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Entwicklungshilfe-Kritik zwischen rechts und links

Artikel-Nr.: DE20120212-Art.08-2012

Entwicklungshilfe-Kritik zwischen rechts und links

Die neue Normalität der Entwicklungspolitik

Nur im Web – „The next revolution will not be funded“, lautete der originelle Titel einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung Anfang Februar 2012. Wäre es nicht um Kulturförderung, sondern um Entwicklungspolitik gegangen, hätte man vielleicht formuliert: Eine öffentliche Entwicklungsförderung bzw. Entwicklungsfinanzierung im internationalen Maßstab findet demnächst nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt statt. Von Rainer Falk.

In der Tat stehen wir vor einer massiven Kürzungswelle in der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) – in Verbindung mit einem massiven Privatisierungsschub in diesem Bereich. Noch gibt es zwar eine Handvoll von Ländern, die das 0,7%-Ziel verwirklicht haben; einige Länder haben die Entwicklungshilfe in den letzten Jahren erhöht, in anderen stagniert sie mehr oder weniger, während bspw. Italien und Griechenland traditionell zu den „bad guys“ der ODA gehören. Doch die letzten ODA-Zahlen der OECD festigen die Gewissheit, dass die internationale Verpflichtung, die sog. Entwicklungshilfe im Rahmen der Millennium-Entwicklungsziele bis 2015 auf 0,7% zu steigern, nicht eingelöst werden wird.

* Austeritätstrend beflügelt Kritik von rechts

Mit dem Übergang von der konjunkturpolitischen Stimulierung zur fiskalischen Konsolidierung, wie die Durchsetzung einer brachialen Austeritätspolitik etwas euphemistisch genannt wird, dürften auch die Entwicklungshaushalte im Norden vor Einbrüchen nicht verschont werden. Es ist bezeichnend, dass in einer solchen Situation der stagnierenden oder rückläufigen Entwicklungshilfe erneut eine bestimmte Spezies von Kritikern in Erscheinung tritt, die diese radikal und fundamental in Frage stellen, nach dem Motto: Die Entwicklungsarbeit der letzten Jahre ist als „Business der Barmherzigkeit“ gescheitert und hat nur der Bereicherung kleptokratischer Eliten gedient.

Im Wesentlichen wird gefordert, die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bis auf wenige Elemente gleich ganz einzustellen und sich darauf zu beschränken, für die Marktakteure und das Unternehmertum möglichst freie Entfaltungsspielräume zu schaffen. Gelegentlich wird auch von rechts mehr Bewegungsspielraum für die Zivilgesellschaft verlangt. Aber das kann den Gleichklang dieser Thesen mit der gängigen neoliberalen Agenda nicht überdecken, zumal ja zivilgesellschaftliche Akteure immer auch Bestandteil der Bürgergesellschaft und insofern immer auch Marktakteure sind. Die Hauptrichtung ist klar: die Schwächung des Staates, die Zurückdrängung staatlicher Intervention, die „Entfesselung“ der Marktkräfte, kurz: die Förderung der Dreifaltigkeit von Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung, wie sie auch im Zentrum des sog. Washington Consensus stand.

Ein prägnantes Beispiel ist die ehemalige Weltbank-Mitarbeiterin und Investment-Bankerin Dambisa Moyo, die ursprünglich aus Sambia stammt. Erst verdammte sie in ihrem Buch „Dead Aid. Why Aid is Not Working and How There is Another Way for Africa die westliche Entwicklungshilfe in Grund und Boden (Tödliche Hilfe oder wirksamere Therapie?). Inzwischen jubiliert sie angesichts der lauter werdenden Kapitalismuskritik im Westen, dass das bislang am westlichen Tropf hängende Afrika uns an den kapitalistischen Weg erinnern kann (“Africa can remind the world of the capitalist way”). In einem Kommentar für die Financial Times schrieb sie: „In its true form capitalism is thriving in Africa, dragging millions out of poverty and into the shops.“ (“In seiner wahren Form gedeiht der Kapitalismus in Afrika, zieht Millionen aus der Armut und in die Shops.“)

Dabei hat diese Gruppe der Entwicklungshilfe-Kritiker einen eigenartigen Begriff von Kritik. Einer von ihnen – Volker Seitz, langjähriger deutscher Botschafter in afrikanischen Ländern und Verfasser des Buches Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann (???042ae69c4c1049e0f???) – antwortete einmal auf die Frage, wie er auf den Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung gestoßen sei: „durch dessen unkritische Haltung gegenüber der Entwicklungshilfe“. Dass wir die EZ sehr wohl kritisch beurteilen, und zwar unter qualitativen und quantitativen Aspekten, dass wir aber die weltwirtschaftlichen Mechanismen und Rahmenbedingungen, also Handelspolitik, Investitionspolitik und Finanzpolitik, als den entscheidenden Kontext sehen, in dem letztlich auch die EZ zu beurteilen ist, schien er nicht verstanden zu haben.

* Gegen den Strom ist es schwerer

Die „von rechts“ kommende Kritik an der Entwicklungshilfe ist sicherlich auch deshalb so populärer, weil sie in mehr oder weniger offener oder auch subtiler Weise an die Vorurteile des Stammtisches appelliert. „Linke Entwicklungshilfekritik“ ist in der Regel schwerer vermittelbar – von einigen Ausnahmen einmal abgesehen, etwa Brigitte Erler, die vor dem Hintergrund individueller Enttäuschungen in der BMZ-Praxis vor über einem Vierteljahrhundert ihr Buch „Tödliche Hilfe“ geschrieben hat.

„Von links“ ist die EZ zumeist in ihrem globalen, systemischen Zusammenhang kritisiert worden. Gerade deshalb und dadurch – das mag auf Anhieb vielleicht paradox klingen – gelangt diese Kritikrichtung jedoch zu differenzierteren Ergebnissen, die die Ambivalenz westlicher Entwicklungshilfe und –zusammenarbeit betonen. Sicherlich – auch Jean Ziegler spricht in diesem Zusammenhang von einem „täglichen und tausendfachen Morden“. Er meint damit jedoch ein mörderisches Agrarregime und das gnadenlose Treiben der Transnationalen Konzerne im Süden. Jean Feyder, der engagierte Botschafter Luxemburgs bei den in Genf ansässigen internationalen Organisationen, hat sein Buch „Mordshunger“ genannt – eine deutliche Anspielung auf die mörderischen Konsequenzen der globalen Nahrungsmittelkrise. Er führt diesen „Mordshunger“ ursächlich auf ein mangelhaftes globales System der Ernährungssicherheit zurück, auf die jahrzehntelange Vernachlässigung der ländlichen Entwicklung in den Strategien der Weltbank und der Regierungen sowie auf andere verfehlte Politiken, wie die Strukturanpassungspolitik des IWF oder die übereilte Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der WTO. Auch der vom Norden hauptsächlich zu verantwortende Klimawandel führt im Süden zu massenhaftem Sterben, das künftig noch zunehmen wird, auch deshalb, weil die Industrieländer dem Süden die notwendige Anpassungshilfe verweigern.

In diesem systemischen Kontext sind EZ und erst Recht Entwicklungshilfe allenfalls von untergeordneter Bedeutung. „Untergeordnet“ heißt jedoch nicht „unwichtig“. Und „untergeordnet“ heißt auch nicht „nicht kritikwürdig“, im Gegenteil.

* Strömungen linker Entwicklungshilfe-Kritik

Aus marxistischer Sicht sind EZ und Entwicklungshilfe – ebenso wie aus postkolonialer und antikolonialer/antiimperialistischer Sicht – zumeist als Fortsetzung der Kolonialpolitik mit anderen Mitteln, als Beitrag zur Absicherung politischen Einflusses und ökonomischer Positionen nach dem Verlust der direkten Kolonialherrschaft, kritisiert worden. Dabei reicht das Spektrum der Kritik vom Vorwurf des Paternalismus der alten Kolonialmächte bis hin zur Behauptung der Integration der EZ in ein zum Neokolonialismus verdichtetes Herrschaftssystem. Während postkoloniale und antikolonial/antiimperialistische Perspektiven eher auf die anhaltende Bevormundung und mangelnde Repräsentation der ehemals direkt Unterworfenen abheben, betonen marxistische Positionen eher den „organischen“ und funktionalen Charakter des Neokolonialismus für die Reproduktion der kapitalistischen Metropolen bzw. des kapitalistischen Weltsystems – sei es in ökonomischer Hinsicht, sei es in Bezug auf die grundsätzliche Aufrechterkaltung von Abhängigkeitsstrukturen. (Auf der anderen Seite ist die Notwendigkeit der Ausbeutung des Südens für die Reproduktion des metropolitanen Kapitalismus gerade aus marxistischer Sicht immer wieder bestritten worden.)

Als weitere Variante könnte in diesem Zusammenhang die dependeztheoretische Kritik genannt werden (sofern man aus der Beobachtung von „Abhängigkeit“ eine Theorie machen will). In Bezug auf Entwicklungshilfe und EZ wird von dieser Seite argumentiert werden, dass sie bestehende Abhängigkeitsstrukturen stabilisieren, wo doch das Gegenteil, nämlich deren Aufbrechung, erforderlich wäre.

Marxistische, anti- oder postkoloniale Positionen haben jedoch meistens in Rechnung gestellt, dass entwicklungspolitische Strategien nicht nur Ausfluss globaler Herrschafts-, Produktions- und Verteilungsverhältnisse bzw. der anhaltenden Dominanz der Industrieländern sind, sondern immer auch Momente der Reaktion auf die Bewegungen im Süden und Momente des Zugeständnisses an die Aufbegehrenden enthalten. So gesehen sind global oder im Nord-Süd-Verhältnis verfolgte Sozialstrategien vergleichbar mit sozialen Unterstützungssystemen innerhalb von Nationalstaaten. Entwicklungshilfe und EZ können so gesehen auch unter ihrem Transferleistungsaspekt analysiert werden, als Ansatz zur Wiedergutmachung der in der Kolonialzeit erlittenen Schäden oder als gewisse Kompensation für die Ausbeutung im modernen globalisierten Kapitalismus. Dies ist zum Beispiel die Begründungszusammenhänge, aufgrund derer die Forderung, 0,7% des Bruttonationaleinkommens der Industrieländer für entwicklungspolitische Transferleistungen bereitzustellen, seit den 1960er Jahren zum Forderungsbestand der Entwicklungsländer gehört. Diese Forderung zu unterstützen, sollte also aus dieser Sicht kein Problem sein.

Nicht so freilich für die sog. Post-Development-Strömung. Deren Kritik setzt unmittelbar am Konzept der nachholenden Entwicklung bzw. am Wachstums- und Entwicklungsbegriff generell an. Aus dieser Sicht erscheinen selbst so einfache Indikatoren wie die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) als bloße Beförderung eines nicht-nachhaltigen Entwicklungsmodells. Beliebt ist dieser Ansatz insbesondere auch bei den KritikerInnen der negativen ökologischen Konsequenzen, die oft mit Großprojekten und –programmen der westlichen Entwicklungsindustrie einher gehen. Das weitgehende Scheitern der Strategie des Sustainable Development in den 20 Jahren nach dem Erdgipfel und die gegenwärtigen Versuche, die Veränderung des westlichen Produktions- und Konsummodell als „Mutter aller Krisen“ (Altvater) wieder ins Zentrum der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik zu stellen, zeigen allerdings, wie schwierig Wandel hier zu bewerkstelligen ist.

In gewisser Weise verwandt mit der Post-Development-Kritik ist auch die feministische Kritik der Entwicklungszusammenarbeit. Diese stellt die genderpolitische Unausgewogenheit jeglicher entwicklungspolitischer Ansätze in den Mittelpunkt. Dabei verknüpft sie die Kritik an Projekten und Programmen mit der allgemeinen feministischen Gesellschaftskritik. Lange Zeit war die entwicklungspolitische Landkarte geradezu ein einziger genderpolitischer weißer Fleck. Inzwischen ist das „Gendermainstreaming“ in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken, so dass sich bereits die Frage nach der möglichen Vereinnahmung im Rahmen eines in den Grundparametern wenig veränderten Hilfesystems stellt.

* Entwicklungspolitik als Terrain der Auseinandersetzung

Welche Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen Varianten der EZ-Kritik gibt es? Vielleicht könnte man ihre wichtigsten VertreterInnen für den Gedanken gewinnen, Entwicklungspolitik, einschließlich der dazugehörenden entwicklungspolitische Diskurse, als Terrain der Auseinandersetzung von und um Interessen zu sehen. Die ökologische Kritik an Großstaudämmen und anderen Großprojekten hat zugleich eine Unzahl von Fakten über die dahinter stehenden Interessen von Großkonzernen offengelegt. Die Kritik des Systems der Export- und Investitionsversicherung („Hermes“) lieferte zahlreiche Bausteine für eine weiterreichende Kritik am aggressiven deutschen Exportmodell. Auch der derzeitige Versuch der Spitze des BMZ, die deutsche EZ stärker auf die Exportinteressen der deutschen Industrie zuzuschneiden, sollte nicht unterschätzt werden. Zwar ist die entwicklungspolitische Bürokratie (wie jede Bürokratie) ein Stück weit resistent gegenüber schnellen und allzu weitreichenden Veränderungen. Aber Entwicklungshilfe als Schmiermittel für deutsche Exporte einzusetzen, ist ein in der EZ-Geschichte immer wiederkehrendes Motiv, das bislang immer nur zeitweise zurückgedrängt werden konnte.

* Occupy Rio+20!

Was die entwicklungspolitischen Diskurse betrifft, so gibt es derzeit wohl zwei zentrale Felder der Auseinandersetzung. Das eine ist der Prozess der Vorbereitung auf die Rio+20-Konferenz im kommenden Juni, aber auch darüber hinaus bis zum Jahr 2015, wenn die Frage beantwortet werden muss, wie es jenseits der MDGs weitergeht (Rio plus 20-Sonderserie). Sicher sind die bislang deutlich gewordenen Vorstellungen einer „Green Economy“, die im Mittelpunkt der vorbereitenden Diskussion steht, aus progressiv-zivilgesellschaftlicher Sicht in ihrer Begrenzung scharf zu kritisieren. Doch zugleich zeigen sich Ansätze zur Wiederbelebung der Debatte um ein neues Produktions- und Konsummodell, sowie zur Ergänzung der MDGs und damit ihrer Weiterentwicklung durch ein Set von Zielen nachhaltiger Entwicklung („Sustainable Development Goals“). Die Losung „Occupy Rio+20“, die an dieser Stelle jüngst als Überschrift Verwendung fand (W&E-Hintergrund November 2011), lässt sich durchaus unterschiedlich interpretieren: im Sinne eines unpolitischen „Vergesst Rio+20“ oder aber fast wörtlich im Sinne der Besetzung eines politischen Diskurses, um das progressive Potential von „Sustainable Development“ zurückzuholen („Reclaiming Sustainable Development“).

* Policy space oder neue Vormundschaft?

Auch im zweiten Feld der Auseinandersetzung geht es um die Rückeroberung politischer Räume. Die Frage ist nämlich: Welche politischen und Entwicklungsspielräume, welcher „policy space“ bleibt dem Süden künftig noch? Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts begann nicht nur mit der Verkündung der MDGs und einem neuen Anlauf zur Steigerung der internationalen Entwicklungsfinanzierung („Consensus von Monterrey“), sondern auch mit dem Post-9-11-Versuch, die sog. Dritte Welt im Rahmen der Doha-Rund in einen neuen Liberalisierungsschub einzubinden. Letzterer zielte auf die Beseitigung der letzten Reste industrie- und investitionspolitischer Souveränität im Süden, auf die Liberalisierung des Agrarhandels und generell auf den Verzicht auf außenwirtschaftliche Steuerungsinstrumente durch den Süden. Wie der koreanische Ökonom Ha-Joon chang in seinem Buch „Kicking away the ladder“ nachwies, sollten den Entwicklungsländern genau diejenigen Instrumente genommen werden, mittels derer in den Industrieländern nachholende Industrialisierung gelungen war.

Während der Washington Consensus auf der Diskursebene brüchig geworden war, bestimmte er weiterhin weitgehend die Praxis von IWF und Weltbank „on the ground“. Zugleich rollte unter dem Vorwand der „qualitativen Verbesserung der Hilfe“ („aid effectiveness“) eine neue Welle zusätzlicher Konditionalität auf den Süden zu. Besonders beliebt wurde die Behauptung, das Regime der neoliberalen Strukturanpassung sei längst von einer Politik der reinen Armutsbekämpfung abgelöst worden. Lagerübergreifend wurden und werden „Ownership“ und „Ergebnisorientierung“ eingefordert. Und als selbstverständlich gilt inzwischen, dass nur diejenigen der westlichen Hilfe würdig sind, die Menschenrechte, Demokratie und „Good Governance“ praktizieren.

Keines dieser Konzepte, die sich zu einem neuen entwicklungspolitischen Konsens addierten, ist für sich genommen besonders problematisch oder gar abwegig (so lässt sich gegen die Forderung nach korruptionsfreien öffentlichen Verwaltungen hier wie dort nichts einwenden). Doch im Kontext der „neuen Weltordnung“ geraten sie allesamt zu Versatzstücken einer neuen Vormundschaft des Nordens gegenüber dem Süden (07-08-2002).

Zehn bis 15 Jahre später lässt sich allerdings sagen: Das Szenarium der neuen Vormundschaft hat sich nicht erfüllt. Verantwortlich dafür waren eine ganze Reihe von Faktoren: Die Selbstorganisation der Entwicklungsländer in der WTO stoppte den Versuch, im Gewand der Doha-Entwicklungsrunde eine Rekolonisierung des Südens durchzusetzen. Lateinamerika hat sich eine neue Generation von Mitte-Links-Regierungen gewählt und lässt den traditionellen Status des amerikanischen Hinterhofs zügig hinter sich. Mit Wachstumsraten, die zwei- bis dreimal so hoch sind wie im Norden, und mit einer überdurchschnittlich starken Expansion des Süd-Süd-Handels untereinander, finden im Süden zum ersten Mal seit langer Zeit wieder echte Aufholprozesse statt. An der Spitze dieser Prozesse steht Asien, vor allem China und Indien. Aber auch Afrika verzeichnet ein relativ stabiles Wachstum, relativ unberührt von den Fernwirkungen der Finanzkrise und ihren Epizentren in den USA und Europa. Der wichtigste Faktor der neuen Konstellation ist zweifellos der Aufstieg der Schwellenländer im Süden, der BRICs, aber nicht nur dieser.

Zwar gibt es in allen Regionen des Südens Risiken, die eine einfache und automatische Verlängerung dieser Trends in die Zukunft nicht ratsam erscheinen lassen. Doch mit dem Aufstieg neuer Akteure im Süden sind auch „neue Geber“ in Erscheinung getreten. Das alte Gebermonopol der Industrieländer ist zerbrochen. Die alten OECD-Länder versuchen zwar, die neuen Geber in ihren entwicklungspolitischen Konsens einzubinden. Doch wie die Ergebnisse der letzten Konferenz zur Wirksamkeit der Hilfe in Busan/Südkorea oder auch die entwicklungspolitischen Deklarationen der G20 zeigen, ist die neue Vormundschaft des Nordens gegenüber dem Süden schnell an ihre Grenzen gestoßen. Einigen mag es nicht gefallen, wenn wesentliche Elemente des Konsenses in den neuen Erklärungen wieder relativiert werden. Aber sie werden sich mit der „neuen Normalität“ (UNCTAD) der Entwicklungspolitik abfinden müssen.

Hinweis:
* Der Beitrag basiert auf einem Vortrag für einen Workshop der Vertrauensdozenten der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Linke Entwicklungspolitik – Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen“.

Veröffentlicht: 12.2.2012

Empfohlene Zitierweise: Rainer Falk, Entwicklungshilfe-Kritik zwischen rechts und links, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 12. Februar 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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