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Nach dem Ende des Bananenkriegs EU-Lateinamerika

Artikel-Nr.: DE20121203-Art.61-2012

Nach dem Ende des Bananenkriegs EU-Lateinamerika

WTO konsolidiert Agrobusiness

Vorab im Web – „Ein wahrhaft historischer Moment“ – so hat WTO-Chef Pascal Lamy kürzlich das neue Bananenabkommen zwischen der EU und den elf lateinamerikanischen Produzentenländern (Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama, Venezuela; Peru kam später hinzu) bezeichnet. Diese Dramatisierung war natürlich übertrieben, denn der eigentliche Durchbruch fand bereits im Dezember 2009 statt, als die Beteiligten des „Bananenkriegs“ das Genfer Abkommen unterzeichneten. Von Pedro Morazán.

Die drei Jahre alte Einigung ist bis Mai dieses Jahres von allen 27 EU-Staaten ratifiziert worden. Die Einfuhrzölle auf lateinamerikanische Bananenimporte werden damit bis 2017 von 148 € (2009) je Tonne auf 114 € gesenkt. Wie allzu oft bei den Liberalisierungsoperationen der WTO gibt es auch hier Gewinner und Verlierer. Gewinner sind zweifelsohne, die US-Bananenkonzerne und die großen Supermarktketten und Discounter in Europa, die ihre Exportanteile stark erhöhen konnten – zu Lasten der Arbeits- und Umweltbedingungen auf den lateinamerikanischen Plantagen. Und so stehen auch die Verlierer bereits fest: die KleinproduzentInnen in der Karibik und die PlantagenarbeiterInnen in Lateinamerika.

* Von der EU-Bananenmarktordnung…

Die EU-Bananenmarktordnung, die 1993 durch die Bildung des Gemeinsamen Marktes eingeführt wurde, sorgte – durch ein recht kompliziertes System von Quoten und Tarifen – für eine konstante Verteilung der Importanteile der EU zwischen meistbegünstigten (MFN-)Ländern (in der Regel aus Lateinamerika) und den ehemaligen Kolonien aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik, genannt AKP-Länder. Die EU-Bananenmarktordnung war eine klare protektionistische Regelung zum Schutz der eigenen Produktion (Kanarischen Inseln und Kreta) und – insbesondere – zum Schutz der Bananenproduktion von Überseegebieten wie Saint Lucia, Saint Vincent, oder ehemalige Kolonien in Afrika wie Kamerun und Ghana.

Die EU hatte ihre Bananenmarktordnung allerdings im Januar 2006 durch die Einführung des einheitlichen Zollsatzregimes („tariff only“) bereits gelockert. Dadurch stiegen die Bananenimporte aus Lateinamerika kontinuierlich von zunächst 3 Mio. Tonnen im Jahr 2005 auf 3,4 Mio. Tonnen im Jahr 2006, 2007 auf 3,7 Mio. Tonnen und 2008 auf 3,9 Mio. Tonnen. Profitiert haben davon insbesondere Kolumbien, Ecuador und Costa Rica, die drei wichtigsten Bananenlieferanten für Deutschland.

Die Importe aus den AKP-Staaten entwickelten sich hingegen sehr unterschiedlich. Afrikanische Länder wie Kamerun, Ghana und die Elfenbeinküste konnten dank des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens mit der EU (EPA) ihre Exporte ausweiten. Dagegen mussten einige karibische Inselstaaten ihre Exporte einstellen, da sie nicht mehr in der Lage waren, mit den Billigbananen aus Lateinamerika zu konkurrieren.

Die 1993 eingeführte Gemeinsame Bananenmarktordnung der EU zementierte eine starke regionale Aufteilung des Bananenhandels. So wurden sämtliche Bananenexporte aus AKP-Staaten in die EU geleitet. Lateinamerikanische Bananenproduzenten hingegen exportieren weltweit: Europa, die USA, Russland, China und eben Südamerika gehören zu ihren besten Kunden. Die EU bleibt dabei – trotz der Handelshemmnisse – mit einem Anteil von 50% der wichtigste Importeur lateinamerikanischer Bananen.

* …zum WTO-Bananenabkommen

Das Genfer WTO-Bananenabkommen zwischen den lateinamerikanischen Produzenten und der EU trägt erneut dazu bei, Niedriglohnproduktion im Agrobusiness als wichtigste Grundlage für den freien Weltagrarhandel zu konsolidieren. Das Abkommen hat drei Bestandteile. Neben der bereits erwähnten stufenweisen Zollsenkung für Bananen findet durch die vollständige Importliberalisierung für alle anderen tropischen Früchte eine Erosion der Handelspräferenzen für AKP-Staaten statt. Dieser Teil des Abkommens wird für zahlreiche Kleinproduzenten, insbesondere in Afrika und der Karibik, den Ruin bedeuten, denn sie haben auch hier keine komparativen Kostenvorteile.

In einem dritten Teil des Abkommens verpflichtet sich die EU-Kommission zwar, die „begleitenden Kompensationsmaßnahmen für Bananen“ (BAM) zugunsten der karibischen ProduzentInnen für die nächsten zwei Jahre anzupassen. Dabei sollen ca. 190 Mio. US-Dollar zur Unterstützung der AKP-Staaten mobilisiert werden. Diese Maßnahmen haben sich allerdings in der Vergangenheit als wenig hilfreich erwiesen, da sie üblicherweise kaum den unmittelbaren Kleinproduzenten zugutekommen.

Das Abkommen sollte auch vor der Hintergrund der gesamten Handelsstrategie der EU in Lateinamerika bewertet werden. Bereits 2010 verpflichtete sich die EU im Rahmen von Assoziierungsabkommen mit Mittelamerika, Peru und Kolumbien zu einer Senkung der Zolltarife für Bananen bis zu 75 US-Dollar pro Tonne innerhalb der folgenden 10 Jahre. Verlierer und Gewinner dieser Übereinkunft standen also bereits 2009 fest. Laut einer Studie des International Center for Trade and Sustainable Development (ICSTD) gehen mehr als ein Drittel der Gewinne aus den EPA-Präferenzen für AKP-Staaten verloren. Die Importe aus Lateinamerika sind bereits um mehr als 10% gewachsen. Es wird zudem befürchtet, dass auf Grund der Attraktivität des EU Marktes neue Akteure auf dem Markt aktiv werden: Brasilien (der größte Bananenproduzent) hat bereits den Wunsch signalisiert, Bananen zu exportieren.

* Verheerende Auswirkungen auf den Karibik-Inseln

Die Auswirkungen auf die Produktion auf den karibischen Inseln sind verheerend: Aufgrund der klimatischen Bedingungen und höherer Lohnkosten sind die Kleinproduzenten häufig nicht in der Lage, mit den lateinamerikanischen Großplantagen zu konkurrieren. Durch die Stilllegung der Bananenproduktion sind viele karibische Kleinproduzenten heute von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen.

Von der neuen Vereinbarung profitieren – dank ihrer Vormachtstellung in der globalen Wertschöpfungskette für Bananen – vor allem die Bananenkonzerne, Importfirmen und Supermarktketten in den Importländern. Auf dem Weltmarkt kontrollieren wenige Großfirmen wie Chiquita, Dole oder Del Monte mehr als die Hälfte des internationalen Bananenhandels und üben so massiven Druck auf unabhängige ProduzentInnen und LandarbeiterInnen sowie Regierungen in den Erzeugerländern aus.

Die negativen Auswirkungen der erneuten Liberalisierung auf dem internationalen Markt für tropische Früchte können nur durch die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards vermieden werden. Dazu ist die Einführung eines verbindlichen Verhaltenskodex notwendig, der europäische Importeure und Supermarktketten dazu verpflichtet, auf die Einhaltung von Sozial- und Umweltvorgaben bei ihren Lieferanten zu achten.

Eine Aufwertung der Wertschöpfungskette zugunsten der PlantagenarbeiterInnen kann nur durch die Einführung eines existenzsichernden Lohnes („living wage“) erreicht werden. Dazu sind allerdings Veränderungen in der Governance der Wertschöpfungskette auf allen Ebenen nötig. Die Zahlung von existenzsichernden Löhnen sowie die Umsetzung weiterer sozialer Standards sollte gesetzlich verankert werden. Dafür benötigen Regierungen in Produzentenländern die Unterstützung der Politik der Importländer, damit sie nicht durch soziale Verbesserungen in den Produktionsbedingungen ihre Konkurrenzfähigkeit einbüßen.

* Spielräume zur Einführung von Sozialstandards

Durch das Assoziierungsabkommen, das zwischen Mittelamerika und der EU geschlossen wurde, ergeben sich Spielräume für die deutsche und europäische Politik, soziale Standards einzuführen. Eine Verbindung von Handel und Menschenrechten wurde sowohl im Lissabon-Vertrag als auch im Kohärenzgebot für die Entwicklungspolitik (CPD) des Europäischen Rates bereits verankert.

Sowohl die EU als auch die Bundesregierung können Verbesserungen des Arbeitsrechtes in den Produzentenländern fördern und unterstützen. Dafür sollten Unternehmen allerdings dazu verpflichtet werden, ihre Praktiken mit den international anerkannten Umwelt- und Arbeitsnormen in Einklang zu bringen.
Die EU kann als größter Bananenimporteur weltweit eine positive Rolle bei einer sozialen Aufwertung der Wertschöpfungskette spielen. Wettbewerbsbehörden sollten die schädliche horizontale Machtkonzentration von Supermarktketten und die vertikale Konzentration von multinationalen Bananenkonzernen stärker regulieren. Bestehende Normen und international vereinbarte Leitprinzipien zur Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten auf den Plantagen könnten in Form einer Sorgfaltspflicht („due diligence“) für Importeure und Supermarktketten eingeführt werden.

Die EU sollte eine komplette Neugestaltung des Wettbewerbsrechtes initiieren, wie sie von mehreren Nichtregierungsorganisationen aus verschiedenen Mitgliedstaten der EU gefordert wird. Dies ist der einzig effektive Weg, um den negativen Folgen des deregulierten Wachstums der Supermarktmacht zu begegnen. Der Verhaltenskodex, der z.Zt. entwickelt wird, soll sich demnach
* auch auf Nicht-EU/überseeische und indirekte Zulieferer beziehen, so dass auch diese ihre Beschwerden gegenüber den Behörden äußern können,
* genau umgesetzt werden und
* unabhängig durch einen Ombudsmann oder eine entsprechende Institution überprüft werden.

Deutschland ist das wichtigste europäische Importland für lateinamerikanische Bananen. Daher sollten hier Konsumenten, Einzelhandel und Politik besondere Verantwortung für die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten auch auf den Plantagen von Costa Rica und Kolumbien übernehmen.

Dr. Pedro Morazán ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Südwind-Instituts für Ökonomie und Ökumene. Jüngste Veröffentlichungen zum Thema:
* Das krumme Ding mit der Banane. Soziale Auswirkungen des weltweiten Bananenhandels. Die Macht von Supermarktketten in Deutschland, Südwind und Misereor: Siegburg-Aachen 2012. Bezug: über www.suedwind-institut.de
* A Snapshot of the Banana Trade: Who gets what?, DEVE, Policy Department, European Parliament, Ad Hoc Briefing, Brussels 2010. Bezug: über www.suedwind.institut.de

Veröffentlicht: 3.12.2012

Empfohlene Zitierweise:
Pedro Morazán, Nach dem Ende des Bananenkriegs EU-Lateinamerika, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 3. Dezember 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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