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Die Marktmacht von Agribusiness und Foodindustrie

Artikel-Nr.: DE20130316-Art.13-2013

Die Marktmacht von Agribusiness und Foodindustrie

Eine Replik auf Roger Peltzer

Vorab im Web – Roger Peltzer empfiehlt allen Beteiligten, sich den ‚Business Case Hungerbekämpfung‘ sehr genau anzusehen (Hungerbekämpfung: Ein Fall für das Agrobusiness?). Gut so! Eine offene Debatte, die Chancen und Risiken von Investitionen des Agribusiness thematisiert, ist dringend notwendig. Schade nur, dass Peltzer, der die „Qualität der Analyse eines Teils der deutschen NGO-Szene“ polemisch mit den „Zitierpraktiken in den Doktorarbeiten deutscher Politiker“ vergleicht, es mit dem Zitieren selber nicht so genau nimmt, entgegnet Benjamin Luig.

Meine Studie „Business Case Hungerbekämpfung“ (s. Hinweis) thematisiert und bewertet inklusive Geschäftsmodelle im Agrarbereich vor dem Hintergrund von Marktmacht. Marktmacht drückt sich dabei sowohl in der Fähigkeit von Unternehmen aus, Preise und Mengen signifikant zu beeinflussen, als auch darin, auf verschiedene Weise Kontrolle auf die Produktions- und Verarbeitungsweise entlang der Wertschöpfungskette auszuüben. Von dieser Grundtatsache der Marktmacht wird in Diskussionen zu inklusiven Geschäftsmodellen leider häufig abstrahiert, so auch in der vorliegenden Kritik der Studie.

* Ungenaue Zitate

Peltzer kritisiert die Darstellung der Rohstoffhandelskonzerne mit dem Argument, dass ihre Profitmargen im Schnitt bei lediglich 1-3% lägen. Letzteres ist richtig, auch in der Studie ist von „verhältnismäßig geringen Profitmargen“ die Rede, die nur durch Expansion und Diversifizierung aufrechterhalten werden können (S. 6). Dass ein Konzern wie Cargill geringe Margen pro Stück erzielt, heißt jedoch nicht, dass er in jedem seiner Handelsbereiche reiner Preisnehmer wäre. Natürlich drückt Cargill die Preise in Verträgen mit Bauern und beim Sourcing von Getreidespeichern, und natürlich beeinflusst es Preise signifikant, wenn die gehandelten Produkte in den vertikal integrierten Ketten Cargills zu einem internen Betriebskostenfaktor werden, statt auf freien Märkten gehandelt zu werden. Rekordprofite von jährlich 4 Mrd. US-Dollar in Zeiten hoher Preisvolatilität (2008, 2011) sind, anders als Peltzer meint, durchaus aussagekräftig. Sie zeugen von einem enormen Informationsvorsprung, der direkt aus der Marktmacht resultiert.

Dass Agribusiness, Nahrungsmittelkonzerne und Supermarktketten nur selten in die Produktion investieren, wie Peltzer hervorhebt, stimmt. So steht es jedoch auch in der Studie. Dass Inputanbieter selber in die Agrarproduktion investieren würden, wird an keiner Stelle behauptet. Im Gegenteil, ihr Geschäftsmodell wird einzig unter dem Aspekt des direkten Verkaufs von Inputpaketen (S. 17-19) thematisiert. Das Geschäftsmodell der Nahrungsmittelverarbeiter wird explizit als „Verschlankung der Konzerne und Konzentration auf profitable Marken bzw. Segmente“ beschrieben. Schließlich wird auch an keiner Stelle behauptet, Supermarktketten würden ihre Obst und Gemüsesortimente selber anbauen. Die Marktmacht der Retailer wird ausgehend von ihrer „Türsteher-Position“ (S. 15) thematisiert.

* Streitfall AGRA

Ungenau bezieht sich Peltzer auf die Studie auch dort, wo er die Darstellung AGRAs kritisiert. Er hebt hervor, dass AGRA nicht in der Elfenbeinküste tätig sei und die Beratung der Regierung in Mosambik sich auf Cassava-Verarbeitung konzentriere. Davon abgesehen, dass AGRA in Mosambik auch ein Sojaprojekt zwischen Gates und Cargill im Bereich „policy development“ berät, behauptet die Studie nicht, dass AGRA unmittelbar in diesen Ländern tätig sei. Eingegangen wird auf die Rolle AGRAs in der G8-Initiative „New Alliance for Food Security and Nutrition“ einerseits und auf die Selbstverpflichtungen der Regierungen der Elfenbeinküste, Äthiopiens und Mosambiks im Rahmen der ‚Cooperation Frameworks‘ der G8-Allianz andererseits.

Ich gebe Peltzer darin recht, dass dieser Zusammenhang in der Studie sehr allgemein formuliert wurde. Daher nun konkreter: Bei AGRA wird mit der ‚Scaling Seeds and Other Technologies Partnership‘ ein zentraler Baustein der G8-Allianz angesiedelt. Diese orientiert sich in ihrem Ansatz direkt an dem AGRA ‚Program for Africas Seed System‘ (PASS). AGRA gab zwischen 2009 und 2012 15 Mio. US-Dollar allein für seinen „Policy Hub“ aus, der afrikanischen Regierungen im Wesentlichen die Reformschritte nahelegt, die sich nun in den G8 Länderstrategien wiederfinden (Minot et al. 2007). Gemeinsam mit Yara lädt AGRA afrikanische Regierungen jährlich zum ‚Green Revolution Forum‘ ein. Zugleich gibt es neben den in der Studie genannten personellen Verflechtungen zwischen Gates, AGRA und dem Agribusiness auch eine institutionelle. Gates ist zugleich zweitgrößter CGIAR-Financier und hält Anteile von Monsanto im Wert von ca. 23 Mio. US-Dollar. Aus meiner Sicht rechtfertigt all dies die Bezeichnung von AGRA als „Intermediär zwischen Privatwirtschaft und Politik“ (S.12).

* Schiefe Vergleiche

Die Studie geht kritisch auf den Standard ‚GLOBALGAP‘ ein. Peltzer meint, wer einen solchen Standard kritisiere, könne ebenso gut die Abschaffung der Gewerbeaufsicht in Deutschland fordern, da diese kleine Restaurants und Imbissbuden gefährden würde. Hier gibt es nun einen entscheidenden Unterschied: Es handelt sich in der Studie um privat designte Hygienestandards durch die Supermärkte in ihrer Beschaffungspolitik über gesetzliche Standards hinausgehen. Zugleich aber gibt es für den Prozess der Festlegung dieser Standards selbst keinen rechtlichen Rahmen (dies ist zu unterscheiden von der inhaltlichen Grundlage, u.a. dem Codex Alimentarius). Die Standards entwickeln die Retailer, die Kosten tragen Produzenten und Zulieferer. Ein weiterer Blick in die Studie genügt übrigens, um festzustellen, dass gar nicht, wie von Peltzer unterstellt, die Abschaffung dieser Standards gefordert wird, sondern gewissermaßen eine „Demokratisierung“, nämlich die Beteiligung aller Akteure der Kette beim Design der Standards (wobei ‚FoodPlus‘ bzw. ‚GLOBALGAP‘ hier übrigens etwas weiter ist als andere, was ein Verdienst der GIZ ist), eine Kompensation für die hohen Compliance-Kosten für Produzenten sowie die Ermöglichung von Planungssicherheit (S. 14).

Hier wären wir nun auch bei der Kritik des DEG-Abteilungsleiters am Fairen Handel. Es besteht kein Zweifel daran, dass die anspruchsvollen Ziele der Fairhandelsstandards in der Praxis in einzelnen Fällen an ihre Grenzen stoßen und dass auch die von ihm erwähnte Herausforderung der Qualifizierung marginalisierter Kleinbauern ein wichtiges Thema ist. Zugleich wird jedoch in vielen wissenschaftlichen Studien – nicht zuletzt durch die jüngste Fairtrade-Wirkungsstudie des Centrums für Evaluation (CEval) – aufgezeigt, dass der Faire Handel in vielerlei Hinsicht positive Auswirkungen für die ländliche Entwicklung leistet. Die von Peltzer zitierte Studie „Toward Sustainability“ des Steering Comittee of the State-of-Knowledge Assessment of Standards and Certification weist zwar auch auf diese positiven Erkenntnisse hin, betont jedoch zu stark die negativen Ergebnisse einzelner Fairtrade-Case-Studies und stellt das Fairtrade-System mit dem deutlich weniger anspruchsvollen Zertifizierungssystem Rainforest Alliance auf eine Ebene, was meines Erachtens durch die Besetzung des Committees (Rainforest, Mars, Unilever u.a.) zu erklären ist.

* Reichweite entscheidend

Die in der Studie zitierte Zahl, in Afrika könnten im Durchschnitt nur 5% der Bauern von Vertragsanbau profitieren, wird lapidar als „nicht richtig“ abgetan. Nun ist diese Zahl nicht aus der Luft gegriffen, sondern entstammt einer Studie des International Institute for Environment and Development. Dass der länderspezifische Durchschnitt in den klassischen Baumwollexportländern wie Benin, Burkina Faso und Mali höher sein mag, steht dazu nicht im Widerspruch.

Die Frage der Vertriebsstruktur ist aus meiner Sicht keine Banalität derart, „ob man einen Supermarkt lieber mag als den Tante-Emma-Laden um die Ecke“. Auch sind mir empirische Hinweise auf die von Peltzer postulierte Post-Supermarkt-Ära zumindest in den Ländern des Südens nicht bekannt. Es macht durchaus Sinn, von engen Zusammenhängen zwischen Vertriebsstrukturen einerseits und Ernährungssicherung andererseits auszugehen. Die Auswirkungen der absehbaren Umstrukturierung des Einzelhandels in Indien auf 35 bis 37 Millionen Kleinhändler, die – wie in der Studie ausgeführt – ihr Einkommen aus diesem Sektor beziehen, sind entwicklungspolitisch und auch aus der Perspektive der Ernährungssicherung höchst relevant.

* Kontroversen wichtig

Angesichts des Rundumschlags von Peltzer überrascht es, dass er meinen Schlussfolgerungen (Aufstockung öffentlicher Mittel in direkte kleinbäuerliche Produktion, Anerkennung extraterritorialer Staatenpflichten, eine stärker regulierende Politik gegenüber Nachfragemacht in globalen Ketten u.a.) abschließend dann irgendwie doch zustimmt. Vielleicht liegen wir in unseren Ansichten ja gar nicht so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Inhaltliche Debatten sind notwendig und die vom BMZ im Positionspapier „Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft“ formulierten Leitbilder stellen eine sehr gute Grundlage für weitere Diskussionen bezüglich der Chancen und Risiken inklusiver Geschäftsmodelle im Ernährungsbereich dar. Auch kontrovers dürfen diese Diskussionen sein. Was jedoch nicht weiterhilft, ist der Pauschalvorwurf, „die NGOs“ würden nicht sauber recherchieren.

Hinweis:
* Benjamin Luig, ‚Business Case‘ Hungerbekämpfung. Der fragwürdige Beitrag von Agribusiness und Nahrungsmittelindustrie zur Ernährungssicherung, 28 S., Forum Umwelt & Entwicklung: Berlin, Januar 2013. Bezug: als Printversion über www.forumue.de und als PDF-Download >>> hier.

Veröffentlicht: 17.3.2013

Empfohlene Zitierweise:
Benjamin Luig, Die Marktmacht von Agribusiness und Foodindustrie. Eine Replik auf Roger Peltzer, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 17. März 2013 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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