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Doha: Klimarangelei immun gegen Druck der Realität

Artikel-Nr.: DE20121126-Art.60-2012

Doha: Klimarangelei immun gegen Druck der Realität

Versagen des Nordens und Erwartungen des Südens

Nur im Web – Immer um diese Zeit des Jahres fällt das Licht der Scheinwerfer auf den Klimawandel. Diese Woche eröffnet die UN-Klimakonferenz in Doha/Katar. 15.000 TeilnehmerInnen werden erwartet. Handeln ist dringlicher als jemals zuvor. Die 18. Vertragsstaatenkonferenz der Klimakonvention (COP18) trifft sich vor dem Hintergrund deutlicher Beweise für die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels, berichtet Martin Khor.

Das Ereignis mit der meisten Publizität ist Hurrikan Sandy, der einen Schaden von 50 Mrd. Dollar an der Ostküste der Vereinigten Staaten verursachte, darunter die Flutung der New Yorker Metro. „Es ist das Klima, Du Dummkopf“, titelte Bloomberg Business Week in seiner Ausgabe vor den Wahlen und schrieb, dass der Klimawandel das größte Thema des Wahlkampfes hätte sein sollen. Doch „das Thema fehlt auf der Tagesordnung des Kongresses und in den Debatten der Präsidentschaftskandidaten. Nach Sandy ist das verrückt.“

* System freiwilliger Erklärungen

Es besteht Hoffnung, dass sich die öffentliche Meinung in den USA nach Sandy verändern wird. Klimaskeptiker und konservative Politiker haben verhindert, dass die USA glaubwürdige Emissionsreduktionsziele eingehen. In der Tat sind die USA der größte Blockierer globalen Handelns. Sie haben ein freiwilliges System von Verpflichtungen befördert, in dem jedes Land einfach erklärt, was es tun möchte, statt einem Top-Down-Ansatz zu folgen, bei dem wissenschaftliche Schätzungen festlegen, was notwendig ist und dann jedes Land Kürzungen durchführt, die mit anderen Kürzungsverpflichtungen vergleichbar sind.

Die Welt ist auf dem Weg zu einem desaströsen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 4°, warnte ein ???042ae6a10f107d20f??? in der letzten Woche – weit mehr als die Schwelle von 2°. Selbst bei dem heute schon aktuellen Anstieg um 0,8° (über dem vorindustriellen Niveau) richten extreme Wetterereignisse wie Überflutungen, Dürren und Stürme bereits Verwüstungen an.

Ernüchternde Fakten brachte auch der jüngste Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) über die Emissionslücken. Die jährlichen Emissionen schossen von 40 Mrd. t im Jahr 2000 auf derzeit 50 Mrd. t nach oben und sollen im Jahr 2020 auf 58 Mrd. t anwachsen, wenn nichts geschieht. Dieser Ausstoß muss auf 44 Mrd. t bis 2020 abgesenkt werden, um unterhalb der 2°-Schwelle zu bleiben. Das UNEP schätzt, dass die Emissionslücke bis 2020 bei 8-13 Mrd. t liegen wird. Das ist die Differenz zwischen dem erwünschten und dem tatsächlichen Emissionsniveau im Jahre 2020. Es braucht somit außerordentliche Maßnahmen, um die Emissionen zu reduzieren.

* Durchbruch in Doha unwahrscheinlich

Leider ist es unwahrscheinlich, dass COP18 einen Durchbruch bringt. Es wird angestrebt, die Arbeit in zwei Arbeitsgruppen (zum Kyoto-Protokoll – KP – und zu Long-term Cooperative Action – LCA, dem Terminus Technicus für den Aktionsplan von Bali) abzuschließen und den Weg zum Beginn der Arbeit in einer dritten Gruppe, der sog. Durban-Plattform (DP), zu bahnen. Die DP-Gruppe kann mit ihrer Arbeit richtig erst beginnen, wenn die beiden anderen Arbeitsgruppen beendet sind, was im Moment aber unwahrscheinlich scheint.

In Bezug auf das Kyoto-Protokoll sollten die Industrieländer auf COP18 definitiv bindende Verpflichtungen zur Emissionsreduktion für die nächsten fünf oder acht Jahre, d.h. die zweite Verpflichtungsperiode (die erste endet Ende 2012) eingehen. Doch gibt es vielfältige Probleme. Kanada ist aus dem Protokoll ganz ausgetreten, wie die USA schon vor Jahren. Japan und Russland weigern sich, an der zweiten Periode teilzunehmen, und Australien und Neuseeland haben sich noch nicht festgelegt.

Übrig bleiben die europäischen Länder. Die Europäische Union wird sich nur auf eine niedrige Zahl festlegen (20% Kürzung bis 2020 gegenüber 1990) und hat darauf hingewiesen, dass diese Zahl nicht verbindlich durch die Parlamente ratifiziert werden soll, sondern nur durch eine einfache Entscheidung auf der COP.

Unterdessen sollen andere Industrieländer, die nicht im Kyoto-Protokoll sind, vergleichbare Verpflichtungen in der LCA-Gruppe eingehen. Doch die USA haben die Bewegung zu einem System angeführt, in dem die Länder Zusagen abgeben können, wie es ihnen beliebt. Die USA bestehen darauf, die LCA-Gruppe (die 2007 zur Aushandlung des Bali-Aktionsplans eingerichtet worden war) aufzulösen, auch wenn diese ihre Arbeit zu Minderung, Anpassung, Finanzierung und Technologietransfer noch nicht beendet hat.

* Was den USA am Bali-Aktionsplan nicht gefällt

Den USA gefallen mehrere Dinge am Bali-Aktionsplan nicht: seine Bestimmung, dass alle Industrieländer vergleichbare Anstrengungen der Emissionsminderung unternehmen müssen, seine Anerkennung der unterschiedlichen Minderungsverpflichtungen von Industrie- und Entwicklungsländern und das Prinzip, dass das Handeln der Entwicklungsländer an die Verfügbarkeit von Finanzen und Technologie geknüpft ist.

Die Entwicklungsländer wollen, dass die LCA-Gruppe ihre Arbeit zu Ende führt oder andernfalls die noch offenen Fragen (gemeinsam mit den Prinzipien und dem Rahmen, der diesen zugrunde liegt) an andere Instanzen transferiert werden, bevor die Gruppe aufgelöst wird. Aber sie sehen sich dem Widerstand mehrerer Industrieländer gegenüber, die viele dieser für die Entwicklungsländer wichtigen Schlüsselfragen loswerden wollen (wie die Konsequenzen intellektueller Eigentumsrechte für den Technologietransfer und die Garantie, dass der Klimaschutz nicht als Grund für unilateraler handelspolitische Maßnahmen herangezogen wird).

Diese Industrieländer wollen ebenfalls mit der Verhandlung über bestimmte Fragen fortfahren, vor allem über Minderung, aber ohne die Prinzipien und das Verständnis, wie sie bereits unter der Klimakonvention und in der LCA-Gruppe erarbeitet wurden. Sie hoffen, dass sie – wenn die KP- und die LCA-Gruppe aufgelöst werden – die neue DP-Gruppe zur Diskussion über reine Klimaschutzmaßnahmen bringen können, wobei alle Länder gleiche Verpflichtungen übernehmen müssten. Die unterschiedliche Behandlung der Industrie- und Entwicklungsländer würde dann aufgegeben oder minimiert.

* Langsamer Fortschritt trotz dringendem Handlungsbedarf

Doch ist es gerade das, was die Entwicklungsländer nicht wollen. Für sie müssen die Verhandlungen künftig von den Konventionsprinzipien der Gerechtigkeit geleitet werden, die „differenzierte Verantwortlichkeiten“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern anerkennen. Sie befürchten, dass es die Industrieländer ablehnen, ihren Verpflichtungen zur Emissionsreduktion nachzukommen, und stattdessen die Lasten den Entwicklungsländern aufbürden werden. Auch sind sie besorgt, dass die Industrieländer ihre Versprechen in Bezug auf den Technologietransfer nicht einhalten. Und auch die neuen Fonds zur Unterstützung der Entwicklungsländer haben längst noch nicht die versprochene oder erforderliche Höhe erreicht.

Auf der anderen Seite wollen die Industrieländer erreichen, dass die Entwicklungsländer ähnliche Reduktionsverpflichtungen wie sie eingehen. Sie befürchten, dass die Entwicklungsländer ansonsten ökonomisch aufholen und sie die wirtschaftliche Dominanz verlieren.

COP18 wird die Fortsetzung dieses diplomatischen Gerangels bringen. Die Sackgasse oder der bestenfalls langsame Fortschritt steht im Kontrast zur Dringlichkeit des Handelns, um den steigenden Temperaturen und der wachsenden Anzahl und Intensität extremer Wetterereignisse zu begegnen.

Martin Khor ist Direktor des South Centre in Genf und schreibt regelmäßig an dieser Stelle.

Veröffentlicht: 26.11.2012

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Doha: Klimarangelei immun gegen Druck der Realität, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 26. November 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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