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G20-Präsidentschaft 2013: Gutes Timing, Herr Putin

Artikel-Nr.: DE20121217-Art.64-2012

G20-Präsidentschaft 2013: Gutes Timing, Herr Putin

Erstes Civil-20-Treffen in Moskau

Nur im Web – Ausgerechnet Russland ist der erste G20-Gastgeber, der ein Civil-20-Treffen (C20) durchgeführt und einen „produktiven Dialog zu den thematischen Prioritäten der russischen G20-Präsidentschaft zwischen globaler Zivilgesellschaft, PolitikerInnen und EntscheidungsträgerInnen“ angekündigt hat. Ein erstes Treffen fand vom 11.-13. Dezember 2012 in Moskau statt. Heike Löschmann berichtet.

Das Programm der dreitägigen Konferenz sollte dazu dienen, die Visionen der russischen Präsidentschaft zu diskutieren und die Erwartungen der internationalen Zivilgesellschaft zu formulieren. Ein weiteres Ziel des Treffens bestand darin, die Effektivität von Entscheidungs- und Arbeitsprozessen der G20 unter die Lupe zu nehmen. Ein drittes Ziel war, Wege zu finden, die Zivilgesellschaft künftig fest in den G20-Prozess zu integrieren - eine Forderung, die seit Beginn des G20-Prozesses von zivilgesellschaftlichen Gruppen immer wieder artikuliert wurde, beim Gipfel in Mexiko im Juni 2012 aber noch in weiter Ferne war.

* Langfristige Vorbereitung

Die Konsultation wurde von der russischen Sherpa Ksenia Yudaeva eröffnet. Geladen waren desweiteren VertreterInnen aus dem Präsidentenbüro und dem Ministerium für Finanzen auf der einen, und VertreterInnen internationaler Organisationen und von Think Tanks, internationalen NGOs und einige wenige ausgewählte russische Nichtregierungsorganisationen auf der anderen Seite. Angesichts der jüngsten Repressalien gegen die eigene Zivilgesellschaft und des Erlasses des Agentengesetzes, durch das Organisationen diskreditiert werden, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten, ist das ein Hohn. Dennoch wird die internationale Gemeinschaft nicht umhin kommen, der Gastgeberregierung dafür Anerkennung zu zollen. Gutes Timing, Herr Putin!

Ohne den grundsätzlichen Fortschritt zugunsten einer formalisierten Einbindung der globalen Zivilgesellschaft in den G20-Prozess zu schmälern, sei ein kritischer Blick auf den Vorbereitungsprozess gestattet. Der Aufwand lohnt für die russischen Gastgeber auf alle Fälle, denn schließlich übernimmt Russland 2014 bereits die G8-Präsidentschaft. Und da kann man in der internationalen Öffentlichkeit dann wieder mit einem freundlichen Auftritt mit der Zivilgesellschaft punkten.

Die Organisation des Dialogs war langfristig vorbereitet worden. Die Civil-G20-Webseite ging schon vor dem mexikanischen Gipfel online. Damit wollte man sich schon mal zukunftsweisend von den Mexikanern abheben. Die Seite kümmerte dann zwar viele Monate vor sich hin, ist aktuell aber Sprachrohr und Informationskanal der russischen Koalition in die Welt, und wer den Prozess nicht länger beobachtet hat, könnte falsche Schlussfolgerungen ziehen. Die Webseite wird vom Russischen Sherpa-Büro finanziert. Eine russische G8/G20-NGO-Koalition mit engem Kontakt zum Sherpa-Stab war damit beauftragt, die internationale Zivilgesellschaft einzuladen – möglichst nicht allzu viele westliche VertreterInnen, sondern bevorzugt solche aus den BRICS-Ländern, mit denen man sich eher verbündet sieht.

* Arbeitsprogramm: Trotz Schlagseite…

Die Beteiligung der regierungskritischen russischen Zivilgesellschaft war schon dadurch entmutigt worden, dass die Organisation des Forums aus deren Sicht in den Händen einer regierungsfreundlichen russischen G8/G20-NGO-Koalition lag. Deren VertreterInnen saßen wiederum zwischen allen Stühlen und holten sich zusätzlich - auch reichlich gesegnet mit unprofessionellen Fehlern im Vorbereitungsprozess - Prügel von allen Seiten. Die Teilnahmeliste für das C20-Forum vom 11.-13.Dezember war von den OrganisatorInnen schon von vornherein mit VertreterInnen internationaler Organisationen und von Think Tanks zahlenmäßig überbesetzt worden.

Für die inhaltliche Diskussion war ein gemeinsamer Bericht „Mapping G20 Decisions Implementation“ auf der Grundlage der sog. Score-Card-Methode der G20-Forschungsgruppe der Universität Toronto von einem Think Tank Consortium vorbereitet worden, dem sich die Russische G8/G20-NGO-Koalition angeschlossen hatte, indem sie bei Vorlage des Berichtsentwurfs relativ sorglos ihr Logo einfach auf den Bericht klebte, den man hier nachlesen kann.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat sich mit einer kritischen Analyse dieses Entwurfs in die Debatte eingebracht, sowohl zur Methode der Evaluierung der G20-Performance, als auch zu einzelnen inhaltlichen Schwerpunkten der im Entwurfspapier evaluierten G20-Beschlüsse, z.B. solchen zur Strukturreform, zu Ernährungssicherheit oder Energieeffizienz, zur Beendigung der Ölsubventionen, zur Marktliberalisierung oder zur Reform Internationaler Finanzinstitutionen. (Da der Arbeitsprozess noch anhält, ist diese kritische Analyse noch nicht öffentlich einsehbar, kann bei Interesse aber im Referat Internationale Politik der Heinrich-Böll-Stiftung angefragt werden.)

Ein weiterer Arbeitsstrang ist die Debatte um die C20-Roadmap zum Gipfel, den man hier graphisch aufbereitet einsehen kann. Folgende Themen sollen in sechs thematischen Arbeitsgruppen aufgearbeitet werden, die jeweils durch einen russischen und einen internationalen Vertreter geleitet werden:
* Umwelt, Nachhaltigkeit und Energie,
* Ernährungssicherheit,
* Post-2015-MDGs,
* Finanzintegration,
* Korruptionsbekämpfung,
* Arbeit und Beschäftigung.
Darüber hinaus wird zu Verteilungsgerechtigkeit als Querschnittsthema gearbeitet.

* … Fortschritt bei der Einbeziehung der Zivilgesellschaft

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen sollen gemeinsam mit der kritischen Auswertung des Implementierungsberichtes als „Global Society Report on Enhancing G20 Efficiency for the poeple of the G20 and the Global Community“ den Staatschefs im September 2013 mit den entsprechenden Empfehlungen übergeben werden.

Hier gibt es also eine Möglichkeit für die internationale Zivilgesellschaft, ihre Perspektiven einfließen zu lassen. Sollte eine zu stark zensierte Textfassung den Weg zu den Staatsoberhäuptern finden, bleibt immer noch die Verbreitung der Kritik über das Internet – auch wenn die russische Civil-G20-Website dafür möglicherweise nicht dienen kann.

Dr. Heike Löschmann leitet das Referat Internationale Politik bei der Heinrich-Böll-Stiftung (Eloeschmann@boell.de). Die Stiftung gibt seit geraumer Zeit zur kritischen Begleitung des G20-Prozesses einen G20-Newsletter heraus.

Veröffentlicht: 17.12.2012

Empfohlene Zitierweise:
Heike Löschmann, G20-Präsidentschaft 2013: Gutes Timing, Herr Putin. Erstes Civil-20-Treffen in Moskau, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. Dezember 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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