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Wasser zwischen Menschenrecht und Profit

Artikel-Nr.: DE20120401-Art.17-2012

Wasser zwischen Menschenrecht und Profit

Rückschau auf die Weltwasserforen in Marseille

Vorab im Web – Vom 13.-17. März 2012 fand in Marseille das 6. Weltwasserforum statt, eine internationale Konferenz mit starker Beteiligung von internationalen Konzernen. Thematisiert wurden u.a. die Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser und die Green Economy. Gleichzeitig fand als kritisches Pendant zum offiziellen das alternative Weltwasserforum statt. Eine Rückschau auf beide Foren von Laura Valentukeviciute.

Anfang März hingen in Marseille etwas verwirrende Plakate, auf denen stand: „Zeit für Probleme“. KritikerInnen des Weltwasserforums hatten dessen offizielles Motto „Zeit für Lösungen“ entfremdet und versuchten so, seine Schattenseiten in die Öffentlichkeit zu tragen. Das Weltwasserforum, organisiert vom Weltwasserrat, ist in der Tat nicht unumstritten.

* Prominente Rolle der Wasserkonzerne

1996 wurde der Weltwasserrat unter Beteiligung von Wasserkonzernen wie Veolia und Suez gegründet, um nach eigener Auffassung die Wasserprobleme der Welt zu lösen. Er wird zurzeit von Loïc Fauchon geleitet, dem Chef der Groupe des Eaux Marseille, die zu Veolia und Suez gehört. Dem Weltwasserrat gehören inzwischen über 300 Mitglieder aus 60 Ländern an, die von Unternehmen, Regierungen, UN- und Entwicklungsorganisationen, NGOs, Finanzeinrichtungen, Wissenschafts- und Verbraucherverbänden kommen. Das Weltwasserforum ist das wichtigste Projekt des Weltwasserrates und findet alle drei Jahre statt: in Marrakesch 1997, Den Haag 2000, Kyoto 2003, Mexiko City 2006, Istanbul 2009, und nun in Marseille.

Gegen die enge Verknüpfung von Weltwasserrat, Weltwasserforum und Konzernen formierte sich seit dem 2. Weltsozialforum 2002 in Porto Alegre Widerstand. Dort wurde von vielen Organisationen, Gewerkschaften und BürgerInneninitiativen eine „Erklärung zum Wasser“ unterzeichnet. Diese forderte die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser und ein Verbot, Wasser als Ware zu behandeln und zu privatisieren. Ein Jahr danach fanden in Kyoto erste Proteste und zeitgleich in Florenz das erste alternative Weltwasserforum statt. In Mexico City und Istanbul gab es große Demonstrationen mit ziemlich brutalen Zusammenstößen zwischen Polizei und AktivistInnen. Der große Erfolg für die globale Wasserbewegung folgte vor zwei Jahren: Am 28. Juni 2010 erklärten die Vereinten Nationen Wasser zum universellen Menschenrecht (Res. 64/292).

So stand das diesjährige offizielle Weltwasserforum in Marseille ganz im Zeichen des UN-Beschlusses. Wieder versammelten sich dort neben den Wasserfirmen auch viele WasserexpertInnen, Regierungen und UN-Organisationen. Nach eigenen Angaben kamen dieses Jahr 140 Regierungsdelegationen und 35.000 TeilnehmerInnen – allerdings bei täglicher Neuzählung.

Doch trotz der starken Regierungsbeteiligung glich das Forum oft eher einer Verkaufsmesse. Konzerne aus der ganzen Welt lockten mit riesigen Ständen und Hochglanzbroschüren die BesucherInnen. Die Nachricht, die sie alle dabei vermitteln wollen, ist seit Jahren die gleiche: Es gibt Probleme mit dem Wasser und die Staaten können sie ohne die Privaten nicht lösen.

* Noch mehr Privatisierung…

In der offiziellen Ministererklärung, die am ersten Tag des Forums verkündet wurde, bekennen sich die Regierungen zur Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele und des Menschenrechts auf Wasser. In der Erklärung reihen sich die Selbstverpflichtungen zur besseren Beachtung der Rechte von Armen, Indigenen, Kleinbauern und Frauen beim universalen und bezahlbaren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung. Auch viele andere Probleme mit Wasser wie in Städten, auf dem Land, und mit Gesundheit, Klimawandel, Naturkatastrophen, Energie oder Biodiversität finden Beachtung.
Zur Lösung der Wasserprobleme wird in der Erklärung oft auf die Einbindung aller Betroffenen („stakeholder“) Bezug genommen, auch die Bedeutung der lokalen Gemeinschaften wird betont.

Spätestens bei der Finanzierung wird dann aber auch eine große Offenheit für Privatisierung deutlich. Wörtlich ist die Rede von der „Notwendigkeit von nachhaltiger und effizienter Kostendeckung und von armutsorientierten (“pro-poor”) und innovativen Finanzierungsmechanismen wie einer angemessenen Bezahlung für Umweltsystem-Dienstleistungen und privaten Investitionen, im Geiste von Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit.“ (Übersetzung: L.V.) Oder es sollen die “öffentlichen und privaten Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft und den Wirtschaftspartnern” ausgebaut werden. Das bedeutet auch eine Übernahme der Praktiken von Privatunternehmen in die öffentliche Daseinsvorsorge, samt ihrer Effizienzvorstellung und Gewinnorientierung.

Die Erklärung nimmt außerdem stark Bezug auf die Green Economy, die auch sonst viel Raum im Forum einnahm. Für die Konzerne bedeutet Green Economy vor allem den Einsatz teuerer Techniken bei Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energieerzeugung durch große Staudammprojekte, Wassertechnologien in der Agrarindustrie und ähnliches. Alles Projekte, die oberflächlich betrachtet zu einer Win-win-Situation für alle führen. Dass Umwelt und Menschen dabei von den Konzernen nur als eine Ressource für mehr Wachstum und Gewinn eingespannt werden, muss hinter der Fassade des schön modern klingenden Begriffes erst erkannt werden.

* … oder Rekommunalisierung?

Das diesjährige alternative Weltwasserforum (FAME: Forum alternativ mondial de l’eau) fand fast gleichzeitig mit dem offiziellen Forum vom 14.-17. März in Marseille statt. 5.000 Teilnehmer aus über 50 Ländern kamen zusammen, um über ihre Lösungen der diversen Wasserprobleme und Schritte zur Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser zu sprechen.

Im Zentrum der Diskussionen standen Möglichkeiten einer lokalen, ökologisch und ökonomisch sinnvollen Wasserversorgung und Ideen eines gemeinwohlorientierten Wassermanagements in öffentlicher Hand. Lösungen, die weniger kostspielig sind und daher einen geringeren Finanzbedarf haben, spielten eine wichtige Rolle. Die Bandbreite reichte von technischen Verbesserungen wie Trockentoiletten, die auch beim alternativen Forum selbst eingesetzt wurden, bis hin zur sozialen und politischen Dimension des Themas Wasser.

Stark diskutiert wurden die zahlreichen Rekommunalisierungen in der ganzen Welt in den letzten Jahren und öffentlich-öffentliche Partnerschaften. Für die zahlreich anwesenden lateinamerikanischen AktivistInnen war ein wichtiges Thema die Wirkung von Minen und neuartiger Öl- und Gasförderung („Fracking“) auf Wasser. Auch Großstaudämme sorgen weiterhin für viel Kritik.

Auf beiden Foren wurde die Europäische Bürgerinitiative „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht“ angekündigt. Sie fordert eine garantierte Wasserver- und Abwasserentsorgung in der EU, das Verbot der Liberalisierung des Wassermarktes und den globalen Einsatz der EU für den Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung. Am 1. April 2012 reichte der Europäische Gewerkschaftsbund diese Initiative bei der EU ein, Start der Unterschriftensammlung soll Ende April sein.

Eine der wichtigsten Forderungen der WasseraktivistInnen dieses Jahr war, das nächste Weltwasserforum unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einzuberufen. Das Anliegen wurde auch von der UN-Sonderberichterstatterin Catarina de Albuquerque unterstützt. Doch dies fand kein Gehör beim offiziellen Weltwasserforum, das ankündigte, das 7. Weltwasserforum 2015 in Daegu (Südkorea) auszurichten.

Auch in einem anderen Punkt zeigten sich die Regierungen wenig lernfähig. Zum Schluss der Ministerialerklärung verpflichteten sie sich zwar, die Anliegen der Erklärung auch bei Rio+20 einzubringen. Doch die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser ist ein Punkt, den einige Länder wie Kanada, Israel und die USA aus den Rio+20-Beschlüssen streichen wollen.

Laura Valentukeviciute arbeitet bei Gemeingut in BürgerInnenhand und sitzt im Koordinierungskreis von attac.

Veröffentlicht: 29.3.2012

Empfohlene Zitierweise: Laura Valentukeviciute, Wasser zwischen Menschrecht und Profit. Ruckschau auf die Wasserforen von Marseille, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 2. April 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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