und dem Tsunami in einem Ausnahmezustand.

Das am 13. Mai angenommene Aktionsprogramm von Istanbul stellt fest, dass die Länder, die bereits mehr als 0,2% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) als Hilfe an die LDCs geben, das auch weiterhin tun werden. Diejenigen, die das 0,15%-Ziel bereits erreicht haben, werden versuchen, auf 0,2% zu kommen. Und alle anderen werden versuchen, das 0,15%-Ziel bis 2015 zu erreichen oder zumindest ihre Bestes in dieser Richtung tun.

* Einseitige Verpflichtungen der LDCs

Dieses schwache Statement mit seinen Schlupflöchern wurde durch die zivilgesellschaftlichen Gruppen, die an der Konferenz teilnahmen, zurückgewiesen. „Der Aktionsplan ist völlig zahnlos und lässt die Menschen in den LDCs in einer schlechteren Situation als zuvor. Wir sind enttäuscht und desillusioniert, sagte Arjun Karki, der das zivilgesellschaftliche Forum auf LDC-IV leitete. „Für das Scheitern von LDC-IV sind die Industrieländer verantwortlich“, fügte Thida Khus, Direktor von Silaka, eine kamboschanischen NGO hinzu.

In der Tat scheint das Aktionsprogramm mehr Verpflichtungen seitens der LDCs zu enthalten, als Verpflichtungen der reichen Länder, sie bei ihren Anstrengungen zu unterstützen, was eine deutliche Abkehr von früheren LDC-Konferenzen darstellt. Beispielsweise ist der Klimawandel eine Hauptfrage für die LDCs, die sich zunehmenden Überflutungen, sinkender landwirtschaftlicher Produktivität und anderen Problemen gegenüber sehen. Doch im Aktionsprogramm gibt es keine Zusage, die LDCs mit Finanzen oder Technologie zu unterstützen, die über die allgemeinen Prinzipien, die anderswo erklärt wurden, hinaus gingen.

Gleichwohl haben sich die LDCs verpflichtet, ihre nationale Klimapolitik in Sachen Anpassung und Minderung nach dem Mainstream auszurichten und in die nationalen Entwicklungspläne zu integrieren. Diese Verpflichtung geht über das hinaus, was die LDCs im Rahmen der UN-Klimakonvention übernommen haben.

* Handelspolitischer Lichtblick?

In puncto Handel war das umstrittenste Thema die Gewährung eines zoll- und quotenfreien Marktzugangs für Produkte aus LDCs. Die Entwicklungsländer versuchten, die Hongkong-Entscheidung von 2005 voranzutreiben, die die reichen Länder beauftragt, für 97% der LDC-Produkte einen zollfreien Status einzuräumen. Dies sollte auf 100% der LDC-Produkte ausgeweitet werden. Enttäuschenderweise kam nur heraus, die Hongkong-Entscheidung „rechtzeitig umzusetzen“.

Dennoch ist dieser Beschluss der LDC-Konferenz ein gewisser Fortschritt, da er den Weg für eine “Early-Harvest”-Regelung in der stockenden Doha-Runde bereiten könnte, d.h. eine Annahme der bisher erzielten Ergebnisse, ohne die Runde insgesamt abzuschließen. Allerdings: So gering die Fortschritte der LDCs im Ergebnis dieser Konferenz sein mögen – selbst diese könnten noch zunichte gemacht werden, wenn sich zur Unterzeichnung von Freihandelsabkommen bereitfinden, wie sie die EU derzeit anstrebt (???042ae69e660b2160d???).

Martin Khor ist Direktor des South Centre, Genf. Er kommentiert an dieser Stelle regelmäßig aktuelle Probleme aus der Sicht des Südens.

Veröffentlicht: 17.5.2011

Empfohlene Zitierweise: Martin Khor, Scheitern von LDC-IV: Trauerspiel in Istanbul, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. Mai 2011 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)