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Globale Trends ausländischer Direktinvestitionen

Artikel-Nr.: DE20120728-Art.38-2012

Globale Trends ausländischer Direktinvestitionen

Erratischer Aufschwung mit Unsicherheiten

Vorab im Web - Trotz anhaltender negativer Effekte der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der aktuellen Schuldenkrise in Europa stiegen die weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) 2011 um 16% auf 1,5 Billionen Dollar. Damit lagen sie erstmals über dem Durchschnitt der Jahre vor der Krise (2005-2007), aber immer noch um 23% unter dem Rekordjahr 2007. Dies geht aus dem neuen Weltinvestitionsbericht hervor. Eine W&E-Zusammenfassung.

Die Autoren des von der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung herausgegebenen Reports rechnen jedoch damit, dass die wieder aufkommende wirtschaftliche Unsicherheit und die nachlassenden Wachstumsraten in den wichtigsten Schwellenländern auch die FDI-Entwicklung nicht unberührt lassen. Für das laufende Jahre 2012 sagen sie deshalb eine Verlangsamung der FDI-Flüsse voraus, die sich bei 1,6 Billionen Dollar einpendeln dürften, um dann 2013 und 2014 auf 1,8 bzw. 1,9 Billionen Dollar mäßig weiter zuzunehmen. Vorausgesetzt wird dabei allerdings, dass weitere weltwirtschaftliche Schocks ausbleiben.

Wie die jährliche UNCTAD-Umfrage unter den Chefs Transnationaler Konzerne (TNCs) zeigt, ist die Unsicherheit der Investoren nach wie vor hoch: Rund die Hälfte zeigt sich in Bezug auf den Stand des globalen Investitionsklimas im Jahre 2012 entweder neutral oder unentschlossen.

* Fast die Hälfte der FDI geht in Entwicklungsländer

Nach dem WIR 2012 entfiel 2011 nahezu die Hälfte (45%) der globalen FDI auf die Entwicklungsländer, wo die Zuflüsse mit 684 Mrd. Dollar ein neues Rekordniveau erreichten (das sind 11% mehr als im Vorjahr). Auf die Transitionsökonomien entfielen weitere 6%, was einem Wachstum von 25% entsprach.

Der Anstieg der Direktinvestitionen in die Entwicklungsregionen beruht auf einer starken Zunahme der Zuflüsse nach Asien und einem überdurchschnittlichen Wachstum in Lateinamerika und der Karibik sowie in den Transitionsökonomien. Im Gegensatz dazu gingen die Zuflüsse nach Afrika 2011 weiter zurück. Die ärmsten Länder erlebten erneut eine rezessive FDI-Entwicklung; die Zuflüsse in die LDCs gingen um 11% auf 15 Mrd. Dollar zurück.

Die FDI-Zuflüsse in Entwicklungs- und Transitionsländer insgesamt dürften weiter zunehmen und 2012 720 bzw. 100 Mrd. Dollar und bis 2014 760-930 bzw. 100-150 Mrd. Dollar erreichen.
Die FDI-Abflüsse aus den Industrieländern stiegen 2011 stark – um 25% - an und erreichten 1,24 Billionen Dollar. Alle drei Pole der Industrieländer, die Europäische Union, Nordamerika und Japan, haben zu diesem Wachstum beigetragen. Die FDI aus den USA kennzeichnete ein Rekord an reivestierten Gewinnen, da die TNCs vor allem auf ihre ausländischen Barmittel zurückgriffen. Das Wachstum der FDI-Abflüsse aus der Europäischen Union beruhte auf grenzüberschreitenden Firmenzusammenschlüssen und –aufkäufen (M&A). Der aufwertende Yen verbesserte die Kaufkraft der japanischen TNCs und hatte eine Verdoppelung der FDI-Abflüsse zur Folge (mit Netto-M&As in Nordamerika).

* Megadeals und hohe Barmittel

Weitere Haupttrends der globalen FDI-Entwicklung in 2011 waren:

* Neuinvestitionen, deren Wert in zwei aufeinander folgenden Jahren rückläufig war, stagnierten 2011 bei 904 Mrd. Dollar. Grenzüberschreitende M&As hingegen wuchsen um 53% auf 526 Mrd. Dollar, wobei die Zahl der Megadeals (mit einem Wert von über 3 Mrd. Dollar) von 44 auf 61 anstieg. Obwohl die Zunahme der globalen FDI-Flüsse 2011 zu einem Großteil aus grenzüberschreitenden M&As bestand, blieben die Neuinvestitionen („greenfield“) deutlich höher, wie schon seit der Finanzkrise.

* Direktinvestitionen im Rohstoff- und im Dienstleistungssektor zogen nach zwei Jahren des Rückgangs wieder an. Der Aufschwung der FDI im Dienstleistungssektor auf 570 Mrd. Dollar wurde von wachsenden Aktivitäten in Versorgungseinrichtungen (Elektrizität, Gas und Wasser) sowie bei Transport und Kommunikation getragen. FDI im Rohstoffsektor erreichten 200 Mrd. Dollar und wurden durch die hohen Rohstoffpreise und Konsolidierungsbemühungen angetrieben. Die sektorale Verteilung deutet darauf hin, dass der Anteil beider Sektoren auf Kosten der Verarbeitenden Industrie gewachsen ist.

* Die wirtschaftlichen Aktivitäten der ausländischen Niederlassungen nahmen 2011 bei allen Indikatoren, die die internationale Produktion messen, zu. In ausländischen Niederlassungen waren weltweit schätzungsweise 69 Millionen Beschäftigte tätig, die einen Umsatz von 28 Billionen Dollar erzielten und 7 Billionen Dollar an zusätzlicher Wertschöpfung erzeugten.

Die Rekord-Barmittel der TNCs, die auf 4-5 Billionen Dollar geschätzt werden, haben bislang zu keinem anhaltenden Wachstum des Investitionsniveaus geführt. Die verfügbaren Daten für die 100 größten TNCs zeigen, dass sie während der Finanzkrise Kapitalausgaben in produktive Anlagen und Aufkäufe (vor allem im Ausland) zugunsten der Anlage von Barmitteln kürzten. Die Barmittel allein dieser 100 Firmen belief sich 2011 auf 1 Billion Dollar, wovon schätzungsweise 105 Mrd. Dollar zusätzliche Mittel waren – d.h. zuzüglich zu den durchschnittlichen Reserven vor der Krise. Obwohl die neuesten Zahlen darauf hindeuten, dass die Kapitalausgaben dieser Firmen für produktive Anlagen und Aufkäufe wieder anziehen, werden die zusätzlichen Barmittel, die sie halten, immer noch nicht genutzt. Dieser aktuelle Barmittelüberhang könnte einen künftigen FDI-Aufschwung befeuern. Erfahrungen mit den 100 größten TNCs zufolge könnten hieraus rund 500 Mrd. Dollar, also rund ein Drittel der aktuellen globalen FDI-Flüsse, in neue FDI fließen.

* FDI-Indices

Der WIR 2012 präsentiert zwei FDI-Indices, zum wiederholten Male den FDI-Attraction-Index und zum ersten Mal den FDI-Contribution-Index. Während ersterer den Erfolg einer Ökonomie bei der Anlockung von Direktinvestitionen misst, fragt letzterer nach dem Entwicklungsbeitrag von FDI und ausländischen Unternehmensniederlassungen, gemessen an der Beschäftigung, Löhnen, Steuereinnahmen, Exporten, Forschung & Entwicklung und Kapitalbildung.

Rangfolge nach UNCTAD-FDI-Indices

FDI-Attraction-Index (2011)FDI-Contribution-Index (2009)
RangLand (Vorjahr)Land
1Hongkong, China (1) Ungarn
2Belgien (2)Belgien
3Singapur (4)Tschechien
4Luxemburg (3)Rumänien
5Irland (13)Hongkong, China
6Chile (6)Polen
7Kasachstan (5)Malaysia
8Mongolei (20)Estland
9Turkmenistan (9)Bolivien
10Libanon (10) / Kongo (11)Kolumbien

Das Ranking der Indices ist nicht immer nachzuvollziehen. Immerhin befinden sich inzwischen acht Entwicklungs- und Transitionsländer unter den ersten zehn beim FDI-Attraction-Index (s. Tabelle; gegenüber nur vier vor einem Jahrzehnt), was darauf hindeutet, in welchem Ausmaß diese den Zugang für ausländisches Kapital liberalisiert haben. Der FDI-Contribution-Index zeigt vor allem Transitionsländer wie Ungarn, Tschechien, Rumänien und Polen auf den vorderen Plätzen, die bei ihrer Entwicklung stark auf ausländisches Kapital setzen, aber auch erfolgreiche Schwellenländer wie Hongkong und Malaysia, die eine bewusste Steuerung ausländischer Direktinvestitionen verfolgen, und – etwas kurios – Bolivien und Kolumbien, deren Politik gegenüber dem Auslandskapital diametral entgegengesetzten Orientierungen folgt.

Hinweis:
* UNCTAD: World Investment Report 2012: Towards a New Generation of Investment Policies, 239 pp, United Nations (Sales No. E.12.II.D.3.): New York-Geneva 2012 (Bezug: über www.unctad.org)

Veröffentlicht: 28.7.2012

Empfohlene Zitierweise:
W&E-Zusammenfassung, Globale Trends ausländischer Direktinvestitionen. Erratischer Aufschwung mit Unsicherheiten, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 28. Juli 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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