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Abhörskandal(e): Die globale Ausspähung

Artikel-Nr.: DE20131105-Art.38-2013

Abhörskandal(e): Die globale Ausspähung

Aus der Sicht des Südens

Nur im Web – Abhörskandale wie der jüngste Spionageangriff der USA auf die deutsche Bundeskanzlerin sind keine exklusiv-transatlantische Angelegenheit. Die Ausspähung ist global. In der letzten Woche mussten die Asiaten lernen, dass auch ihre Region Objekt der ausländischen Spionage ist. Das ist keine Überraschung, meint Martin Khor.

Wenn die amerikanischen Geheimdienste Amerikaner, Lateinamerikaner und Europäer (einschließlich ihrer Spitzenpolitiker wie Angela Merkel) ausspionieren, dann kann es als ausgemacht gelten, dass Asien dabei nicht ausgespart wird. Zwar gibt es noch keine Enthüllung, dass Handys und E-Mails asiatischer Premierminister und Präsidenten angezapft wurden. Doch ist es ebenfalls naheliegend davon auszugehen, dass diese Dinge auch hier passieren. Seien wir also darauf vorbereitet, in den kommenden Wochen zu lesen, wie berühmte asiatische Spitzenpolitiker, Oppositionsführer, Journalisten und Prominente zur Zielscheibe der Schnüffelei werden. Immerhin hat die Nachricht, dass amerikanische und australische Botschaften zur Ausspähung asiatischer Länder genutzt werden, in unserer Region zu Recht Empörung ausgelöst.

Die USA-Australien-Connection

Die Überwachung durch die Australier geschieht Berichten zufolge in Kooperation mit den Vereinigten Staaten. Nach Berichten im „Spiegel“ und im „Sydney Morning Herald“ ist Malaysia ein Land, wo der australische Geheimdienst operiert. Dieser operiert von der Hochkommission Australiens in Kuala Lumpur aus. Andere australische Botschaften in Asien, die in die Sammlung geheimdienstlicher Informationen involviert sind, liegen in China, Thailand, Indonesien, Vietnam, Ost-Timor und Papua-Neuguinea.

Die Berichte enthüllen ebenfalls, dass auch die US-Botschaften Überwachungsaktivitäten in vielen asiatischen Ländern ausführen, einschließlich in Malaysia, Indonesien, China, Thailand, Kambodscha und Myanmar. Malaysia hat seinen Protest am 1. November in offiziellen Noten an den Hochkommissar Australiens und den Stellvertretenden Missionschef der USA zu Protokoll gegeben, die offiziell ins Außenministerium bestellt wurden. Die Noten warnten, dass die Überwachung enger Freunde zu eine ernsten Beschädigung der Beziehungen führen könnte.

Indonesien hat die USA und Australien gewarnt, dass die Aufrechterhaltung ihrer Überwachungseinrichtungen innerhalb ihrer Botschaften das jahrelang aufgebaute Vertrauen zwischen den Ländern bedroht.

Auch China hat auf den Bericht reagiert, dass die US-Botschaft in Peking und die US-Konsulate in Shanghai und Chengdu als spezielle Spionageeinrichtungen operieren. Das Außenministerium verlangte eine Erklärung von den Vereinigten Staaten und betonte, dass „ausländische Einrichtungen sich in keiner Form an Aktivitäten beteiligen dürfen, die unvereinbar mit ihrem Status und schädlich für die nationale Sicherheit und die Interessen Chinas sind“.

● Ein Fall für die Vereinten Nationen

Ebenfalls am 1. November haben Brasilien und Deutschland einen Resolutionsentwurf in einen Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingebracht, der ein Ende der exzessiven Überwachung fordert.

Die Presseberichte über die Ausspähung asiatischer Länder stützen sich auf Informationen, die von Edward Snowden, einem früheren Mitarbeiten der Nationalen Sicherheitsagentur (NSA) der USA, herausgegeben wurden. Schon davor hatten Zeitungen und Magazine enthüllt, dass die persönlichen Telefone der deutschen Kanzlerin und der brasilianischen Präsidentin abgehört werden. Beide haben ihren Protest direkt gegenüber US-Präsident Barack Obama zu Gehör gebracht.

In der letzten Woche gab es darüber hinaus Enthüllungen der Washington Post, das US- und britische Geheimdienste Wege gefunden hätten, die Daten von Google und Yahoo abzufangen, wenn sie zwischen ihren Datenzentren hin und her geschickt werden. „Wir sind empört darüber, wie weit die Regierung gegangen zu sein scheint“, sagte Googles Chefjurist.

Die Internet-Giganten mussten feststellen, dass ihr Verschlüsselungssystem, das E-Mails und andere Informationen, die durch ihre Datenzentren fließen, schützen soll, alles andere als sicher ist. Jetzt haben die Technologiekonzerne die Sorge, dass ihre Millionen Kunden ihnen nicht mehr zutrauen, ihre Privatsphäre zu schützen. Was wird das für die Nutzung von Browsern, E-Mails, Facebook und anderer Facetten der Internet-Technologie bedeuten?

● Imageschaden für die US-Internet-Industrie

US-Konzerne und Einrichtungen dominieren derzeit das globale Internet-Geschäft. Ein großer Teil des weltweiten Datenflusses läuft über Internet-Konzerne, die in den Vereinigten Staaten ihren Sitz haben. Die US-Administration hat sich stets als ehrenwerter Gastgeber von Internetzentren präsentiert, die die Rechte und die Privatsphäre der Internet- und E-Mail-Nutzer der Welt respektieren würde – als Champion der Internet-Freiheit!

Dieses Image wurde durch die Serie von Enthüllungen auf der Basis von Snowdens geleakten Unterlagen beschädigt und durch ein gegenteiliges Image ersetzt – das einer Regierung, die Hochtechnologie benutzt hat, um Milliarden Bits von Daten praktisch aller Internet-Nutzer zu sammeln. Wenn der Kampf gegen den Terrorismus bislang als offizieller Grund genannt wurde, dann erscheint er jetzt lediglich als Vorwand zur Ausspähung wichtiger Persönlichkeiten aller Art, darunter der engsten Verbündeten.

● Begrenzung der US-Internet-Konzerne?

Jetzt, wo sie das Vertrauen verloren haben, dass die Vereinigten Staaten und andere Länder die Privatsphäre von Politikern, Konzernen und Bürgern ihrer Länder respektieren würde, planen einige Regierungen, die Reichweite der US-basierten Internet-Gesellschaft zu begrenzen. Die „Financial Times“ berichtete, dass Brasilien Regelungen plant, die Technologieunternehmen vorschreiben würden, Internet-Informationen über seine Bürger und Institutionen innerhalb Brasiliens zurückzuhalten. Auch wird berichtet, dass die Europäer die Notwendigkeit größerer Speicherkapazitäten in Europa diskutieren, um die Privatsphäre ihrer Bürger zu schützen. Brasilien plant darüber hinaus, inverschiedenen UN-Einrichtungen und -Foren Anträge für die Errichtung eines globalen Rahmens zur Achtung der Privatsphäre im Internet einzubringen.

Martin Khor ist Direktor des Genfer South Centres. Er schreibt regelmäßig in dieser Rubrik „Aus der Sicht des Südens“.

Veröffentlicht: 5.11.2013

Empfohlene Zitierweise:
Martin Khor, Abhörskandal(e): Die globale Ausspähung, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 5. November 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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