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Zeit für eine neue Entwicklungsagenda

Artikel-Nr.: DE20120807-Art.39-2012

Zeit für eine neue Entwicklungsagenda

Die Sicht des Südens

Nur im Web - Die Vereinten Nationen bereiten eine Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015 vor, die die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) ersetzen soll. Die Inhalte, die geplanten Ereignisse und die erwarteten praktischen Effekte dieser Agenda sind noch verschwommen. Doch die Erwartungen, der Prozess könnte die Welt zur Bekräftigung der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Süden veranlassen, steigen schon heute, schreibt Martin Khor.

Darüber hinaus ist es wichtig, die führende Rolle der Vereinten Nationen im Kampf für Entwicklung durch neue Ideen und konkrete Programme in den Entwicklungsländern neu zu definieren und zu stärken. Eine umfassende UN-Entwicklungsagenda ist heute umso notwendiger, als die Entwicklungsländer mit ernsten Effekten und großen Unsicherheiten konfrontiert sind, die aus der sich schnell verschlechternden wirtschaftlichen Lage in den Industrieländern rühren (Die Weltwirtschaft im Sommerloch). Es ist gut möglich, dass der Agendaprozess zu einem UN-Entwicklungsgipfel im Jahre 2014 oder 2015 führt.

* UN-Entwicklungsgipfel 2013/14?

Die Idee einer neuen UN-Entwicklungsagenda wurde durch das schnelle Näherkommen des Ablaufdatums der MDGs vorangetrieben, die Ziele für Armutsminderung, Bildung, Geschlechtergleichheit, Kinder- und Müttersterblichkeit, gegen HIV/AIDS und für eine „Globale Entwicklungspartnerschaft“ gesetzt hatte, die 2015 erreicht werden sollten.

2010 fand ein MDG-Gipfel im Hauptquartier der Vereinten Nationen statt, der Generalsekretär Ban Ki-moon darum bat, Empfehlungen zur UN-Entwicklungsagenda nach 2015 auszusprechen. Er bat darüber hinaus die Generalversammlung, im Rahmen ihrer 68. Sitzung im Herbst 2013 ein „special event“ abzuhalten, auf dem Follow-up-Aktionen zur Erreichung der MDGs besprochen werden sollen. Eine der Erwartungen besteht darin, dass auf diesem „special event“ grünes Licht für die Abhaltung eines Entwicklungsgipfels der Generalversammlung 2014 oder 2015 gegeben wird, mit Terms of References für die Debatte und die Ziele des Gipfels.

* Berichte, Workshops, Panel

Unterdessen treibt das UN-Sekretariat die Entwicklungsagenda bereits voran – im Wesentlichen über drei Ebenen:

Erstens veröffentlichte ein UN-Team aus 50 UN-Abteilungen und Agenturen Ende Juni einen Bericht darüber, wie eine neue Entwicklungsagenda aus der Sicht des UN-Systems aussehen könnte („Realizing the Future We Want for All“). Der Report (s. Hinweis) schlägt drei grundlegende Prinzipien vor (Menschenrechte, Gleichheit und Nachhaltigkeit) und vier Kerndimensionen (inklusive wirtschaftliche Entwicklung, ökologische Nachhaltigkeit, inklusive soziale Entwicklung sowie Frieden und Sicherheit). Er identifiziert ebenso vier „Instrumente“ oder Schlüsselfaktoren, die den Fortschritt in den vier Dimensionen voranbringen sollen.

Zweitens planen die UN-Organisationen acht globale Workshops zu acht Hauptthemen. Diese werden ergänzt durch Konsultationen des UN-Entwicklungsprogramms in 50 Ländern zu der Frage, welche Inhalte eine UN-Entwicklungsagenda nach Auffassung der Regierungen und der Zivilgesellschaften haben soll.

Drittens hat Ban Ki-moon ein hochrangiges Panel berufen, das ihn in Bezug auf die Entwicklungsagenda beraten soll. Am 31. Juli gab er bekannt, dass dem Panel drei führende Politiker vorsitzen sollen, der britische Premierminister David Cameron, der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono und die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf. Zu den anderen 23 Panel-Mitgliedern gehören Minister, andere herausragende Persönlichkeiten und Experten aus Benin, Brasilien, China, Kolumbien, Frankreich, Japan, Jordanien, Kenia, Indien, Lettland, Mexiko, den Niederlanden, Nigeria, Russland, Südafrika, Südkorea, Schweden, Osttimor, der Türkei, den Vereinigten Staaten und Jemen.

Das Panel wurde von Ban gebeten, bis zur ersten Hälfte des Jahres 2013 eine „überzeugende, aber praktikable Entwicklungsvision“ zu entwerfen. Diese soll als Input eines Berichts dienen, den der Generalsekretär für die Regierungen bis zum Special Event der Generalversammlung im September 2013 vorbereiten wird.

* Offene Fragen

Die Entwicklungsagenda wird den UN-Prozess in den nächsten Jahren hauptsächlich prägen. Das ist positiv, doch wird man verschiedene Fragen bald angehen müssen:

* Eine Frage betrifft die Verbindung zwischen dem Agendaprozess und dem Rio+20-Follow-up, was die Entwicklung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) betrifft. Werden die MDGs die Nachfolger der MDGs? In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?

* Wird die Entwicklungsagenda zweitens eng definiert werden als bloßes Set neuer Ziele wie die MDGs, oder werden sie in einen umfassenderen Rahmen mit Prinzipien, analytischer Struktur und Aktionsplan, einschließlich Umsetzungsmitteln, eingeordnet sein.

Wann werden drittens die Regierungen (die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen) in die Gestaltung der Entwicklungsagenda, ihre Aktionspläne und Ziele einbezogen? Und über welchen Prozess?

Während das UN-Sekretariat und viele UN-Agenturen ihre eigenen Vorbereitungen für die Entwicklungsagenda bereits begonnen haben, sollen die Regierungen erst ab September 2013 einbezogen werden. Das ist sehr spät in einem Prozess, vor allem wenn die Länder die Entwicklungsagenda zu ihrer eigenen machen und vorantreiben sollen.

Schließlich ist es wichtig, dass die Entwicklungsagenda den richtigen Inhalt bekommt. Sie muss im Kern die über uns schwebende globale Krise angehen, um relevant zu sein, und zugleich die sozialen und ökologischen Krisen. Sie sollte die strukturellen Faktoren in den Blick nehmen, die die Ursachen der Krise sind, und nicht nur neue Ziele aufstellen, wie dies bei den MDGs der Fall war.

Hinweis:
* UN System Task Team on the Post-2015 UN Development Agenda: Realizing the Future We Want for All, Report to the Secretary-General, 58 pp, United Nations: New York, June 2012. Bezug: über http://www.un.org/millenniumgoals/pdf/Post_2015_UNTTreport.pdf

Veröffentlicht: 7.8.2012

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Zeit für eine neue Entwicklungsagenda. Die Sicht des Südens, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 7. August 2012 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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