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Die imperiale Lebensweise bleibt unangetastet

Artikel-Nr.: DE20120612-Art.23-2012

Die imperiale Lebensweise bleibt unangetastet

Neuer Steuerungsoptimismus vor Rio+20

Vorab im Web - Ob „Rio 2012“ mehr als eine gigantische Roadshow der vor politischem und wirtschaftlichem Selbstbewusstsein strotzenden brasilianischen Regierung sein wird, muss sich zeigen. Trotz der intensiven Konsultationsprozesse vorab wird der geringe diplomatische Stellenwert der Rio-Konferenz daran deutlich, dass sich die Delegationen und einige Staatschefs am brasilianischen Zuckerhut gerade mal drei Tage treffen; das reicht nur für Schaufensterreden. Eine Debatte darüber, warum der Rio-Prozess weitgehend gescheitert ist, findet nicht statt, schreibt Ulrich Brand.

Dennoch wird das Konferenzergebnis mehr als nichts sein. Rio+20 wird den global-politischen Steuerungsoptimismus dahingehend erneuern, dass mit geeigneten politischen Rahmenbedingungen Unternehmen und VerbraucherInnen zum „richtigen“ Handeln angeleitet werden könnten. Das spiegelt sich entsprechend in den beiden Schwerpunkten: institutionelle Reformen und Green Economy. Im deutschsprachigen Raum hat das WBGU-Gutachten von Herbst 2011 („Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“; s. www.wbgu.de) in diese Richtung argumentiert. Neben einem angeblich weitreichenden Wertewandel hin zu Nachhaltigkeit soll staatliche Politik endlich die Führungsrolle übernehmen: „It´s politics, stupid!“ Das passt auch in die aktuellen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Debatten, denen zufolge nach zu viel Markt nun mehr staatliche Regulierung folgen soll.

* Doch noch was Neues in Rio?

Relativ harmlos dürfte ein Tagesordnungspunkt in Rio bleiben, der neben der Grünen Ökonomie zentral sein soll: die sozial-ökologische Reform der internationalen politischen Institutionen. In den Deutungen des politischen und wissenschaftlichen Establishments sind die institutionellen Fragmentierungen ein Hauptproblem unzureichender Umweltpolitik. Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob die vielfältigen Umweltinstitutionen in einer „Weltumweltorganisation“ zentralisiert werden sollten, damit diese umweltpolitischen Anliegen mehr Durchsetzungsfähigkeit verleihen könnte.

Es bleibt unverstanden, dass Politik – sei es auf nationaler, sei es auf internationaler Ebene – notwendig fragmentiert ist, da sie sehr unterschiedliche gesellschaftliche Interessen und Kräfteverhältnisse verdichtet.

Umweltpolitik im Sinne von Schutzpolitik oder einer drastischen Absenkung des Ressourcenverbrauchs wird so lange ein „schwaches“ Politikfeld bleiben, solange bürgerlich-kapitalistische Umgangsweisen mit Natur auf deren Beherrschung und Inwertsetzung zielen. Ressourcenpolitik ist Wirtschaftspolitik, Außenpolitik und zunehmend Finanz- bzw. Finanzialisierungspolitik. Das macht Politiken gegen steigende Emissionen und Klimawandel oder gegen die Erosion der biologischen Vielfalt nicht unwichtig, aber sie finden im Schatten mächtigerer Politiken und Interessen statt.

Und doch gibt es zwei wichtige Entwicklungen, die Rio+20 Bedeutung geben könnten: das Scheitern des Kyoto-Protokolls und die enorme Dynamik, mit der die Strategie einer Grünen Ökonomie gefördert wird.

* „Rio-Typus“ von Politik gescheitert

Mit dem Ausstieg Kanadas aus dem Kyoto-Protokoll ist nun auch den größten Optimisten deutlich geworden, dass der „Rio-Typus von Politik“ an seinen eigenen Schranken scheitert. Die Gründe dafür mögen recht unterschiedlich gesehen werden, aber es dämmert nun, dass der kapitalistische Weltmarkt und die imperiale Produktions- und Lebensweise zuvorderst Konkurrenz um Ressourcen und Verschmutzungsrechte bedeuten und weniger Kooperation. Die Hoffnung auf ein kooperatives globales Umwelt- und Ressourcenmanagement gerät nun auch im Establishment ins Wanken.

Es wird immer deutlicher, dass der Rio-Prozess sich immer um die zentrale Frage gedrückt hat, wie nämlich die westliche Produktions- und Lebensweise wirklich verändert werden kann. Die vermeintlichen Zauberformeln „Effizienzrevolution“ und „Innovation“ verstetigten lediglich die Hofferei: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Die Debatten um neue Wohlstandmodelle, die Orientierung an Lebensstilen und Leitbildern wie etwa attraktiver Mobilität oder Ernährung blendeten die Frage aus, wer eigentlich die Produktions- und damit Konsumnormen setzt – nämlich sehr stark sich in Konkurrenz befindende privatkapitalistische Unternehmen.

Ja mehr noch: Wir erleben seit zehn Jahren eine Globalisierung der imperialen Lebensweise, die im Kern darin besteht, dass Unternehmen und insbesondere die globalen Mittel- und Oberschichten permanent auf billige Ressourcen und Arbeitskraft bzw. die daraus hergestellten Produkte zurückgreifen können.

Es dürfte im Verlauf des Jahres 2012 interessant werden, wie sich die globalen Umwelt-Intellektuellen auf die neue Situation, d.h. das immer stärker anerkennte Scheitern des „Rio-Typus von Politik“ und eines globalen Umwelt- und Ressourcenmanagements einstellen. Wird nun noch stärker auf die Funktion von technologischen „Vorreitern“ und umfassende Innovationen gesetzt? Könnten regionale Kooperationen eine stärkere Rolle spielen? Oder wird ein öko-autoritärer Diskurs gestärkt, in dem innergesellschaftlich Verzicht (der Massen) und international offene Gewalt sprechfähig werden? Falls die Zerstörung des Kyoto-Protokolls als zentralem Baustein der Klimarahmenkonvention in den kommenden Monaten weitergeht, dann dürfte „Rio 2012“ mehr noch als ohnehin geplant zu einem Terrain werden, auf dem um Neuorientierungen gerungen wird.

* Die Dynamik der Green Economy

Die zweite Dynamik entwickelt sich rund um den Begriff der Green Economy, der an dieser Stelle bereits ausführlich dargestellt und diskutiert wurde (>>> W&E-Hintergrund März 2012). Ich möchte daher nur wenige Aspekte hervorheben.

Welche Funktionen haben Begriff und Diskurs im Sinne sich verschiebender und neu sedimentierender Selbstverständlichkeiten? Aus meiner Sicht ist eine Lesart produktiv, die den Begriff nicht nur als Folge der Frustration über die bisherigen Politiken nachhaltiger Entwicklung sieht. Es handelt sich wahrscheinlich auch nicht um einen UNO-politischen Public-Relations-Gag – etwa in der Form: „Angesichts der Misserfolge platzieren wir einen neuen Begriff, damit die politische, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Szene beschäftigt ist.“ Den aktuellen ProtagonistInnen des Begriffs ist Ernsthaftigkeit zuzugestehen.

Zentral ist aus meiner Sicht: Die grüne Ökonomie ist zuvorderst ein Versprechen. Nämlich ein solches, in der multiplen Krise über die geeigneten politischen Rahmenbedingungen das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln (die OECD spricht von „grünem Wachstum“), Verteilungsspielräume zu erhöhen, „grüne“ Arbeitsplätze zu schaffen und über Effizienzgewinne und Innovationen die ökologische Krise zu bearbeiten.

Die ökonomistische Semantik der verschiedenen Strategien der Grünen Ökonomie – das Soziale des Drei-Säulen-Modells von nachhaltiger Entwicklung wird abgewertet – deutet darauf hin, dass die bisherige Spannung zwischen „Ökologie“ und „Ökonomie“ endgültig aufgelöst werden soll. Der aktuelle UNO-Chef Ban Ki-moon behauptet etwa, es handle sich um einen „Mythos, dass Wirtschaft und Umwelt Gegensätze“ seien. Wenn wir das Versprechen der Grünen Ökonomie nicht nur ideologiekritisch konstatieren, dann kann ein materieller Kern freigelegt werden, der heute deutlicher ist als in den 1990er Jahren.

Die beiden aus meiner Sicht entscheidenden Unterschiede zwischen „nachhaltiger Entwicklung“ und „grüner Ökonomie“ liegen nicht darin, dass die ökologische Krise heute deutlicher ist oder dass das globale Umweltmanagement sich blamiert hat. Neu ist zum einen die intensive Suche nach Krisenlösungen in der schwersten Krise des Kapitalismus seit 60 Jahren. Und zum anderen sind die Produktivkräfte deutlich weiter entwickelt als zu Beginn der 1990er Jahre. Wirtschaftspolitische Strategien einer Grünen Ökonomie haben eine materielle Grundlage. Das zeigt sich besonders deutlich in der Energieerzeugung und –verwendung, aber auch bei Antriebsmotoren. Manche rechnen gar die Digitalisierung der Produktion insgesamt zu einer Kernvoraussetzung der grünen Ökonomie.

* Auf dem Weg zur grün-kapitalistischen Entwicklungsweise?

In diesem Sinne könnte Rio+20 wichtig werden. Die Konferenz wird den globalen Eliten ein neues Konzept an die Hand geben, das auf der Höhe der Zeitläufte Orientierung stiften kann. Großprojekte wie Desertec oder Offshore-Windkraftanlagen werden damit in einen größeren Kontext gestellt, umstrittene Projekte wie Geo-Engineering oder CO2-Abscheidung und Speicherung möglicherweise als Beitrag zu Nachhaltigkeit und grüner Ökonomie gerechtfertigt.

Deutlich ist bereits heute: Die Strategien hin zu einer Grünen Ökonomie werden, wie schon jene hin zu „nachhaltiger Entwicklung“, am eigenen Anspruch eines grundlegenden Umbaus scheitern. Sie werden der brown economy nichts entgegensetzen, solange die kapitalistische und imperiale Produktions- und Lebensweise und die damit einhergehenden Interessen, Kräftekonstellationen und handlungsleitenden Diskpositive nicht verändert wird.

Und dennoch: Die Strategien einer Green Economy könnten wirkungsmächtig werden. Denn hier werden Elemente formuliert, die de facto zur Herausbildung eines grünen Kapitalismus beitragen könnten. Dieser würde eine neue Phase der Regulation der Naturverhältnisse einleiten, die allerdings nicht grundlegend die Degradation stoppen wird. Ein grüner Kapitalismus wird, wie alle gesellschaftlichen Verhältnisse unter Bedingungen der Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise, selektiv sein, vielen Menschen zu mehr Einkommen und einem höheren materiellen Lebensstandard verhelfen, andere Menschen und Regionen ausschließen oder gar ihre materiellen Lebensgrundlagen zerstören.

Eine grün-kapitalistische Entwicklungsweise wird ein notwendig exklusives Entwicklungsmodell für einige Regionen sein. Konkurrenz- und Ausschlussmechanismen, Dynamiken der Inwertsetzung und Landnahme werden damit nicht aufgehoben. Die „oligarchische Lebensweise“ in den Ländern des globalen Nordens wird sich zwar ausweiten, sie ist aber nicht verallgemeinerbar. Auch innerhalb der wohlhabenden Gesellschaften finden weiterhin Ausschlüsse statt, die in den Strategien der Grünen Ökonomie kaum erwähnt werden.

Und dennoch könnten sich in Ländern wie Deutschland oder Österreich mittelfristig grün-kapitalistische Entwicklungsmodelle durchsetzen, wenn sich unterschiedliche Kräfte wie grüne Kapitalfraktionen und Teile der Gewerkschaften, Parteien, Intellektuelle und Medien, NGOs und soziale Bewegungen um dieses Projekt gruppieren.

In den USA und China deuten staatliche Krisenpolitiken darauf hin, dass auch hier Interessen an ökologischer Modernisierung wichtiger werden. In Großbritannien wiederum ist eine Diskussion um eine Grüne Ökonomie eng mit dem Finanzsektor und der Frage von Finanzdienstleistungen – etwa im Bereich des Emissionshandels - verbunden. Diese Strategien und die sie tragenden Kräftekonstellationen könnten „Staat werden“ dahingehend, dass die verdichteten Kräfteverhältnisse unter Führung bestimmter ökonomischer und politischer Machtgruppen zuvorderst ein solches Projekt vorantreiben und staatlich absichern.

* Durchsetzungsprobleme

Die langfristigen wie auch die konkreten Strategien werden umstritten bleiben. Von linksliberaler Seite wird das Argument vorgebracht, dass unter den gegebenen Bedingungen realpolitisch nicht viel anderes übrig bleibt, als grüne Kapitalfraktionen zu stärken. Das ist aber kein Argument gegen Versuche, die Gesamtkonstellation genauer zu begreifen. Sonst gehen wir dem erfahrungsresistenten renovierten Steuerungsoptimismus der Strategien einer Grünen Ökonomie („die politischen Rahmenbedingungen müssen stimmen“) auf den Leim. Gesellschaftliche Veränderungen, darauf ist analytisch zu bestehen, finden eben nicht nur statt, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Ganz abgesehen davon, dass Politik nicht voluntaristisch gegen herrschende Interessen und eine tief verankerte Produktions- und Lebensweise vorgehen kann.

Grundlegende Alternativen entstehen aus Kritik und politisch häufig von den Rändern her – das behagt einer aufgeklärten Managementperspektive überhaupt nicht. (Was in Bezug auf viele grüne BefürworterInnen, etwa in der Heinrich-Böll-Stiftung, kurios ist: sie imaginieren sich als bessere Steuermänner der Welt, obwohl gerade ihnen doch aufgrund ihrer eigenen Geschichte klar sein müsste, dass gesamtgesellschaftliche Veränderungen der Kritik, Pluralität und randständiger Perspektiven bedürfen.)

Diese gesteuerten wie ungesteuerten Veränderungen sollten aber nicht als Grüne Ökonomie bezeichnet werden – das ist eben eher ein Containerbegriff, in dem sich unterschiedliche Strategien versammeln –, sondern als Elemente eines möglichen grünen Kapitalismus. Aus einer kritischen Perspektive wird der kapitalistische Widerspruch zwischen Inwertsetzung, damit verbundenem möglichen Wirtschaftswachstum und Chancen auf wachsende Verteilungsspielräume einerseits und Naturzerstörung andererseits auf eine neue Stufe gehoben. Die Politisierung der damit einhergehenden ökologischen Probleme wird über das Versprechen von grüner Ökonomie und Wachstum, Innovation und Effizienzrevolution genutzt. Das mag nicht der Degradation von Ökosystemen und Landstrichen, der Erosion von biologischer Vielfalt oder dem Treibhauseffekt, der damit einhergehenden Verarmung von Menschen und Regionen Einhalt gebieten. Es eröffnet bzw. verlängert die kapitalistische Form des Umgangs mit der ökologischen Krise.

* Sozial-ökologische Transformation statt Green Economy

Deshalb scheint es mir angebrachter, statt von Green Economy von sozial-ökologischer Transformation zu sprechen (vgl. meinen Eintrag im gerade erschienenen „ABC der Alternativen“, Hamburg 2012). Damit öffnet sich ein neues, aktuell ebenfalls dynamisches Debattenfeld, denn der Transformationsbegriff findet zunehmende Verwendung, beispielsweise im erwähnten WBGU-Gutachten. Die Stärke liegt m.E. darin, dass stärker gesellschaftliche Ursachen der ökologischen Krise betont werden.

Die Schwäche ist jedoch, dass ähnlich wie im Diskurs um die Green Economy kapitalistische und imperiale Dynamiken, die tief verankerten zerstörerischen Naturverhältnisse wie auch die damit verwobenen Strukturen und Prozesse nationaler und internationaler Politik de-thematisiert bleiben. Auch hier geht es zu schnell um Fragen geeigneter politischer Steuerung. Und dennoch scheint die Transformationsdebatte vielversprechender.

Dr. Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik an der Universität Wien und (sachverständiges) Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages (www.univie.ac.at/intpol). Von ihm erschienen zuletzt:
* After Sustainable Development: Green Economy as the Next Oxymoron? In: GAIA 21(1/2012).
* Schöne Grüne Welt. Mythen der Green Economy, Reihe luxemburg argumente; http://www.rosalux.de/publication/38335/schoene-gruene-welt.html
* (Mit-Hg.), ABC der Alternativen, VSA: Hamburg 2012. Bezug: Buchhandel
Veröffentlicht: 7.5.2012

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich Brand, Neuer Steuerungsoptimismus vor Rio+20: Die imperiale Lebensweise bleibt unangetastet, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 7. Mai 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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Kommentar von Hans-Hermann Hirschelmann

Forderungen nach einem (in die Perspektive der "nachhaltigen Entwicklung") integrierten Umwelt & Naturschutz sind allerdings nicht unbedingt, wie U. Brandt behauptet, Zeichen des Unverstands gesellschaftlicher Interessenslagen und wie sich diese in den Institutionen der Politik "verdichten", sondern reagieren womöglich eben genau darauf.

Auf die Verdichtung der Kräfteverhältnisse eher ungünstig wirken sich m.E. Statements aus, nach denen "Umweltpolitik im Sinne von Schutzpolitik oder einer drastischen Absenkung des Ressourcenverbrauchs so lange ein „schwaches“ Politikfeld bleiben wird, solange bürgerlich-kapitalistische Umgangsweisen mit Natur auf deren Beherrschung und Inwertsetzung zielen." (Brand) Hier werden ansatzweise richtige Erkenntnisse über die häufig zerstörerischen Implikationen von privat- oder staatseigentümlicher "In-Wert-Setzung" von Ökosystemen zu romantischen Dogmen verdichtet.

"Naturbeherrschung" als Identität stiftendes Feindbild hoch zu halten dessen Mittel "In-Wert-Setzung" deshalb unisono als "Herrschaft" an und für sich und deshalb des bürgerlich-kapitalistischen Teufels zu schimpfen, blockiert leider nur allzu oft den Gedanken, dass ein kultivierter Umgang mit den Naturressourcen auf Basis umweltbewusster Absprachen eben die Zähmung der "Naturgewalt Kapitalismus" (durchaus auch innerhalb ihrer sich in einkaufsparadiesischer Unschuld wähnenden Subjekte) voraussetzt, bei der halt erst einmal die Umstände der "In-Wert-Setzung" verändert gehören, sie damit im Übrigen auch ein Stück entprivatisiert werden. Wer im Auftrag "der Natur" "die Herrschaft" angreift, versteht den Kampf um Öko- und Sozialstandards als Bedingungen des kapitalistischen Weltwirtschaftens (etwa mittels ökologischer Reform der WTO, mit Ökozöllen als Mittel der Finanzierung nationaler Nachhaltigkeitsprogramme) als Teil der im Namen "der Natur" anzugreifenden "Herrschaft". Oder Bemühungen um eine weltgemeinschaftliche Aufhebung ruinöser Standortkonkurrenz wird im Namen "der Regionalisierung" (die man vielleicht näher der Natur wähnt) bekämpft oder zumindest ignoriert. Die Naturgewalt Kapitalismus aufzuheben um die Mensch-Natur-Beziehungen beherrschen zu lernen mag zu einem industriellen Metabolismus auf Basis eines - am Ende weltgemeinschaftlichen - Nachhaltigkeitsmanagements führen, für das Geld als Vergesellschaftung nicht mehr taugt. Aber das lässt sich leider nicht idealistisch vorwegnehmen.

Hinweis:


Zugleich erscheint eine Reedition unserer UNCED-Sonderdienst-Serie "Maracujà", mit der wir den Erdgipfel vor 20 Jahren vorbereitet und ausgewertet haben: Reedition nach 20 Jahren: UNCED-Serie "Maracujá".